Es geht voran

Dr. Manuel Guzmán über die Wirksamkeit der Cannabinoide gegen Krebs

Die Wirkung des THC gegen Krebs ist zwar bewiesen, doch kann man eine bei Mäusen wirksame Therapie nicht unbedingt auf den Menschen übertragen. Eine Forschergruppe in Madrid untersucht gegenwärtig, wie sich die Anwendung von Cannabinoiden in der Chemotherapie auf einen Hirntumor auswirkt.

 

Über das Projekt der Medical Cannabis Bike Tour (MCBT) haben wir von Anfang an berichtet. Der Erlös geht an die unabhängige Krebsforschung mit Cannabinoiden. Für dieses Ziel legen die BikerInnen 420 km in drei Tagen zurück. Im Mai dieses Jahres schwang man sich schon zum fünften Mal auf die Drahtesel. Mit der diesjährigen Tour wurden mehr Spendengelder als je zuvor gesammelt, nämlich 350.000 Euro. Diese gehen an die ForscherInnen der Madrider Universität Cumplutense. In diesem Kontext wurde der Vortrag des Leiters der Forschungsgruppe Dr. Guzmán auf der Wiener Hanfmesse Cultiva mit Spannung erwartet. Er sprach über das Thema Cannabinoide und Krebserkrankungen. Da die Forschungen gegenwärtig noch im Gange sind, konnten noch keine durchschlagenden Beweise präsentiert werden, aber die vorgestellten Ergebnisse wecken bereits positive Erwartungen.

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Symptombehandlung

Dr. Guzmán legte in seinem Vortrag dar, dass außer den von der Forschungsgruppe untersuchten Cannabinoiden – THC und CBD (Cannabidol) – noch mehr als hundert weitere im Cannabis vorkommen, über deren pharmakologische und biologische Wirkung noch nichts bekannt sei. Es sei aber gut möglich, dass sie gegen Krebs wirksam sind. THC und CBD werden gegenwärtig in der Onkologie zur Palliativtherapie verwandt, d. h. nicht mit dem Ziel der Heilung, sondern zur Linderung der Symptome bei Sterbenden und zur Verbesserung ihrer Lebensqualität. Beide Verbindungen erwiesen sich als wirksam bei Appetitlosigkeit und bei der Milderung des Brechreizes, der Schmerzstillung bzw. der Verringerung von Angststörungen und Depressionen. Der Arzt und Forscher räumte ein, dass sich zwar einige Medikamente bei der Behandlung bestimmter Symptome als wirksamer erwiesen hätten, dass Cannabis aber jenen eine Alternative bieten könne, die besonders sensibel sind oder nicht auf traditionelle Medikamente ansprechen. Eine Chance biete es auch jenen PatientInnen, die unter starken Nebenwirkungen leiden. Opiumderivate (Opiate) etwa hätten sich in der Behandlung von Tumorkrankheiten bewährt und würden eingesetzt, obwohl diese Medikamente ernsthafte Abhängigkeiten und Toleranzen herausbilden könnten. Eine fortlaufend gesteigerte Dosis berge auch die Todesgefahr in sich.

Dr. Guzmán berichtete von Forschungen, bei denen die Menge der angewandten Opiate mit Cannabinoiden kombiniert und dadurch gesenkt werden konnte – und damit die mit ihnen verbundenen Risiken. Zudem trage die Verwendung von Cannabinoiden zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei.

Wirkung gegen Tumorbildung

Interessanter jedoch ist die den Cannabinoiden beigemessene Wirkung gegen die Bildung von Tumoren. Einige Berichte stellen des infrage, andere behandeln diese Wirkung jedoch als erwiesene Tatsache. In diesem Kontext schenkte Dr. Guzmán endlich reinen Wein ein. Sein erstes Beispiel war eine Forschung, die vor 15 Jahren an Mäusen mit Gehirntumor durchgeführt wurde. Hier erhielten die Mäuse entweder ein chemotherapeutisches Präparat namens Temozolomid, THC, ein Gemisch aus beiden oder gar nichts. Wie zu erwarten war, starben jene Mäuse zuerst, die gar nicht behandelt wurden. Danach starben die mit THC behandelten Mäuse, bei denen das Wachstum des Tumors sich verringerte, in manchen Fällen er sich sogar zurückbildete. Ein noch besseres Ergebnis zeigten die Mäuse, die mit Temozolomid behandelt worden waren. Die stärkste Verringerung des Tumors jedoch zeigte sich bei der kombinierten Therapie.

Im Verlauf der Untersuchung wurden noch zahlreiche weitere positive Eigenschaften des THC festgestellt: verringerte Venenbildung im Tumor – eine klassische Methode der Behandlung der Krankheit; verringerte Produktion von MMP und damit Zurückdrängung der Invasion des Tumors sowie der Verbreitung der Krankheit im Organismus; Blockierung der chemischen Verbindungen, die im normalen Zellzyklus für die Auflösung verantwortlich sind; Verbesserung des Gradings des Tumors. Man muss wissen, dass ein Tumor umso weniger bösartig ist, je differenzierter er ist. Schließlich trägt das THC zur Apoptose bei, d. h. zum programmierten Zelltod, der eine Waffe gegen den Tumor ist.

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Menschliche Faktoren

All dies bedeutet aber nicht, dass THC und andere Cannabinoide sicher gegen eine Krebserkrankung wirken. Dr. Guzmán erinnerte daran, dass Mäuse im Vergleich zum Menschen über ein stärkeres Immunsystem verfügen, die Entgiftung in ihrem Organismus kraftvoller vonstattengeht und sie unter Berücksichtigung des Massenverhältnisses THC 15-mal besser tolerieren als wir. Bei den ersten Versuchen mit THC an Menschen sei es keine Hilfe gewesen – wie Dr. Guzmán ausführte –, dass die neun einbezogenen Personen schon mehrere Strahlen- und Chemotherapien hinter sich gebracht hatten. Der Gehirntumor wuchs weiter und man gab ihnen eine Lebenserwartung von acht bis zehn Monaten. Dennoch ließ sich feststellen, dass das THC das Tumorwachstum verlangsamte. Den Prozess konnte es hingegen nicht aufhalten. Und so geschah in keinem der Fälle ein Wunder. Bei den aktuellen Untersuchungen, die mit Unterstützung der MCBT durchgeführt werden, wird bei PatientInnen mit Hirntumor im weniger fortgeschrittenen Stadium eine Kombination aus Temozolomid und Sativex (einem Präparat, das THC und CBD enthält) angewandt. Auf die Ergebnisse wird man sicher noch zwei bis drei Jahre warten müssen. Zur Ermutigung sagte der Arzt und Forscher, dass sie nicht die Einzigen seien, die auf diesem Gebiet Humanforschungen betrieben, da die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) kürzlich die experimentelle Anwendung von CBD bei einer bestimmten Form von Hirntumor genehmigt habe. Hier geht es um Ponsgliome – Tumore, die sich im unteren Teil des Hirnstamms bilden –, bei denen traditionelle Therapiemethoden nicht ansprechen. In Israel wurde eine Forschung mit 60 Personen in Angriff genommen, bei der die Wirkung von CBD auf die verschiedenen Krebstypen untersucht wird. Auf die Ergebnisse beider Untersuchungen wird man noch Jahre warten müssen.

Dr. Manuel Guzmán fasste seine Erkenntnisse folgendermaßen zusammen: Gegenwärtig sind wir noch weit davon entfernt, Cannabis oder seine einzelnen Bestandteile als Krebsmedikament betrachten zu können, aber in den kommenden Jahren werden wir ein genaueres Bild von den Möglichkeiten ihrer Anwendung bekommen. Auf unsere Frage hin antwortet er, dass sich die besten Anwendungschancen in Fällen zeigten, in denen Krebs von Entzündungssymptomen begleitet wird. Cannabisöl und verschiedene aus Cannabis hergestellte Präparate würden auf diesem Gebiet wohl die besten Ergebnisse erzielen. Dennoch werde es Jahre dauern, bis die Hypothesen wissenschaftlich untermauert sind.

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