Wissenschaftliche Freiheit

Legalisierung bringt Forschung in Schwung

Die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke gab der Forschung keinen so großen Anstoß, wie es die vollkommene Legalisierung tun würde. Während die Wissenschaft diesbezüglich eine Renaissance erlebt, bleibt nun nur noch die Aufgabe, die legale Cannabisregulierung zu einer ideologiefreien Angelegenheit zu machen.

 

Das jahrzehntelange Verbot von Cannabis stärkte nicht nur den Schwarzmarkt und verursachte die Überbelegung der Gefängnisse, sondern es machte auch Forschungen zum medizinischen Potenzial der Pflanze unmöglich. ForscherInnen waren nämlich mit dem Paradoxon konfrontiert, dass sie keine positiven Wirkungen untersuchen konnten, die nach den Gesetzen nicht existierten. Die wenigen erlaubten Untersuchungen wurden an Tieren gemacht und fokussierten auf die toxischen Wirkungen der Pflanze, mit teilweise fragwürdigen Methoden.

 

Wissenschaft in Rauch aufgegangen

Mit dem Namen Dr. Robert Heath, der 1974 die Wissenschaft auf dem Altar der Ideologie opferte, um die Gefahren des Kiffens zu beweisen, verbindet sich ein denkwürdiger Fall. Er untersuchte die Wirkung von Cannabis und betrieb damit verdeckte Tierquälerei. Sechs gefesselte Rhesusaffen mussten Gasmasken tragend Marihuanarauch einatmen. Die unglücklichen Tiere hatten keine Chance, Luft zu schnappen, und konnten minutenlang nur Rauch einatmen. Sie litten unter Sauerstoffmangel und bekamen eine Kohlenmonoxidvergiftung. Daraufhin tönte Präsident Reagan in ganz Amerika von einem unumstößlichen Beweis für die schädlichen Wirkungen des Cannabis, die unweigerlich durch das Einatmen des Rauchs einträten. Erst Jahrzehnte später wurden die Umstände der Untersuchung aufgeklärt. Nach der ersten Zulassung der medizinischen Anwendung von Cannabis begann sich das Bild zu klären, doch obwohl heute schon mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten diese legalisiert hat, verzeichnet das Bundesgesetz Cannabis und seine Wirkstoffe noch immer auf der „List 1“ der gefährlichen und medizinisch wertlosen Stoffe. Wegen der strengen Verurteilung durch den Bund sind ForscherInnen noch immer ernsten bürokratischen Behinderungen ausgesetzt, wenn sie die positiven Wirkungen des Cannabis untersuchen wollen. Nach der Einreichung zahlreicher Anträge bewilligt man ihnen nur staatliches Cannabis minderer Qualität und selten die für die medizinischen AnwenderInnen verfügbaren Sorten.

Jahre des Aufschwungs

Trotz der ärgerlichen Hindernisse stieg die Zahl der Studien zur medizinischen Wirkung von Cannabis in den letzten Jahren deutlich an. Eine israelische Forschungsgruppe untersuchte mithilfe einer Onlinedatenbank, wie sich die Zahl der Publikationen zwischen 2000 und 2017 entwickelt hat. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sie sich stärker erhöht hat als die der wissenschaftlichen Publikationen im Allgemeinen. Während die Zahl der wissenschaftlichen Untersuchungen auf das 2,5-Fache angewuchs, erreichte die Cannabisforschung im gleichen Zeitraum das 4,5-Fache. Vergleicht man die Zahlen aber mit den 2000er Jahren, verzeichnet man insgesamt ein Wachstum auf das Neunfache. Während im Jahr 2000 insgesamt 82 Cannabisstudien veröffentlicht wurden, waren es 2017 schon 742. Den ForscherInnen zufolge trat die wirklich große Steigerung 2013 ein, zur Zeit der ersten Legalisierung also. Die Zahl der Untersuchungen zur Wirksamkeit bei neurologischen Symptomen – beispielsweise Epilepsie – steigt am beständigsten. Dann folgen die onkologischen und psychia-trischen Forschungen. Zwei Drittel der Untersuchungen werden in den USA durchgeführt, an zweiter Stelle steht Kanada mit 7,5 Prozent der Forschungen. Das verdeutlicht nach Ansicht der VerfasserInnen der Studie, dass die Legalisierung sehr viel mehr für die Forschung erreicht hat als die medizinische Zulassung: „Die Zahl der Publikationen zu Cannabis war bis in jüngste Zeit kaum gewachsen, was in einem offenkundigen Zusammenhang mit dem UN-Abkommen steht, welches den Freizeitgebrauch von Cannabis verbietet, und das von den meisten entwickelten Ländern unterstützt wird. […] Man muss anmerken, dass das deutliche Ansteigen der Publikationen über Medizinalhanf seit 2013 eine Parallele zur Freigabe des Cannabis zum Freitzeitkonsum aufzeigt, die 2012 in Washington und Colorado, 2014 in Alaska und Oregon ihren Anfang nahm und der sich zahlreiche Länder auf der Welt anschlossen.“ Die ForscherInnen sind überzeugt, dass die vermehrten Publikationen neue Perspektiven in der Therapie eröffnen und auch die politischen Entscheidungen beeinflussen werden.

Von Ideologie durchtränkt

Die wohltuende Wirkung der Legalisierung auf die Forschung ist jedoch vergebens, wenn Menschen auf dem Cannabisverbot beharren. In den USA wird die Akzeptanz der Legalisierung jedes Jahr geprüft – im letzten Jahrzehnt nahm sie ständig zu und 2013 übertraf die Zahl der BefürworterInnen schon die der GegnerInnen. Warum ist das so? Nach Meinung eines brasilianischen Forschers ist zu vermuten, dass die Idee eines legalen Marktes für Cannabis vonseiten der BefürworterInnen nicht mehr nur von einer politischen Seite kommt, sondern sich auch mehr republikanische KandidatInnen und Abgeordnete es sich an die Fahne heften. Der Gedanke wurde damit auch Menschen sympathisch, die sich als Konservative verstehen, das Ansteigen der Unterstützerzahlen war also voraussehbar.

Guilherme de Alencar Ramos wollte anhand zweier Studien herausfinden, wie politische Ideologien sich auf die Einstellung zur Legalisierung auswirken. An der ersten Studie nahmen 304 Personen in Rio de Janeiro teil. Ramos wollte wissen, ob die Befürwortung einer Legalisierung zwangsläufig mit einer liberalen Ideologie zusammenhängt. Den Befragten wurden vier Politiker präsentiert (um Vorurteile auszufiltern, war einer von ihnen nicht echt) und sie sollten sagen, welchen sie mit der Legalisierung in Verbindung bringen würden. Im Ergebnis wurde die Hypothese untermauert, dass Menschen die Legalisierung tendenziell als liberale Angelegenheit auffassen. Die zweite Studie ging mehr in die Tiefe. Hier wurde untersucht, wie sich die Einstellung zur Legalisierung verändert, je nachdem, ob sie von einem liberalen oder einem konservativen Politiker propagiert wird. In diesem Experiment wurden 226 Personen zwei unterschiedliche Geschichten skizziert. In der ersten reichte ein liberaler, in der zweiten ein konservativer Politiker eine Gesetzesvorlage zur Legalisierung ein. Dann fragte man die TeilnehmerInnen, in welchem Maße sie die Pläne unterstützten. Die Analyse erbrachte, dass die Menschen unabhängig von ihrer eigenen Parteizugehörigkeit die Angelegenheit eher unterstützten, wenn sie mit einem konservativen Politiker in Verbindung stand. Kam die Vorlage von einem liberalen Politiker, verpuffte die Zustimmung vonseiten der Konservativen sofort.

Fazit: Bei der Legalisierung zur Therapie oder zur Freizeitgestaltung können wir kaum parteiunabhängige Unterstützung erwarten. Wenn sich jedoch die Konservativen des Themas annehmen – siehe das Beispiel USA – erreicht sie unvorstellbare Werte. In dem Maße, wie die positiven Wirkungen der Legalisierungen für Therapie oder Freizeit öffentlich werden, wird die Unterstützung durch die Bevölkerung weltweit wachsen. Und wenn sich bei uns Politiker der Rechten in ihren Wahlkämpfen mit der Legalisierung befassen, können wir daher sicher sein, dass die Tage des Verbots gezählt sind.

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