Medizinalhanf aus dem Kibbuz

Das Therapieprogramm Teva Adir

Israel spielt eine herausragende Rolle in der Medizinalhanfbewegung. Die entsprechenden Aktivitäten spielen sich meist im Norden des Landes, in der Nähe der Hauptstadt, ab. Ein Freund wies uns darauf hin, dass es auch in Eilat Sehenswürdigkeiten gebe – ganz besondere sogar –, denn hier befinde sich der einzige Kibbuz des Landes, wo Cannabis für therapeutische Zwecke angebaut wird. Die Plantage Teva Adir ist so gut geschützt, dass wir sie trotz rechtzeitiger Anmeldung nicht betreten durften und unser Gespräch mit dem Besitzer in einem Restaurant führen mussten.

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Medijuana: Wann startete euer Projekt?

Geri Kolin: Wir begannen vor ungefähr zehn Jahren, aber trotz aller Bemühungen hat es dreieinhalb Jahre gedauert, eine Genehmigung zu bekommen.

MED: Gab es vor zehn Jahren noch keine genehmigten Programme für therapeutisches Cannabis in Israel?

GK: Damals begannen die Musterprojekte mit einer geringen Anzahl von Patienten. Ich selbst lernte therapeutisches Cannabis und die mit ihm erzielten hervorragenden Ergebnisse in San Francisco kennen. Da Israel über eine Landwirtschaft mit Spitzentechnologie verfügt, hielt ich es für möglich, qualitativ hochwertiges Cannabis für unsere eigenen Patienten herzustellen. Damals habe ich mich entschlossen, das in Angriff zu nehmen, und gut drei Jahre später bekam ich die Genehmigung.

MED: Gegen welche Krankheiten und Symptome kann Cannabis in Israel verschrieben werden?

GK: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: gegen Schuppenflechte, Fibromyalgie, Schmerzen, Parkinson, Alzheimer und Epilepsie.

20160203_153243MED: Was geschah während der drei Jahre, als ihr auf die Genehmigung warten musstet?

GK: Ich war einige Male in San Francisco, um mehr über die Pflanze und den Geschäftszweig in Erfahrung zu bringen, um die Daten für die natürlichen Techniken kennenzulernen und mehr über die Herstellung von Öl und Extrakten und deren Anwendung zu erfahren. In der Zwischenzeit übernahm in Israel ein Arzt mit positiver Einstellung die Verantwortung für dieses Projekt, und so konnte schließlich in einer Mietwohnung in Tel Aviv mit ein paar Pflanzen der Anbau für unsere Patienten beginnen. Am Anfang hatten wir vier Pflanzen, dann zehn, schließlich zwanzig. Fünf, sechs Jahre lang haben wir in der Mietwohnung angebaut, auf dem Höhepunkt hatten wir 65 Patienten. All das geschah ohne jegliche Unterstützung von der Regierung. Nach sechs Jahren erklärte sie, dass sie bereit sei, Geld für diese Dienstleistung zu geben. Unabhängig davon, ob ein Patient 20 oder 200 Gramm im Monat bekam, zahlten sie für jeden Patienten die gleiche Summe. Um genau zu sein, verkaufen wir auch jetzt kein Cannabis, sondern eine Dienstleistung. Nun aber für 1.300 Patienten in einem Krankenhaus von Tel Aviv.

MED: Warum habt ihr euch entschlossen, den Anbau aus der Mietwohnung in Tel Aviv in einen 300 km entfernten Kibbuz zu verlagern?

GK: Als die Zahl der Patienten stieg, wurde der Anbau in der Wohnung untragbar. Daher dachte ich, dass ein Kibbuz ein geeigneter Ort wäre.

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MED: Aber warum habt ihr ausgerechnet einen Kibbuz gewählt? Soweit ich weiß, haben die Kibbuzim gewöhnlich sehr strenge Regeln, uns zum Beispiel ist es nicht gelungen hineinzugelangen, um uns die Plantage anzusehen.

GK: Nach dem Gesetz kann man ein Kibbuz nur mit einer Erlaubnis betreten. Wenn ich jemanden mit hineinnehme, der nicht über die nötigen Papiere verfügt, dann verliere ich meine Zutrittsgenehmigung. Das ist natürlich im Hinblick auf die Pflanzen außerordentlich sicher, denn sie sind auch innerhalb des Kibbuz abgeschlossen. Unsere Plantage befindet sich im Kibbuz Elifaz, dessen Eingang von Wächtern gesichert wird, aber die Plantage wird darüber hinaus rund um die Uhr bewacht und mit einem Zaun gesichert, man kann sie nur mit einer Genehmigung betreten. Wir haben das getestet. Wenn irgendjemand trotzdem versuchen würde einzudringen, um, sagen wir, ein Kilo Marihuana zu stehlen, dann ist die Polizei in viereinhalb Minuten dort und der Dieb kann nicht entwischen. Der zweite wichtige Grund ist, dass der Kibbuz Elifaz in der Region Arava liegt, wo sich der Anbau für therapeutische Zwecke in Zusammenarbeit mit den anderen Kibbuzim zu einem beträchtlichen Geschäftszweig entwickeln kann. Der Kibbuz ist für uns ein ausgezeichneter Partner, und es ist meine Überzeugung, dass dies der beste Ort für die Herstellung von therapeutischem Cannabis ist. Das Klima in Südisrael ähnelt dem von Kalifornien, die hohe Qualität des dortigen therapeutischen Anbaus muss ich vielleicht nicht besonders herausstellen. Im Kibbuz wird momentan auf 3.500 m² angebaut, dieser Tage werden weitere 10.000 m² hinzukommen.

MED: Imponierende Zahlen! Wie groß ist der Kibbuz?

GK: Nicht sehr groß, insgesamt leben 31 Familien dort.

MED: Und wie haben sie reagiert, als sie hörten, dass ihr dort Cannabis anbauen wollt?

GK: Das war eine schwierige Entscheidung für die Gemeinschaft, denn ihre Haltung zu der Frage war gespalten. Ich sprach eine Stunde lang mit ihnen, setzte ihnen auseinander, dass es möglich sei, daraus einen Geschäftszweig zu machen. Ich erklärte ihnen, dass Cannabis ein Medikament ist, das in immer größeren Teilen der Welt anerkannt wird, und dass die Pharmaindustrie dem nicht entgegenstehen kann. Ich sagte ihnen, dass vier meiner eigenen Patienten vom Krebs geheilt wurden, und dass die Forscher des Tel Aviver Krankenhauses gegenwärtig die Anti-Krebs-Wirkung von Cannabis prüfen. Das verstanden sie und wir begannen unsere Zusammenarbeit. Gegenwärtig verfüge ich über 50 Prozent Teilhaberschaft im Kibbuz.

MED: Werdet ihr das neue Gelände auch für den Anbau von Cannabis nutzen?

GK: Wir werden eine Anlage der Spitzenkategorie aufbauen, die im Nahen Osten und Europa ihresgleichen suchen wird. Gegenwärtig kann kein einziger israelischer Patient solches therapeutisches Cannabis der Premium-Kategorie erhalten.

MED: Wie wird sich das Premium-Cannabis von dem gegenwärtig erhältlichen therapeutischen Cannabis unterscheiden?

GK: Es wird eine Treibhausplantage sein, wo wir alle Faktoren nach den Erfordernissen regulieren können: das Aroma der Pflanzen, ihren Geschmack und zahlreiche weitere Eigenschaften. So können wir ihre Wirkungen den verschiedenen Krankheiten anpassen.

MED: Mit welchen Sorten arbeitet ihr? Züchtet ihr auch eigene Sorten?

GK: Anfangs haben mir mit gezüchteten Sorten gearbeitet, aber heute verfügen wir durch die Zusammenarbeit mit der Firma Canna Project auch über eigene Sorten. Im Hinblick auf das Verhältnis von THC zu CBD haben wir Sorten mit allen möglichen Profilen, die man der Therapie der verschiedenen Krankheiten zuordnen kann. Die führenden Sorten verfügen über einen THC-Gehalt von 16 bis 24 Prozent, aber wir haben auch Sorten mit einem Verhältnis CBD:THC von 24:1. Wir vervollkommnen sie seit Jahren, damit sie auch in der Wüste die besten Erträge bringen. Durch Kooperationen können wir Investoren helfen, die eine Cannabisplantage möchten. Vom Fachwissen bis zu den Einrichtungen und Werkzeugen können wir alles bereitstellen. Wir haben unsere Erfahrungen auf diesem Weg gesammelt, daher können wir auch im großen Rahmen neuen Akteuren einiges erleichtern. Wir planen auch die Einrichtung einer großen Farm in Kalifornien, wo wir Wissen und Werkzeuge zur Verfügung stellen.

MED: Habt ihr auch Cannabispräparate?

GK: Wir sind die einzige Firma in Israel, die vom ersten bis zum letzten Schritt mit pharmazeutischen Verfahren Öl herstellt. Alles, was wir auf unserer Farm produzieren, kommt in die Apotheke nach Tel Aviv, wo der Auszug gemacht wird und beispielsweise Cannabis-Zigaretten hergestellt werden. Zwei Krankenhäuser arbeiten mit uns zusammen. Dort sind die Präparate ebenfalls erhältlich. Außerdem ein Forschungsinstitut, wo unsere Sorten zur Erforschung der Therapie Krebskranker verwendet werden.

MED: In Israel erlebt therapeutisches Cannabis eine solche Blüte, dass man sich langsam die Frage stellt, ob die Pharmaindustrie nicht um ihre gewohnte Marktrolle fürchten muss …

GK: Die Pharmaindustrie ist stärker als die stromerzeugende. Die Ärzte sind ihre Agenten. Wenn man in Israel zu einem Hausarzt geht, verschreibt er etwas gegen deine Symptome, ohne holistisch zu untersuchen, wo ihr Ursprung liegt. In meiner Kindheit wurden die Umstände noch gründlich untersucht. Was habe ich gegessen? Was habe ich an dem Tag getan? Heute aber geschieht das alles vollkommen mechanisch, und das geht in die falsche Richtung. Ich vertraue darauf, dass mit der Verbreitung des Medizinalhanfs die Pharmaindustrie an Macht verlieren und dass statt der Profitinteressen wieder die Gesundheit der Menschen in den Mittelpunkt gestellt wird.

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