Zwischen Verwöhntwerden und Niedergang

Rundgang durch die Cannabisklubs in Barcelona

Wer unsere Indienserie verfolgt hat, weiß, dass wir mit Vorliebe soziologische Untersuchungen zur Hanfkultur anstellen, das heißt, wir bemühen uns, auf unseren Reisen die örtlichen Konsumgewohnheiten und die Beschaffungspraxis zu erkunden. Das taten wir auch in Barcelona, wo wir während der Spannabis in den Abendstunden die Cannabisklubs besuchten und die aktuelle Lage des Straßenverkaufs erkundeten.

Dank der liberalen Gesetzgebung in Spanien sind die Konsumenten nicht gezwungen, sich zu verstecken. Bis zu zwei Pflanzen kann man unbehelligt ziehen. Die Buchstaben des Gesetzes – oder dessen entsprechende Auslegung – ermöglichen sogar den Betrieb von Cannabis Social Clubs (CSC). In diesen Clubs bezahlen die Mitglieder nicht das Ganja und Haschisch, das sie dort erhalten, sondern die Arbeit der Züchter. Monatlich bekommen sie so viel, wie sie bei Vertragsabschluss als persönlichen Monatsverbrauch angegeben haben. Das zunächst verquer wirkende System lässt sich leicht anhand eines Beispiels verstehen: Jack Pot, Einwohner der Stadt Barcelona, entschließt sich eines Tages, von nun an nicht mehr zweifelhaftes Gras von der Straße zu kaufen. Er möchte unter den Sorten, die er bevorzugt, wählen. Da er die Zucht noch nie ausprobiert hat und er sich für die häusliche Selbstversorgung nicht begeistern kann, möchte er den Anbau einem Profi überlassen. Er möchte die Gesetze einhalten und hat genug davon, dass, während das Land seit Jahren in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, er das Geld nicht dem Staat, sondern kleinen Dealern zukommen lässt, denn er hält sich nicht für einen Kriminellen. Er beschließt daher, dem Vorbild eines Freundes zu folgen und sich zur Mitgliederaufnahme in einen Cannabis Club zu begeben. Der Freund freut sich über den Entschluss und empfiehlt ihn dem Club seiner Wahl, sodass nur noch ein Vertrag zu schließen ist, in dem er die Regeln des Clubs akzeptiert, den jährlichen Mitgliedsbeitrag von etwa 20 Euro zu bezahlen und anzugeben hat, dass er im Monat durchschnittlich 20 Gramm Gras konsumiert. Nunmehr kann er in dem Club jeden Monat 20 Gramm bekommen, je nach Sorte zu unterschiedlichen Preisen. Dieses Geld kassieren nicht die Dealer, sondern die Züchter und Betreiber des Clubs, die es dann mit dem Staat abrechnen.

Wenn das System funktioniert

Bei der letztjährigen Spannabis wurde uns die Mitgliedschaft im Resin Club angeboten, dessen Exklusivität beweist, dass dort Züchter wie Jorge Cervantes oder Shantibaba, den wir schon in Zusammenhang mit CBD-reichen Sorten interviewt haben, anzutreffen sind. Ja, die Crème de la Crème der internationalen Hanfaktivisten ist dort in großer Zahl vertreten. Lang und breit könnten wir die stimmungsvolle Gestaltung und Bequemlichkeit der Räumlichkeiten beschreiben. Am wichtigsten ist aber, dass wir nach den angenehmen Erlebnissen im letzten Jahr, als es uns gelang, einen Einblick in das Coffeeshop-System zu gewinnen, es auch bei unserem diesjährigen Besuch auf der Spannabis außer Frage stand, dass wir den Club aufs Neue beehren. Auch diesmal werden wir herzlich begrüßt und obwohl der Club gerade eine geschlossene Gesellschaft hat, lädt man uns als Journalisten ein. Die Veranstaltung steht unter der Leitung der Haschischkönigin Mila Jansen, die uns in die Details des Tests einweiht. Die vorangemeldeten Mitglieder des Clubs können etwa zwanzig unterschiedliche Haschischsorten probieren und diese hinsichtlich ihrer Substanz, ihres Aromas, Geschmacks und ihrer Wirkung bewerten. Die Punktvergabe erinnert an die Blindtests bei Weinproben, wo die Testpersonen statt der Sortenbezeichnung nur eine Nummer bekommen, zu der sie ihre Wertung abgeben. Die Sorten mit der höchsten Punktzahl erhalten anschließend Preise. Obwohl Milas Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft keine Grenzen kennt, warten wir die Verkündung des Ergebnisses nicht ab. Die dunkle Seite Barcelonas wartet auf uns.

 

Wenn das System nicht funktioniert

Ihr könntet einwenden, dass ein vernünftiger Kiffer als Mitglied eines Clubs, der schon Patina angesetzt hat und dessen Ausnahmestimmung er schon mehrfach erfahren hat, kaum nachts auf die Straße läuft, um sich auf die Suche nach Gras zu begeben. Aber Journalisten sind schon eine komische Spezies. Also befinden wir uns nach einem freundlichen Abschied bald auf der belebtesten Straße Barcelonas, der Rambla, wo wir testen, was man mit einem Spruch aus den Neunzigern erreichen kann: “Sorry, weißt du nicht, wo´s was zu rauchen gibt?” Nach unserer Hypothese sind die Katalanen kaum noch darauf angewiesen, sich bei Straßendealern zu versorgen. Für Touristen aber lohnt es sich nicht, wegen ein bis zwei Gramm Klubmitglied zu werden. Für sie also dürfte es noch immer günstiger sein, sich etwas auf der Straße zu besorgen. Und wo eine Nachfrage ist, muss es auch ein Angebot geben. Ob aber dieses Angebot im Touristenzentrum Nummer 1 auf uns wartet, dessen sind wir uns nicht sicher, machen aber die Probe aufs Exempel. Zuerst fragen wir die Verkäufer von leuchtenden Dingern, die man in die Luft schießen kann, ob sie nicht den Weg zu etwas Ganja kennen würden. Anstelle einer Wegbeschreibung aber sind verstörte Gesichter und Gestammel die Antwort. Damit ist klar, dass dies nicht die Leute sind, an die Touristen sich wenden können. Dann kommen Flugblattverteiler, die auf unsere Frage nur ratlose Gesten mit den Händen vollführen. Schließlich versuchen wir es bei einem Typen, der dort auf und ab flaniert. In ihm finden wir endlich unseren Mann. “Gras wollt ihr? Kommt mit, ich bringe euch an einen Ort, ein paar Straßen weiter, wo ihr legal Ganja aussuchen könnt.” “Es ist doch nicht etwa ein Ganja Club”, erkundigen wir uns sofort. “Klar doch”, lächelt er. Als wir einwenden, dass man unseres Wissens nach eine Mitgliedschaft nur auf Empfehlung und gegen eine Jahresmitgliedschaft bekommen kann, bestätigt er das nachdrücklich und sagt, dass er uns empfehlen wird. So ist das also mit den Dealern in Barcelona! Der Club mit dem ebenso einfachen wie ergreifenden Namen “420” liegt nahe am innerstädtischen Rummel und vor seinen Türen drängen sich irre Touristen. Dem Jungen, der uns eine Referenz geben will, stellt man die Frage, warum er sich für einen hiesigen Angestellten ausgäbe, wenn er doch gar keinen Vertrag hätte. Dem Streitgespräch entnehmen wir, dass die Kerle wie die Platzanweiser für jeden erfolgreichen Fang einen Anteil bekommen, was nicht wirklich mit der Grundphilosophie der Cannabis Clubs, wie wir sie bisher kannten, im Einklang steht. Hier Mitglied zu werden, ist schon ein schlechtes Gefühl, aber nach dem Eintritt wird alles noch schlimmer. Es scheint, als komme man in ein besetztes Haus, das kurz vor dem Abbruch steht. Alles ist minimalistisch und fantasielos gestaltet, zugespitzt auf einen Punkt, den Tresen, wo die Besucher von der Straße zu unverschämten Preisen einkaufen können und danach mangels einladender Atmosphäre meistens schnell verschwinden. Die Mitgliedschaft in diesen Clubs kostet auch 20 Euro pro Jahr, aber ein Gramm Haschisch 20–25 Euro, was ungefähr das Dreifache des Durschnittspreises in Amsterdam ist.

Es gibt also einen gewaltigen Unterschied zwischen CSC und CSC, und das wahrscheinlich nicht nur in Barcelona. Während man im ersten Fall wirklich davon überzeugt ist, dass eine dem Hanf verbundene Gemeinschaft mit einer Vorstellung von einem wie geölt funktionierenden Grasgeschäft ein positives Beispiel geben will, steht auf der anderen Seite die Karikatur von alledem. Die Clubs für Touristen sind schon auf den ersten Blick nichts anderes als ein quasilegaler Dealerersatz mit Betreibern und Zutreibern, die das gut durchdachte und ausgearbeitete Modell des CSC-Systems diskreditieren. Wenn solche Orte die Vorherrschaft bekommen, darf man sich nicht wundern, wenn das CSC-Modell schon bald Schiffbruch erleidet. Wir vertrauen trotzdem darauf, dass die Betroffenen und Interessierten mit uns zusammen alles unternehmen werden, damit der Cannabis Social Club in Zukunft bleibt, was er ist: ein enger oder breiter Kreis von Hanffreunden, die für den Eigenbedarf anbauen.

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