Ein Medizinalhanf-Dealer im Kreuzverhör

In Deutschland gibt es mittlerweile unzählige Selbsthilfegruppen von Menschen, denen Cannabis bei ihrem Krankheitsbild hilft – und die diese Naturmedizin auf dem Schwarzmarkt erwerben, da sie entweder keine Lust auf den bürokratischen Hürdenlauf hin zu legalem medizinischen Cannabis haben, oder sich erst gar keine Hoffnungen machen, diese selbst überwinden zu können.

Wir trafen einen illegal tätigen Berliner, der Cannabis zum Großteil an Kranke verkauft und der bereit war, sich allen unseren Fragen zu stellen.

Wie und wann ist dir Cannabis zum ersten Mal begegnet?

Das war etwa ein Jahr nach der Wende, im Jahr der Wiedervereinigung. Als ehemaliger DDR-Bürger war Hanf für mich bis zum Ende der “Volksrepublik” kein Thema. Und wenn, dann höchstens im Zusammenhang mit “westlichen Drogen”. Und obwohl auch in der DDR Alkohol getrunken und Tabak geraucht wurde, sprach man in diesem Zusammenhang nie von Drogen – so was gab’s nur im Westen, und da sollte es auch bleiben. So habe ich damals tatsächlich gedacht – während ich gleichzeitig auf den damals zahlreich steigenden “Feten” immer gerne meinen eigenen “Punsch” mitbrachte. Der bestand aus preiswertem Weißwein, Rotwein und jeder Menge Zucker, der die Wirkung noch zu steigern verstand. Dazu wurden dann auch immer viele Zigaretten geraucht – aber mit Drogen hatten wir in der DDR natürlich nichts am Hut. Nach der Wende landete ich dann bei meinem ersten Amsterdam-Besuch mit ein paar Freunden in einem Coffeeshop und investierte erstmals in Gras und Haschisch, nachdem wir einen fertig vorgedrehten Joint geraucht und für klasse befunden hatten. So fing ich selbst mit dem Kiffen an – und bin dabei geblieben. Und da ich mit der Zeit immer mehr Leute kennenlernte, die auch regelmäßig etwas zu rauchen haben wollten, kaufte ich immer deutlich mehr, als ich selber verbrauchte und begann mit meiner illegalen Nebentätigkeit.

Wie hast du dann festgestellt, dass Hanf auch medizinisches Potenzial hat?

Durch die mittlerweile jahrelange Beschäftigung mit Cannabisprodukten hatte ich natürlich auch angefangen, mich ganz allgemein für diese Pflanze zu interessieren und fand heraus, was heute jeder halbwegs aufgeklärte Mensch weiß: wie Hanf über Jahrtausende hinweg die Menschheit begleitete und unser Leben angenehmer gestaltete. Und wie er schließlich ohne rationelle Begründung international verboten wurde. So blieb mir auch nicht verborgen, dass Cannabis sogar in der Medizin – vor allem als Schmerzmittel – eingesetzt werden kann, und vielen Patienten diese natürliche Alternative zu chemischen Präparaten aus politischen Gründen verwehrt wird. Als ich dann bei einer Demonstration für die Legalisierung von Hanf ein Mitglied einer Selbsthilfegruppe von Patienten, die sich illegal mit Cannabis therapieren, kennenlernte, erfuhr ich noch mehr von den irrationalen Zuständen in Deutschland.

Wie kam es schließlich dazu, dass du heute auch an Schmerzpatienten Cannabis verkaufst?

Da auch mein Onkel nach einem Verkehrsunfall unter ständigen Schmerzen leidet und daher täglich verschiedene Schmerzmittel nehmen muss, hat mich die Thematik natürlich sehr interessiert, und so bin ich dann auch mal zu einem Selbsthilfegruppentreffen gegangen. Ich freundete mich mit der Zeit dann mit einigen Mitgliedern der Gruppe an und erfuhr schließlich, dass sie für ihr Cannabis deutlich zu viel bei ihrem bisherigen Lieferanten bezahlen mussten. Das konnte und wollte ich unterbieten – schließlich wollten sich diese Menschen nicht einfach nur berauschen, sondern ihre Schmerzen lindern. Und dass das funktioniert, wusste ich inzwischen von meinem Onkel, der – wenn auch erst nach ausdauernder Überzeugungsarbeit meinerseits – bereit war, es mal mit Cannabis zu probieren. Heute ist er mir rückblickend dankbar, dass ich ihm diesen Selbstversuch empfahl, da Cannabis nicht nur weitgehend seine Schmerzen vertreibt, sondern dazu noch – medizinisch gesprochen – “stimmungsaufhellend” wirkt. Inzwischen versorge ich nicht nur ihn, sondern auch eine ganze Berliner Selbsthilfegruppe mit dieser extrem schwer zugänglichen Medizin. Da ich ja nicht im großen Stil deale, ist somit der Großteil meiner Kundschaft an Hanf als Medizin interessiert.

Nun könnte man einwerfen, dass du dich also an dem Leid Anderer bereicherst…

In gewisser Weise stimmt das ja auch – schließlich schlage ich bei meinen medizinischen Kunden ja auch immer noch einen Euro pro Gramm auf. Allerdings haben die Mitglieder der Selbsthilfegruppe zuvor über 2 Euro mehr pro Gramm gezahlt – insofern habe ich ihnen geholfen, die Kosten nachhaltig zu senken. Soweit ich weiß, sind alle mit Preis und Qualität sehr zufrieden. Und meinen Onkel versorge ich natürlich zum Selbstkostenpreis – in der Familie gehört sich das einfach. Und meine restliche Kundschaft, die Cannabis vor allem als Freizeitdroge konsumiert, kommt auch prima damit klar, dass ich bei ihnen 2 Euro pro Gramm aufschlage. Schließlich habe ich eine sehr gute und verhältnismäßig günstige Quelle, wodurch sich meine Preise – 6 Euro für Medizinalhanfkunden und 7 Euro für Freizeitkiffer – durchaus sehen lassen können.

Wie läuft das ganz konkret ab, wenn man bei dir was kaufen will – hast du dafür bestimmte Zeiten?

Nein, man ruft einfach vorher an und fragt, ob man vorbei kommen kann oder ob ich demnächst mal wieder Zeit habe. Und entweder habe ich Zeit – und damit auch Gras – oder eben nicht. Aber eigentlich habe ich immer Zeit.

Wovon lebst du eigentlich? Reicht dein Gewinn aus dem Hanfhandel aus?

Das könnte er sicher, wenn ich das wollte und offensiver betreiben würde – aber ich finde es besser, wenn ich nur wirklich vertrauenswürdige Bekannte mitversorge und dadurch etwas mehr als meinen eigenen Konsum finanziere. Denn so habe ich auch nie zu viel daheim, was mein Risiko nicht unerheblich verringert. Denn obwohl ich durchaus der Meinung bin, mit meiner Dealerei letztendlich etwas Gutes zu tun, ist mir auch klar, dass das die deutschen Strafverfolgungsbehörden leider noch immer ganz anders sehen.

Martin Müncheberg

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