“Cannabis gibt mir Energie”

Effektive Schmerzlinderung mit Marihuana

Alex Jähn ist 30 Jahre und Rentner. Der Baden-Württemberger aus Wiesloch hatte im Alter von 19 Jahren einen schlimmen Verkehrsunfall und ist seitdem auf Schmerzmittel angewiesen. Wir sprachen mit Alex über seinen beschwerlichen Lebensweg und seine persönlichen Erfahrungen mit Cannabis als Medizin.

Medijuana: Unter welchen Beschwerden leidest du und wie kam es dazu?

Alex Jähn: Mit 19 Jahren – am 26. Juni 2001 – hatte ich einen schweren Verkehrsunfall. Ich saß als Beifahrer in einem Auto, das mit 120 Sachen gegen einen Baum fuhr. Insofern hatte ich großes Glück, dass ich überhaupt noch am Leben bin. Aber der Gurt hat mir beim Aufprall meine komplette Schulter zerquetscht, der Motor lag auf meinem Fuß und meine Wirbelsäule war gebrochen. Zudem hatte ich wohl auch angefangen, etwas zu brennen – erst nachdem man mich aus dem Autowrack herausgezogen hatte, gelangte ich irgendwann wieder zu Bewusstsein. Der Unfallfahrer hatte noch mehr Glück – er kam mit verhältnismäßig leichten Verletzungen davon. Aber das ist wohl meistens so: Den Beifahrer erwischt es immer schlimmer – keine Ahnung, warum das so ist.

MED: Du warst nach dem Unfall sicherlich erstmal ein paar Wochen im Krankenhaus – das war bestimmt eine harte Zeit …

AJ: Klar, ich konnte ja anfangs meinen rechten Arm überhaupt nicht bewegen und musste auch erst wieder mühsam laufen lernen. Zudem lag ich meist in einem Gips-Bett – so etwas hatte ich zuvor auch noch nie gesehen. Ich war häufig zu absoluter Ruhe verdonnert, was so überhaupt nicht meiner Natur entspricht. Denn eigentlich bin ich ein sehr aktiver Mensch, der voller Tatendrang steckt.

MED: Im Krankenhaus wirst du sicherlich auch ganz verschiedene Schmerzmittel erhalten haben …

AJ: Ja, anfangs habe ich sogar sehr starke Schmerzmittel bekommen – Tramal, Tilidin, Valoron und solche Sachen. Aber die haben bei mir nicht so richtig gewirkt und ich hatte auch weiterhin permanent Schmerzen. Außerdem wurde ich auch immer dicker und litt unter massiven Stimmungsschwankungen – Freunde von mir bemerkten, dass ich nach der Einnahme bestimmter Tabletten zu einem ganz anderen Menschen wurde. Irgendwann wog ich dann über 100 Kilo und musste mich nach jahrelanger Medikation immer häufiger erbrechen. Die Ärzte konnten sich nicht erklären, woran das lag und unterstellten mir zum Teil sogar Drogensucht. Bei der anschließenden Untersuchung mussten sie dann allerdings feststellen, dass ich keine unbekannten Substanzen konsumiert hatte und ihre Medikation bei mir offensichtlich nicht gut anschlug. Denn ich hatte nur die verschriebenen Medikamente genommen und trotzdem ging es mir dreckig. Noch ein Jahr nach dem Unfall bin ich mit einem eingegipsten Fuß und Oberschenkel rumgelaufen – und dazu kamen ja noch die ganzen anderen Nachbehandlungen. So wollten sie mir zum Beispiel auch die Schulter und die Wirbelsäule versteifen – durch mein tolles Medikament ist das nun aber gar nicht mehr nötig.

MED: Da sprichst du es ja selbst schon an – wie bist du eigentlich auf Cannabis als Medizin gestoßen?

AJ: 2002 hatte ich zum allerersten Mal Dronabinol getestet, aber ich kannte Cannabis natürlich auch schon aus meiner Jugendzeit, da ich mich nie zu Alkohol hingezogen fühlte. Cannabis war und ist in unserer Region stark verbreitet – daher hatte ich als Teenager natürlich auch schon ein paar Mal etwas geraucht. Allerdings hatte Cannabis damals eine ganz andere Wirkung auf mich: Es hat mich einfach ganz ruhig und entspannt werden lassen – was manchmal sicherlich ganz gut war, da ich oft sehr aufgedreht und aktiv daherkam. Und heute ist es andersherum: Cannabis gibt mir richtig Energie – das ist eigentlich gar nicht vergleichbar.

MED: Wie ist dir Cannabis als Medizin wiederbegegnet?

AJ: Das kam so: Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen war, hatte ich unverändert chronische Schmerzen und musste daher immer noch sehr starke Medikamente nehmen. Das war über den Tag verteilt eine ziemlich große Menge, da die Dosierungen in meinem Fall alle sehr hoch ausfielen – offensichtlich reagierte mein Körper nur sehr schwach auf die verschriebenen Mittel. Dafür waren die Nebenwirkungen umso stärker, mir war ständig übel und ich sah auch nicht besonders gut aus. Wenn man so starke Opiate nimmt, dann ist das auf Dauer gar nicht so toll – und das habe ich den Ärzten auch gesagt. Denen war ja auch daran gelegen, dass ich sowas nicht regelmäßig nehmen muss und so hat mir schließlich mein Schmerztherapeut geraten, dass ich es einmal mit Dronabinol versuchen solle. Das habe ich dann auch ein paar Monate gemacht, aber wie ich dann erfuhr, stand der weiteren Therapie mit Dronabinol mein Wunsch nach dem Führerschein im Weg. Mir war klar, dass ich aufgrund meiner Behinderung extrem auf einen Führerschein angewiesen war, da ich ohne ja kaum noch aus dem Haus kam. Und wie man mir unmissverständlich mitteilte, wäre es mir nicht möglich, den Führerschein zu machen, wenn ich gleichzeitig Dronabinol erhielte. Also hab ich dieses Medikament 2003 wieder abgesetzt und dann lieber meinen Führerschein gemacht.

MED: Und erstmal die Finger von Cannabis gelassen?

AJ: Ja, für etwa sechs Jahre. Aber nachdem es mir 2009 dann mal wieder so richtig dreckig mit all den verordneten Medikamenten ging, ich nur noch am Kotzen war und etwa 35 Kilo abgenommen hatte, empfahl mir ein Freund, es doch nochmal mit dem Appetitanreger Cannabis zu probieren und besorgte mir direkt ein bisschen Gras. Als ich das dann mit Tabak rauchte, merkte ich, dass natürliches Cannabis bei meinem Krankheitsbild viel besser wirkt als das synthetisch hergestellte Dronabinol. Damals habe ich ja auch noch Zigaretten geraucht und wenn ich etwas Cannabis beimengte, ging es mir gleich viel, viel besser. Ich nahm wieder zu, fühlte mich besser und hatte wieder große Lust, irgendwohin zu fahren oder etwas zu machen. Das war schon komisch – da liegt man wochenlang im Krankenhaus und die Ärzte können einem nicht helfen und dann kommt ein Freund vorbei und hat die Lösung in der Tasche. Klar, dass da meine Familie zum Teil erstmal recht skeptisch reagierte.

MED: Wie beschwerlich war dann dein Weg zu legalem medizinischen Cannabis?

AJ: Erstmal hab ich ja ein paar Jahre illegal weitergemacht und hatte in der Zeit auch nie irgendwelche Probleme – weder gesundheitlich, noch mit der Polizei. Es gelang mir, mich erfolgreich selbst zu versorgen, auch wenn meine Privatmedizin schon ganz schön ins Geld ging. Aber sie half mir auch so sehr, dass ich mir schließlich ein Buch über den Hanfanbau kaufte, da ich nicht mehr von irgendwelchen Dealern abhängig sein wollte, wenn es um die Beschaffung meiner Medizin ging. Über ein paar Freunde kriegte ich auch ein Pflänzchen und zog es bei mir zu Hause hoch. Da ich aber ab und zu noch zu einem Dealer gehen musste, geriet ich so auch in den Fokus einer groß angelegten Polizeiaktion und so standen dann plötzlich auch vor meiner Tür ein paar Beamte. Die suchten aber eher große Geldmengen und irgendwelches Pulver – und so was gab es bei mir natürlich nicht zu finden. Ich musste dann zwar später auch noch vor Gericht erscheinen und aussagen, erhielt dort aber für den medizinisch inspirierten Anbau von Cannabis nur eine richterliche Verwarnung. Ganz unten auf diesem Urteil stand dann auch irgendetwas von “ohne Erlaubnis” – also googelte ich mal ein bisschen und erfuhr, dass in Deutschland schon einige Menschen Cannabis ganz legal als Medikament erhalten. Über die ACM stellte ich dann auch einen Antrag und seit März diesen Jahres gehöre ich nun dazu.

MED: Was holst du dir seitdem aus der Apotheke?

AJ: Da hole ich mir immer Bedrocan und Bedica. Die Bedrocan-Blüten machen mich sehr aktiv – so wie eigentlich alle Sativa-Sorten. Bei dem schon fein zerkleinerten Blüten-Granulat Bedica handelt es sich dagegen um eine Indica-Sorte, die besonders schmerzstillend und angenehm muskelentspannend wirkt und daher eher etwas für den Abend ist.

MED: Das kostet ja auch ganz schön – übernimmt deine Krankenkasse einen Teil der Kosten?

AJ: Schön wär,s, ich muss das von meiner Rente selber zahlen. Da ich pro Tag fünf Gramm benötige, komme ich da schnell auf eine Summe von bis zu 2.000 Euro im Monat, die mir natürlich für andere Sachen fehlen. Insofern sollten Cannabispatienten ihre Medizin auch selbst anbauen dürfen.

MED: Was machst du als junger Rentner nun mit deiner schmerzfreien Zeit?

AJ: Ich habe es mir zur Selbstaufgabe gemacht, anderen den Weg zu erleichtern, der für mich ja ziemlich schwer war. Ich möchte anderen Betroffenen Mut und Hoffnung machen, denn mir wurde auf meinem Weg ja auch sehr geholfen.

Und nun bin ich dran.

Weitere Informationen zur Thematik finden sich hier:
www.selbsthilfenetzwerkcannabis-medizin.de
www.cannabis-med.org

 

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