WHO: neue Bewertung von Cannabis nach 60 Jahren

Freie Bahn für die medizinische Anwendung

Im Juni 2017 begann die Expertenkommission der Weltgesundheits-organisation (WHO) für Drogenabhängigkeit (Expert Committee on Drug Dependence, ECDD) mit der Neubewertung der Klassifizierung von Cannabis und seiner Derivate. Das Ergebnis hätte nicht positiver ausfallen können. Es wird vorgeschlagen, die meisten Formen des Cannabis und seiner Wirkstoffe in die Tabelle I der regulierten Stoffe aufzunehmen, womit weltweit der medizinische Gebrauch ermöglicht wäre.

 

Es gibt keinen deutlicheren Beweis dafür, dass die gegenwärtige Einstufung nicht auf der Höhe der Zeit ist, als die Tatsache, dass zwei Drittel der US-amerikanischen Bundesstaaten, mehr als zehn europäische Staaten und weitere Staaten von Lateinamerika bis Ozeanien entgegen der bisher gültigen Vereinbarung Mittel und Wege gefunden haben, Cannabis für medizinische Zwecke zugänglich zu machen. Dieser Prozess hat sich in den letzten zehn Jahren beschleunigt und die Zahl der Länder, die medizinisches Cannabis zulassen, steigt von Jahr zu Jahr. Die vorgeschlagene Modifizierung der UN-Drogenvereinbarung erleichtert es jedem Staat, medizinisches Cannabis in seine Gesundheitsvorsorge zu integrieren, zudem wird die wissenschaftliche Forschung erleichtert.

 

Für medizinische Zwecke verwendbar

Auf Tabelle IV der Vereinbarung, in der am strengsten regulierten Gruppe, stehen offiziell Stoffe und Pflanzen, die nicht medizinisch verwendbar sind: unter anderem Heroin und andere Opiumderivate, aber vollkommen unverständlicherweise auch Cannabis und Cannabisharz. Aber diese absurde Einstufung wird nicht mehr lange aufrechterhalten!

Die ECDD schlägt im Detail vor:

  • Cannabis und Cannabisharz, THC und seine Isomere auf die Tabelle I der UN-Drogenvereinbarung von 1961 zu setzen und den medizinischen Gebrauch zu legalisieren;
  • aus Cannabis hergestellte Extrakte und Tinkturen von der Tabelle I zu streichen, damit der Vertrieb und Gebrauch nicht unter die UN-Drogenvereinbarung fällt;
  • alle Formen des THC aus der Vereinbarung von 1971 zu streichen, dies vereinfacht die Cannabislegalisierung beträchtlich;
  • Untersuchungen belegen, dass die Aufnahme von CBD (Cannabidiol) in keine der Tabellen notwendig ist, die Anwendung ist risikofrei;
  • Präparate, die in erster Linie CBD und weniger als 0,2 Prozent THC enthalten (aus Hanf hergestellte CBD-Öle), müssen in keine Tabelle aufgenommen werden.

Die ECDD fasste die Untersuchungsergebnisse folgendermaßen zusammen:

„Die dem Komitee vorgelegten Belege lassen keinen Schluss darauf zu, dass Cannabis und Cannabisharz eine ähnlich schädliche Wirkung wie die anderen in Tab. I des Abkommens von 1961 aufgeführten Stoffe haben. Außerdem weisen Cannabispräparate therapeutisches Potenzial bei Schmerzen und anderen medizinischen Indikationen auf, beispielsweise in der Behandlung von Epilepsie und Angstbeklemmungen in Verbindung mit Multipler Sklerose. Bei der Bewertung von Cannabis und Cannabisharz ist zu berücksichtigen, dass die durch den Cannabisgebrauch verursachten Schäden zu begrenzen, gleichzeitig aber die Anwendungsmöglichkeiten für medizinische Zwecke sowie Forschung und Entwicklung gewährleistet sind.”

Vorteile weltweit

Die Veröffentlichung der Vorschläge bedeutet noch nicht mit Sicherheit ihre Verabschiedung. Dazu ist die Abstimmung der UN-Mitgliedstaaten notwendig. Zur Annahme genügt die einfache Mehrheit. Da die WHO ihre Vorschläge mit zweimonatiger Verspätung publiziert hat, ist der Zeitpunkt der Abstimmung ungewiss, bestenfalls wird dies auf der Sitzung des Drogenkomitees der UN (CND) im Jahre 2020 geschehen. Die Fachleute erwarten, dass der Vorschlag angenommen wird. „Diese Vorschläge waren unumgänglich und sie werden weltweit einen Beitrag zur allgemeinen Gesundheit leisten, wenn das Drogenkomitee der UN sie gutheißt. Wir rechnen nicht damit, dass gegen die Vorschläge des CND votiert wird, denn sie wurden von Fachleuten unter streng wissenschaftlichen Aspekten erstellt“, sagte Dr. Pavel Pachta, früherer stellvertretender Direktor der internationalen Drogenkontrollkommission (IBCB). Ein weiterer wichtiger Fortschritt durch die Veränderung der UN-Vereinbarung ist die Erleichterung der wissenschaftlichen Forschung. Stoffe auf der Tabelle I sind nicht nur für medizinische Zwecke verwendbar, mit ihnen kann auch ohne schwierige Genehmigungsverfahren Forschung betrieben werden. Vereinfachte Genehmigungsverfahren werden weltweit Untersuchungen voranbringen und dementsprechend steht zu erwarten, dass man auf genau bestimmte Cannabinoidprofile von guter Qualität zugreifen kann. Gegenwärtig werden die meisten Untersuchungen zu den Heilwirkungen des Cannabis in den Vereinigten Staaten und Kanada betrieben, die Neubewertung aber wird zu einem Aufschwung auch an anderen Orten der Welt führen, sodass wir unser Wissen über weitere medizinische Eigenschaften des Cannabis und seiner Wirkstoffe in Zukunft sicher erweitern werden können.

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