Zugekifftes Faultier

In der aufgeklärten Hälfte der Welt dienen der Drogenprävention nicht mehr uniformierte PolizistInnen oder heruntergekommene Junkies, sondern auf das Interesse der Kinder abgestimmte Gespräche zum Thema Gesundheitsbewusstsein und gelegentlich geistreiche und zum Nachdenken anregende Werbespots. In letztere Kategorie fällt der australische „Stoner Sloth“, das zugekiffte Faultier. Entgegen der ursprünglichen Absicht, zum Nachdenken anzuregen, zauberte es den ZuschauerInnen allerdings Freudentränen in die Augen. Unser Faultier in Menschengestalt reagiert mit undeutlichen Lauten anstelle von Antworten auf die Anschuldigungen, die gegen es erhoben werden. Fahrig breitet es die Arme aus (an den Händen hat es lange Krallen), oder es legt seinen Kopf schamhaft auf den Tisch, während man im Hintergrund erbärmliche Gitarrentöne hört. Im ersten Teil der drei Kurzfilme verkörpert das überdimensionierte Faultier eine Schülerin, die bei einem Test ein leeres Blatt abgibt, auf den fragenden Blick ihrer Lehrerin zu heulen anfängt und sich hinter ihren Schaufelhänden versteckt. Aus der hinteren Reihe giftet eine Mitschülerin mit scharfen Augen und Bedauern im Gesicht: „Zugekifftes Faultier!“ Im zweiten Spot sehen wir unser Faultier beim Essen mit der Familie, und als die Mutter es um das Salz bittet, reicht es ihr nach einigem Grübeln die Salatschüssel. Die Schwester enthüllt gnadenlos das Geheimnis: „Zugekifftes Faultier!“ In der dritten Szene ist eine Party im Gange, es wird getrunken, die Jugendlichen lachen gemeinsam über eine Story, die sie gehört haben, bis es still wird und man dem Faultier eine Frage stellt. Statt einer Antwort bekommen wir das bekannte Gebrummel und hilflose Gesten. Die Mädchen verduften sofort und der Freund des Hu-manfaultiers verkündet mit einem Gesichtsausdruck, als sei er in eine Wolke von Fürzen geraten: „Zugekifftes Faultier!“

Die Szenen sind insgesamt 1,5 Minuten lang und entwickeln hypnotische Kraft, wenn man sie ohne Vorkenntnisse am Stück anschaut – man ist erstaunt und sucht die Antwort auf das Gesehene, während man versucht, den Lachkrampf zu unterdrücken, den die bizarren Videos auslösen. Dabei stellt sich die Frage, warum man für so etwas Geld ausgibt und was man sich davon verspricht. Über fehlende Popularität des bekifften Faultiers kann man allerdings nicht klagen. Eine Woche nachdem die Videos auf YouTube zu sehen waren, hatten schon 2,5 Millionen sie gesehen und aus allen Teilen der Welt kommentiert. Über die Einzigartigkeit, den cleveren Ansatz und die zu erwartenden Ergebnisse findet man jedoch darin absolut nichts. Am weitesten ging wohl die Huffington Post, als sie schrieb: „Das ist die schlechteste Antidrogenkampagne, die wir jemals gesehen haben, oder die beste.“ Tatsächlich fanden wir auch Reaktionen wie jene, dass jemand sich in dem bedauernswerten Faultier wiederfand (auch wenn das nicht beim Abgewöhnen half). Daher stellt sich die Frage, ob wir es hier mit einer Scheinkampagne zu tun haben. Die staatliche Medienorganisation von New South Wales betätigt sich ja auch auf dem Gebiet der Satire, aber diese Aktion meinten sie nach ihren Aussagen todernst. Das Ziel der Kampagne „Zugekifftes Faultier“ sei es gewesen, bei den Jugendlichen eine positive Haltung zu fördern, bevor die schlechten Gewohnheiten sich einschleifen würden. Außerdem wolle man dazu bewegen, das Kiffen aufzugeben, bevor es zu einer Abhängigkeit komme, erklärte der Medienbeauftragte des Kabinetts. „Ziel der Kampagne ist es, Aufmerksamkeit zu wecken, ihre Verbreitung unter den Jugendlichen, die am ehesten vom Cannabiskonsum gefährdet sind. Wir wissen, dass die Gemeinschaft der Jugendlichen am ehesten auf Kampagnen reagiert, deren Handlung die Folgen kurzfristiger Handlungen hervorheben.“ Komisch, dass es als positives Verhalten bezeichnet wird, wenn der zugekiffte Kumpel mit Abscheu reagiert wird. Vielleicht wurde noch nicht oft genug gesagt, dass die Hauptgründe für problematischen Drogengebrauch das Gefühl der Isolation, der Mangel an Hilfe und die Stigmatisierung sind.

Viele sind nicht begeistert davon, dass Kiffer hier mit einem hilflosen, langsamen Faultier gleichgesetzt werden, das vom Lehrer, der Familie und den saufenden Kumpels auch noch einen Tritt bekommt. Das aus-tralische National Cannabis Prevention and Information Centre (NCPIC) hat sich schon einige Tage nach der Veröffentlichung des Videos davon distanziert. Das ist besonders deshalb problematisch, weil die Videos vom „Zugekifften Faultier“ mit der NCPIC-Seite verlinkt sind, wo weitere Informationen bereitgestellt werden. Das NCPIC schrieb in einer Mitteilung, dass die Teenager intelligent seien und Zugang zu vielen Informationen hätten – darüber müsse sich auch die Kampagne im Klaren sein; Übertreibungen müsse man vermeiden. Außerdem seien sie an der Entwicklung der Kampagne nicht beteiligt gewesen und dem „Zugekifften Faultier“ erst bei Veröffentlichung begegnet. Die Organisation stellt fest, dass die Kampagne nicht mit der Sicht des NCPIC übereinstimme, wie man mit Cannabisproblemen umzugehen habe, wünschte aber den verantwortlichen Regierungsorganen weiterhin viel Erfolg.

Unangenehm. Und wer profitiert von dem Video? Natürlich die Internetvolkskünstler und die Mem-Fabrikanten. Das Internet überschwemmen wohl bald humoristische und nachdenkenswerte Bearbeitungen. Eine unserer liebsten deutet den Konflikt in der Familie um. Aus den Kommentaren des Erzählers wird klar, dass das Dilemma des Jungen darin liegt, dass er sich um die Gesundheit seiner Mutter sorgt, die zu viel Salz isst. Daher gibt er ihr lieber Salat statt Salz, weil dieser besser für ihren Organismus ist. Nach einer anderen Bearbeitung ist nicht alles ein Joint, was glänzt. Der Kommentar erklärt, die Schülerin vor dem leeren Blatt sei nicht zu bedröhnt, sondern ringe mit einer Depression; die Worte, mit denen sie verurteilt wird, helfen ihr keineswegs.

Eine Woche nach dem Start ist noch nicht klar, welche Erfolge die Kampagne mit dem „Zugekifften Faultier“ noch feiern wird. Klar ist, dass sie wohl kaum als perfekte Waffe zur Umkehrung des Trends zum Kiffen in die Geschichte der Prävention eingehen wird.

 

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