Weed like to talk

Legales Gras überall in Europa!

”Eine Million Unterschriften, und Cannabis wird in ganz Europa legalisiert” – diese Nachricht verbreitete sich von einer Bürgerinitiative ausgehend wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken. Obwohl die Initiative wohl kaum zu einer liberaleren
drogenpolitischen Leitlinie als der gegenwärtig üblichen europäischen Praxis führen wird, wäre es schon ein großes Ereignis, wenn die Europäische Kommission die Frage auf die Tagesordnung setzen würde.

Es begann damit, dass ein paar französische Studenten der Politikwissenschaft die Institution der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) auf die Probe stellen wollten. Sie ermöglicht, dass eine Million EU-Bürger Änderungen für Gesetze einreichen können, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Als angehende Politologen wissen sie wohl auch, dass die Europäische Kommission keine Direktiven zur Legalisierung ausgeben kann, die für alle Staaten der Union gültig wären. Die Studenten waren waren selbst wohl am meisten erstaunt, dass das EBI die Initiative akzeptierte, die sich zum Ziel gesetzt hat, auf der Ebene der Union eine einheitliche Regelung für das Cannabis und die Abschaffung seines Verbots zu erreichen.

Um was geht es bei der Initiative?

”Momentan gibt es keine einheitliche europäische Leitlinie für die Cannabispolitik. Daher ist es nötig, die Frage der Kohärenz und der Diskriminierung aufzuwerfen. Eine einheitliche Kontrolle und Regulierung des Anbaus, des Konsums und Vertriebs von Cannabis würde: (a) die Gleichheit vor dem Gesetz und das Verbot der Ungleichbehandlung aller EU-Bürger garantieren, (b) die Verbraucher schützen sowie das Monitoring der Gesundheitsrisiken sicherstellen und (c) dem Cannabisschmuggel ein Ende bereiten. Machen wir einen Schritt zur Legalisierung von Cannabis und zur Harmonisierung der nationalen Gesetze in der ganzen EU.”

Vom Erfolg beflügelt, legten die unternehmungsfreudigen Studenten fest, wie viele Unterschriften jedes einzelne Land sammeln muss, damit die eine Million zusammenkommt. Wenn auch knarrend, setzte sich die Maschinerie zur Unterschriftensammlung in Gang. Keine Frage, dass es eine Million EU-Bürger gibt, die mit der Legalisierung einverstanden sind, oder wenigstens mit der Diskussion im breiten Kreis, denn mehr als zehn Millionen Europäer konsumieren, gelegentlich oder regelmäßig, Marihuana zur Entspannung. Trotzdem schrecken die meisten davor zurück, ihren Namen und ihre Ausweisnummer anzugeben, wenn auch nur online. Denn dass die Daten nicht an das EBI übermittelt werden, glaubt man in den Zeiten der NSA-Skandale nur schwer. Man sollte deshalb vielleicht mal über die Frage nachdenken, was wohl mit einer Million EU-Bürgern geschehen würde, wenn sie sich zu der Notwendigkeit einer Diskussion über die Legalisierung bekennen würden. Auch im schlimmsten Fall käme die Frage auch so auf die Tagsordnung! Péter Sárosi, der Verantwortliche für die Drogenpolitik der Menschenrechtsorganisation Hungarian Civil Liberties Union, wendet sich mit folgenden aufmunternden Worten an die Leser unserer Zeitschrift: “Über diese Initiative lässt sich viel Gutes sagen. Erstens ist es ein Graswurzelphänomen, also eine von unten kommende Initiative, Studenten, hinter denen keine industrielle oder politische Lobby steht, haben sie entwickelt. Zweitens bietet sie die vernünftige und gerechte Lösung eines Problems, das die EU nicht mit der nötigen Effizienz handhaben kann, was wiederum dazu führt, dass die Mitgliedsstaaten eine Menge Geld zum Fenster hinauswerfen und sich unterdessen nur die Verbrechersyndikate bereichern. Drittens ist es eine außerordentlich aktuelle Initiative, weil nämlich gerade in Amerika das Grasverbot abgeschafft wird. Uruguay, Washington und Colorado sind vor Europa in Führung gegangen. 2016 aber wird die Vollversammlung der UNO über das internationale Drogenkontrollprogramm beraten. Wenn die Kampagne Erfolg hat, ist das hinsichtlich des gesamten Grasverbots von Bedeutung.”

Georg Wurth, der Obmann des in Berlin ansässigen Deutschen Hanf Verbands (DHV) hat zur Initiative folgende Meinung: “Wir beschäftigen uns natürlich schon lange mit der Frage, ob es Sinn macht, die Cannabislegalisierung als europäische Bürgerinitiative einzubringen. Doch dieses Instrument der Bürgerbeteiligung ist noch relativ neu und ich hätte eher noch etwas abgewartet, wie weit andere mit ihren Versuchen kommen, die Million Unterschriften zu knacken. Immerhin gibt es gesellschaftliche Gruppen, die stärker vernetzt sind und vor allem viel stärkere Organisationsstrukturen haben als wir, etwa Gewerkschaften.

Andererseits kann es sicher nicht schaden, diese Initiative zu unterschreiben. Ich habe es getan und der DHV macht regelmäßig auf “Weed like to talk” aufmerksam. Überhaupt finde ich, dass die Leute so viele Initiativen unterschreiben sollten wie möglich. Und die Dinge gehen schnell voran zurzeit. Immer mehr Leute erheben ihre Stimmen. Wer weiß, vielleicht ist es in Deutschland mittlerweile möglich, die nötige Stimmenzahl von knapp 75.000 zu erreichen.

Bei einer demnächst startenden Petition zu Cannabis als Medizin wollen wir in Deutschland die nötige Stimmenzahl von 50.000 schaffen, um wenigstens eine Anhörung zu erzwingen und ein weiteres starkes Zeichen zu setzen.

Ob Europa “Weed like to talk” schaffen wird? Ich weiß es nicht. Polen und Bulgarien zeigen mit bisher 83 und 56% der nötigen Stimmen, dass es möglich ist. Auch Schweden hat schon über 40% beisammen. Deutschland ist dagegen mit ca. 9,4% nicht berauschend, aber immerhin etwas über dem europäischen Durchschnitt von knapp 7,7%.

Dass Staaten mit eigentlich relativ starker Cannabisszene wie die Niederlande oder Italien noch bei 1,3 und 2,1 liegen, zeigt, dass die Initiative von Anfang an besser hätte koordiniert werden müssen.

Aber wer weiß, es sind noch einige Monate Zeit und wenn die ersten Länder ihr Ziel erreicht haben, kommt vielleicht noch richtig Schwung in die Sache. Jedenfalls wäre es ein weiteres starkes Zeichen, wenn die Million zusammenkäme. Ich meine, dass in den Chefetagen und Fachkreisen der EU schon jetzt viel mehr über das Thema diskutiert wird, als man nach außen hin mitbekommt. Die EU-Kommission hätte es jedenfalls schwer, einfach so weiterzumachen wie bisher.”

Die Zählerstände steigen Mitte des Frühjahrs nur langsam, im April hat die Zahl der Unterschriften noch keine 100.000 erreicht. Zurzeit. Als dieser Artikel geschrieben wurde, konnte Polen das beste Ergebnis von über 80% vorweisen, Österreich, Deutschland, Tschechien, Holland und die Mittelmeerländer schleppen sich unverständlicherweise bei 10% herum. Noch ist nichts verloren, denn es genügt, wenn die nötigen Unterschriften bis zum 20. November zusammenkommen. Es müssten aber möglichst viele einsehen, dass es von ihrer Entscheidung abhängt, ob die Europäische Kommission die Frage der Cannabislegalisierung erörtert. Wer der Meinung ist, dass eine Unterschrift wirklich kein zu großer Preis für eine Einflussnahme auf die Geschichte ist, der kann sich unter dem folgenden Link der Initiative anschließen:

https://ec.europa.eu/citizens-initiative/REQ-ECI-2013-000023/public/signup.do

 

 

 

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