Die Top-5-Cannabisländer
Auch in Europa ist eine Explosion des Cannabismarkts zu erwarten
Die Einnahmen aus dem legalen Cannabisgeschäft in den USA betragen sieben Milliarden Dollar pro Jahr und ein Bundesstaat nach dem anderen legalisiert den Konsum aus medizinischen Gründen oder zum Freizeitvergnügen. Arcview Market Research und BDS Analytics, die zu den anerkannten Marktbeobachtern zählen, untersuchten in ihrem jüngsten Bericht zum Weltmarkt, welche Länder neben den USA und Kanada, das vor Kurzem den Freizeitkonsum genehmigte, die größten Geldsummen auf dem legalen Cannabismarkt bewegen. Kanada erwarte bis 2020 Einnahmen von 6,5 Milliarden Dollar aus legal verkauftem Gras.
Laut der Analyse ist Deutschland der größte Hoffnungsträger. Dort wurde letztes Jahr der medizinisch begründete Konsum gestattet. Die Deutschen gelangen relativ leicht an Cannabisprodukte. Mehrere Tausend Apotheken in Deutschland sind berechtigt, medizinische Präparate auf Cannabisbasis zu vertreiben, allerdings müssen sich die PatientInnen einer ziemlich langwierigen Prozedur unterwerfen. Zunächst ist es schwierig, ein Rezept zu bekommen, weil der Großteil der ÄrztInnen noch unsicher ist und anstelle von Cannabisblüten andere Medikamente empfiehlt. Dann ist es schwierig, eine Kostenübernahme der Krankenkasse zu erlangen, die nur bei einem engen Kreis von Erkrankungen gewährt wird. Wird diese verweigert, hat der/die PatientIn wenige Alternativen. Es bleibt die Selbstversorgung (d. h. der illegale Anbau) oder die Beschaffung auf dem Schwarzmarkt.
In Deutschland, wo mindestens eine halbe Million regelmäßige CannabiskonsumentInnen leben, könnte der Cannabismarkt nach Schätzungen im Jahr 2022 bis zu 1,6 Milliarden Dollar umfassen, was ein ziemlich großer Sprung von den für 2018 prognostizierten Einnahmen in Höhe von 263 Millionen Dollar wäre.
Das Vereinigte Königreich steht an zweiter Stelle auf der Liste der vielversprechenden Länder. Nach Schätzungen werden die Einnahmen durch medizinisches Cannabis im Jahr 2018 nur sieben Millionen Dollar erreichen.
Jedoch genehmigte die britische Regierung Ende Juli den Gebrauch von medizinischem Marihuana, und so können ÄrztInnen ab Herbst ihren PatientInnen Cannabisprodukte verschreiben. Das könnte nach Schätzungen bis 2022 insgesamt 288 Millionen Dollar an Einnahmen bringen.
Die Schweiz ist das einzige Mitglied auf der Top-5-Liste, das auch jetzt schon den Freizeitkonsum gestattet, wenigstens von Cannabis mit einem geringen THC-Gehalt (maximal 0,2 %). Diese Sorten enthalten keine spürbar psychoaktiven Stoffe, jedoch zahlreiche andere Cannabinoide, beispielsweise CBD, CBG sowie andere heilkräftige Bestandteile. Obwohl in der Schweiz im engsten Sinne der Konsum aus medizinischen Gründen legalisiert wurde, können über 18-Jährige Cannabis in den Geschäften ohne Rezept erhalten.
Diese Situation hat in den vergangenen Jahren eine Explosion des Schweizer Marktes verursacht. Unzählige Firmen, die Cannabisprodukte vertreiben, erschienen auf dem Markt und internationale Großunternehmen wie die Lebensmittelkette Lidl begannen mit dem Vertrieb von cannabishaltigen Produkten. In der Schweiz rechnet man für 2018 mit Einnahmen durch den Cannabismarkt in Höhe von 130 Millionen Dollar. Nach den Voraussagen ist der Markt relativ bescheiden, wird jedoch jährlich um sechs Prozent wachsen und bis 2022 163 Millionen Dollar pro Jahr erreichen.
In Italien wurde 2013 medizinisches Marihuana genehmigt, der Gebrauch jedoch durch strenge Gesetze eingeengt. Beispielsweise dürfen nur besonders ermächtigte ÄrztInnen Rezepte ausstellen und nur ein kleiner Kreis von PatientInnen ist zum Gebrauch berechtigt. Das Rezept müssen sie immer bei sich tragen, wenn sie Marihuana mit sich führen. Witzig, dass in Italien die Armee den Anbau von medizinischem Cannabis überwacht, der in einem pharmazeutischen Institut in Florenz vonstattengeht.
Durch die strengen Vorschriften betragen die Einnahmen aus dem legalen Markt in Italien nur sieben Millionen Dollar, doch Analysten rechnen damit, dass sich in den kommenden Jahren die positiven Erfahrungen auswirken werden, indem die Vorschriften gelockert werden und die Einnahmen bis 2022 auf 156 Millionen Dollar steigen.
In Mexiko wurde im Juni 2017 der medizinisch indizierte Gebrauch von Cannabis genehmigt, jedoch nur für Produkte, die höchstens ein Prozent THC enthalten. Für das vom Weltdrogenkrieg am stärksten betroffene Land ist das nicht einmal als kleiner Erfolg zu werten. Die Regelung kommt in erster Linie PatientInnen zugute, bei denen THC in der Behandlung ihrer Symptome keine Rolle spielt, andere Cannabinoide – CBD, CBG und CBA – hingegen schon.
Die größten Probleme für Mexiko sind weiterhin die Armut und die gewaltige Nachfrage der Nachbarländer nach Cannabis. Somit werden die Drogenkartelle erhalten und gestärkt, die nicht mehr nur Stadtteile oder einige Städte, sondern ganze Regionen unter ihrer Kontrolle haben. Für das Land, das gegenwärtig einen der größten (illegalen) Drogenlieferanten der USA darstellt – obwohl diese Bedeutung durch die Legalisierung in Kalifornien und anderen Bundesstaaten hinsichtlich des Cannabis abnimmt – wäre die einzige vernünftige Lösung die Legalisierung des gesamten Cannabismarktes und eine staatliche Kontrolle, sei es mit amerikanischer Hilfe. Doch das scheint vorläufig nicht umsetzbar. Obwohl der mexikanische Minister für Tourismus vor Kurzem erklärte, dass die Legalisierung von Marihuana die Zahl der Gewaltverbrechen im Lande reduzieren würde und die MexikanerInnen die Legalisierung immer mehr unterstützten, ist unwahrscheinlich, dass die Regierung in den kommenden vier Jahren diesen Schritt unternimmt.
Insgesamt werden für 2022 Einnahmen von 99 Millionen Dollar aus dem Vertrieb von legalem Cannabis erwartet; dieses Jahr konnten 14 Millionen Dollar erreicht werden.
Die Daten belegen, dass das Anwachsen des Marktes unaufhaltsam voranschreitet und die Frage nicht darin besteht, ob früher oder später wenigstens das medizinische Cannabis freigegeben wird, sondern darin, wann wer die größten Gewinner dieses Prozesses sein werden.
In Europa sprechen wir von einem Markt mit 600 Millionen – nach vorsichtigeren Schätzungen mit rund 100 Millionen – regelmäßigen KonsumentInnen, unabhängig davon, ob sie das Marihuana aus medizinischen oder rekreativen Gründen benutzen. Das ist so, als würde die gesamte deutschsprachige Bevölkerung Europas jede Woche mindestens einmal Cannabis konsumieren. Daher ist es schwer vorstellbar, dass Politik und Wirtschaft diesen Markt weiterhin Kriminellen als Spielwiese überlassen.
Da die europäischen Länder und Firmen in einen Rückstand von mindestens einem Jahrzehnt geraten sind – hauptsächlich wegen politischer Nachlässigkeit und veralteter Vorschriften –, werden die Gewinner dieses Prozesses mit Sicherheit amerikanische und kanadische Firmen sein. Ihr Erscheinen und Erstarken auf dem europäischen Markt für legales Cannabis war schon in den vergangenen Jahren deutlich zu sehen. Es ist kein Zufall, dass Kanada dieses Jahr den gesamten Cannabismarkt legalisiert. Dieser Schritt ist – obwohl zweifellos die kanadischen FreizeitkonsumentInnen und PatientInnen in den Genuss seiner Vorzüge kommen werden – in erster Linie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten wichtig. Zahllose Finanzfirmen und Investoren legen nämlich nur dann die ihnen anvertrauten Gelder in einem Geschäftszweig an, wenn er hundertprozentig legal ist und seine Regulierung in jeder Hinsicht eine geeignete Umgebung für Investitionen bietet. Das bedeutet jedoch nicht, dass solche Investitionen risikofrei wären. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass die Bundesregierung – wie es die Regierung Trump in den USA angekündigt hat – die Entscheidungen der Provinzen aufheben und die Profite für illegal erklären wird. In Kanada agieren die amerikanischen und auch die europäischen Firmen – auch von den Gesetzen des Bundes garantiert – in einer sicheren Umgebung, sie können profitieren und zahlen natürlich Steuern.
Eine der größten kanadischen Firmen für Cannabisprodukte, die Canopy Growth Corporation, realisierte im letzten Quartal Einnahmen, die mehr als zehn Prozent des deutschen Marktes ausmachen. Der deutschen Tochterfirma Spektrum Cannabis steht ein massives Wachstum bevor.
Die europäischen Märkte, besonders Deutschland, waren für die Firma Aurora Cannabis mit Sitz in Vancouver noch wichtiger, da sie 40 Prozent ihrer Einnahmen in Europa generierte. Aurora baut gegenwärtig in Dänemark eine Fabrik auf einer Fläche von mehr als 90.000 Quadratmetern, der erhöhten Nachfrage aus der Region entsprechend. Die Torontoer Cronos Gruppe schloss letztes Jahr eine wichtige Geschäftsvereinbarung mit der deutschen Pohl-Boskamp, die 12.000 Apotheken in Deutschland beliefert; die Einnahmen aus dem internationalen Markt sind jedoch vorläufig unbedeutend. Tilray war 2016 der erste kanadische Anbauer von Marihuana, der medizinisches Cannabis nach Europa exportierte. Gegenwärtig liefert die Firma erneut in europäische Länder, unter anderem nach Deutschland.
Deutschland hat jüngst beträchtliche Schritte unternommen, um einen Markt für medizinisches Cannabis einzurichten und die Rechtsvorschriften für diesen Markt zu schaffen. Da diese Regeln weiter ausgestaltet werden, ist die Weiterentwicklung des legalen Marktes sichergestellt, und in den nächsten Jahrzehnten könnte Deutschland ebenfalls in die Reihe der Länder eintreten, die am meisten vom Handel mit legalem Cannabis profitieren.