Psychedelische Flechte

Das halluzinogene Psilocybin kommt nach unseren bisherigen Kenntnissen nur in bestimmten Pilzen vor, im Volksmund Wunderpilze genannt. Aber dem ist nicht so! Die AutorInnen einer Studie, die in der Fachzeitschrift The Bryologist veröffentlicht wurde, fanden nämlich eine Flechtenart, die wahrscheinlich ebenfalls Psilocybin und andere halluzinogene Stoffe enthält. Die BiologInnen halten Flechten generell für spannende Daseinsformen, da sie ihre Existenz einer semiotischen Verbindung von Algen und Pilzen verdanken und daher im engeren Sinne des Wortes keine Pflanzen sind, wie übrigens auch die Pilze nicht. Das alleine wäre schon ein Grund, sie genauer zu untersuchen.

Erste Erkenntnisse über die Flechten kamen von UreinwohnerInnen aus dem ecuadorianischen Urwald. 1981 erfuhren die Ethnobotaniker Jim Yost und Wade Davis von dem kaum 600 Personen zählenden Stamm der Waorani. Diese Ethnie sei mit einer sehr seltenen Flechte zu psychedelischen Erlebnissen gelangt. Während bei den UreinwohnerInnen des Amazonas der Konsum von Halluzinogenen gewöhnlich kollektiv geschieht und auf Erlebnisse abzielt, die die Gemeinschaft heilen und stärken, wird der Gebrauch der Flechte bei den Waorani als antisoziales Verhalten gewertet. Die Abweichler begeben sich lieber alleine auf Trip, was das Auffinden der Pflanze zusätzlich erschwert. Die Waorani behaupten, dass ein ehemaliger Schamane sie vor Jahren in böser Absicht benutzt habe, um anderen Stammesmitgliedern den Todesfluch zu schicken. Daher würden sie diese Pflanze meiden. Trotzdem fanden die Ethnobotaniker schließlich die Flechte.

Auf die DNS-Untersuchung der Pflanze musste man allerdings noch drei Jahrzehnte warten. Heute weiß man: Die Pflanze weist folgende halluzinogene Verbindungen auf: Psilocybin, Tryptamin, 5-MeO-DMT, 5-MeOT, 5-MeO-NMT und 5-MT. In der Flechte – die Dictyonema huaorani getauft wurde – entdeckte man ein kleines Drogenlabor mit bisher unbekannten Kombinationen. Die ForscherInnen merken an, dass aufgrund der wenigen zur Verfügung stehenden Proben ihre Analyse nicht alle Zweifel über die Präsenz der halluzinogenen Bestandteile beseitigen könne, dazu wäre die Untersuchung weiterer Proben notwendig.

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