In Georgien ist Kiffen ein verfassungsmäßiges Recht

Georgien hat für die Entkriminalisierung von Cannabis einen ungewöhnlichen Weg gewählt. Das osteuropäische Land gab sich nicht damit zufrieden, den Konsum von Cannabis als leichten Gesetzesverstoß zu behandeln, sondern erklärte, dass das Cannabisverbot die Grundrechte der KonsumentInnen einschränke. Eine unerwartete Argumentation für einen postsowjetischen Staat! Die Ende Juli gefällte Entscheidung begründet der georgische Verfassungsgerichtshof damit, dass der Konsum von Marihuana zwar die Gesundheit des Konsumenten schädigen könne, dies jedoch seine eigene Verantwortungssphäre sei und keine Gefahr für die Gesellschaft darstelle. Die Genehmigung des Marihuanakonsums wird mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit begründet. Da das Individuum nur in sehr geringem Maße zur Verbreitung von Cannabis beitrage, sei die Gefahr für die Gesellschaft außerordentlich gering. In diesem Sinne sei die Bestrafung des Marihuanakonsums eine unverhältnismäßige Maßnahme.

Diese Nachricht wurde vielerorts als Legalisierung gewertet, was allerdings ein Irrtum ist, denn es wird weiterhin keinen legalen Markt für Marihuana geben, auch in Zukunft bleibt der Handel mit Marihuana verboten und es werden keine Cannabisläden in Georgien eröffnet werden. Für den Humor des georgischen Gerichtshofs spricht, dass die Entscheidung um 4:20 Uhr Ortszeit verkündet wurde. Es fehlten nur eine Nebelmaschine und ein paar Joints in den Händen der RichterInnen. Oppositionspolitiker Zurab Japaridze hatte das Gericht um eine Stellungnahme gebeten hinsichtlich dieses Richterspruchs, der dazu beitrage, Georgien in ein freies Land zu verwandeln. Man argumentiert, dass „ProblemkonsumentInnen“ durch die Freigabe leichter an Beratung und Hilfe von Fachleuten kämen und die Polizei sich auf die Aufklärung ernsthafter Verbrechen konzentrieren könne.

Fraglich bleibt, ob in der Folge mehr Geld für Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen bzw. für die Behandlung von Drogensüchtigen zur Verfügung gestellt wird, wie man das in den US-amerikanischen Bundesstaaten, die legalisiert haben, sehen kann. Oder dies damit abtut, es handle sich um die freie Entscheidung von Individuen, in die man sich nicht einmischen dürfe. Aus verschiedenen Blickwinkeln erscheint der ungewöhnliche georgische Weg interessant. Wir werden die Auswirkungen dieser richterlichen Entscheidung aufmerksam verfolgen, und ganz besonders auch, ob Verfassungsrichter anderer Länder sich der Einschätzung ihrer georgischen KollegInnen anschließen werden. In der Zwischenzeit stellen wir die Frage, ob der Konsum der ebenfalls für die Gesellschaft nicht besonders gefährlichen Magic Mushrooms nicht genauso vom Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit geschützt ist. Und ob die Verfassung die Bevölkerung Georgiens nicht vielmehr vor der Wirkung des gesellschaftszersetzenden und die freie Entfaltung der Persönlichkeit verändernden Alkohols schützen muss.

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