Cannabinoide, Terpene, Verunreinigungen

Laboranalysen für medizinische Qualität

Dr. Jeffrey C. Raber ist Chemiker im kalifornischen Laboratorium The Werc Shop, wo für die Medizinalcannabisszene Analysen der verschiedenen Sorten zur Förderung der allgemeinen Gesundheit durchgeführt werden. Das Labor nahm 2010 seine Arbeit auf, aber schon jetzt bedeutet es einen Prestigegewinn, wenn ein Züchter sein medizinisches Marihuana zusammen mit einer Analyse von The Werc Shop anbieten kann.

Das Publikum des Prager Cannafests erlebte einen Dr. Raber, der das THC zunächst einmal entmystifizierte: Im Cannabis seien insgesamt 500 Bestandteile zu finden, darunter Cannabinoide, Terpene und Flavonoide, aber im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Ansicht enthielte es kein ∆9-THC. Warum? Weil THC nur bei Erhitzung auftrete. Deshalb könne jemand, der die Pflanze roh verzehrt, nicht mit psychoaktiven Erlebnissen rechnen. Aus diesem Grund werden in den Geschäften für medizinisches Marihuana auch nur Öle und mit Hanfbutter hergestellte Lebensmittel angeboten. Dort ist durch Backen oder Kochen die Umwandlung im Blütenstand schon vonstatten gegangen. Die Frage nach dem THC wird allerdings dann wichtig, wenn wir wissen wollen, wie die Samenhändler bestimmen, welchen THC-Gehalt die Züchter ihrer Sorten erzielen werden. Dr. Raber zufolge gibt es zwei spezifische Analysemethoden, um den THC-Gehalt festzustellen: die Gaschromatografie (GC) und die Flüssigkeitschromatografie (FC). The Werc Shop bevorzuge letztere Methode, weil sie bei Cannabinoiden und Verunreinigungen präzisere Ergebnisse erbringe, während die Gaschromatografie in der Regel höhere, also falsche Werte produziere. Dr. Raber zufolge ist beispielsweise ein THC-Wert über 23% ausgesprochen selten, daher sei eine Analyse, die einen höheren Wert errechne, sicherlich falsch. Wenn ein Züchter Blütenstände mit einem niedrigeren als im Katalog ausgewiesenen THC-Gehalt erntet, kann das leicht an der Zuchtmethode und den Umständen des Anbaus liegen. Viel unangenehmer wird es, wenn sich im Falle einer von der Polizei zur Analyse geschickten Probe ein – fälschlich erzielter – höherer Gehalt herausstellt und das beschlagnahmte Marihuana dann in einer höheren Kategorie eingestuft wird. Das Ausmaß der mit Cannabis begangenen Verstöße macht sich ohnehin nicht am reinen Gewicht, sondern am THC-Gehalt fest. In Anbetracht dessen wäre es interessant festzustellen, nach welchen Methoden der – im Übrigen nicht existierende – THC-Gehalt in den einzelnen Ländern gemessen wird.

Für Titanen und Terpene

Jedoch – und hier kommen wir zum zweiten Mythos – beeinflusst weder die THC-Menge noch die Tatsache, ob die fragliche Pflanze von Sativa- oder Indica-Genen dominiert wird, die Wirkung! Dr. Raber hält es für vorstellbar, dass vor dem großen Veredlungsfieber, das in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ausbrach, die Wirkungen der Sorten noch klar voneinander zu trennen waren. Aber in unserer von Hybriden geprägten Zeit ist nicht mehr nachweisbar, dass Sativa eher stimuliert und Indica eher entspannt. Doch dank chemischer Analysen müssen wir nicht mehr im Dunkeln tappen, denn sie entschlüsselten, welche Bestandteile die Wirkung des Cannabis am ehesten beeinflussen: Dies sind nicht so sehr die Cannabinoide, sondern vielmehr die Terpene. Die Wissenschaft hatte schon früher festgestellt, dass die Terpene für Gerüche und Aromen verantwortlich sind, die nicht nur im Cannabis, sondern auch in den essenziellen Ölen zahlreicher Pflanzen feststellbar sind. Neuere Untersuchungen untermauern, dass die Terpene im Harz nicht nur die Aromen, sondern auch die Wirkung des THC verändern. Wenn also ein Patient auf Anraten des Arztes eine Indica-dominierte Sorte wählt, die 15% THC und 1% CBD enthält, kann er noch immer nicht sicher sein, welche Wirkung sich beim Konsum einstellt. Die Einteilung anhand der Sortennamen ist jedoch noch hoffnungsloser, denn richtet man sich nach den Ergebnissen der Laboruntersuchungen, sind diese Bewertungen irreführend. Dr. Raber machte durch zahlreiche Dias klar, dass sich hinter den Benennungen OG Kush, Skywalker oder Trainwreck Sorten mit ganz unterschiedlichen Indica-Sativa-Sorten-Verhältnissen und Terpenprofilen verstecken. Was ist die Lösung? Dr. Raber befürwortet die Einführung eines neuen Systems, mit Hilfe dessen die Patienten nicht aufgrund wohlklingender Namen und THC:CBD-Verhältnisse, sondern nach den Terpenprofilen die passenden Sorten für ihre Symptome auswählen können. Das Ziel ist es also, den Apotheken, die medizinisches Marihuana verkaufen, ein möglichst vollständiges Bild über die von ihnen vertriebenen Sorten und Präparate zu verschaffen. Dabei sollte das Verhältnis Sativa-Indica, die Menge der Cannabinoide und der Terpengehalt sowie die verschiedenen Wirkungen der Terpene aufgelistet sein.

 

Unsichtbare Verunreinigungen

Nun können wir uns immer noch nicht beruhigt zurücklehnen, denn was hilft die detailliert dokumentierte Sortenbeschreibung, wenn die Heilpflanze Schadstoffe enthält? Eben darum ist eine der Haupttätigkeiten von The Werc Shop – neben der Feststellung von Terpen- und Cannabinoidzusammensetzung – das Filtern von mikrobiologischen Verunreinigungen. Nach ihren Erfahrungen sind Zusatzstoffe, die Wachstum und Blüte beeinflussen, oft in den Gewächsen nachweisbar, die dann überhaupt nicht mehr als medizinisch bezeichnet werden können. Eine weitere Frage ist, ob die Konsummethode einen Einfluss darauf hat, ob die Inhaltsstoffe in den Organismus gelangen. Im Labor wurden deshalb auch Tests durchgeführt, die analysieren, welche Konsummethoden welche Schadstoffe durchlassen. Unter ihnen schnitt die Glaspfeife am schlechtesten ab, da hier 70% der Schadstoffe in die Lunge des Konsumenten strömen, während die Wasserpfeife mit Filter den besten Schutz bietet. Ein Joint mit Aktivfilter schneidet viel besser ab als sein Kollege mit einem Pappröllchen.

Untersuchungen, die den Schadstoffgehalt von Sorten überprüften, die in kalifornischen Cannabisapotheken verkauft werden, ergaben ebenfalls schlechte Ergebnisse: In einem Viertel von ihnen kamen die Bakterien aus der Familie Enterobacteriaceae oder Pilze der Art Aspergillus vor. Etwa 10% von ihnen – in erster Linie die Konzentrate – enthielten Überreste von Pflanzenschutz- und Lösemitteln. Die Untersuchung von Cannabis für medizinische Zwecke ist gegenwärtig in Kalifornien nicht Pflicht, weshalb nur gesundheitsbewusste Züchter Proben abgeben. Dr. Raber verschwieg aber auch nicht, dass er im Allgemeinen nach der Analyse nichts mehr von den Besitzern der Proben hört. Daher ist es möglich, dass sie ihr Erzeugnis trotz schlechter Ergebnisse weiter verkaufen.

Am Ende seines Vortrags kam Dr. Raber zu dem Schluss, dass es einer wirksameren Regelung bedarf, da die momentan gültige Regelung keine genauen Kriterien darüber festlegt, welche Sorten den Status “medizinisch” haben dürfen. Seiner Meinung nach bietet die Legalisierung dafür die beste Grundlage, da die Definition für therapeutisches Marihuana immer schwammiger werde. Dr. Raber hält es nicht für angezeigt, dass jemand, der seine Schlafstörung statt mit einem starken Beruhigungsmittel mit einer “Gute-Nacht-Zigarette” behandeln will, nicht an Cannabis entsprechender Qualität kommen sollte. Die Selbstmedikation mit Marihuana sei für eine immer größere Gesellschaftsschicht typisch und verlange eine entsprechende Regelung. Nicht nur in Kalifornien, sondern überall auf der Welt.

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