Warum die Legalisierung von Cannabis überfällig ist

Ein Kommentar zu den Folgen der Cannabisprohibition in Deutschland

Viele haben sicher schon davon gehört, dass ich einen „Unfall“ mit synthetischenCannabinoiden hatte und ich habe mich sehr über den Rückhalt meiner GeschäftspartnerInnen und KundInnen gefreut. Ich erzähle meine Geschichte, um andere davor zu schützen, dass ihnen dasselbe Schicksal zuteilwird.

 

Die gebetsmühlenartige Wiederholung der Sätze wie „Die Legalisierung von Cannabis wäre ein falsches Signal an unsere Jugend.“ und „Es ist nicht mehr das Gras der 70er und 80er Jahre und die Gefahren des Konsums sind ungleich höher.“ durch den Gesundheitsminister Jens Spahn und die ehemalige Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler haben Tradition. Und weil Traditionen bei den Schwesterparteien CDU/CSU hochgehalten werden, ist davon auszugehen, dass auch die neue Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) in diesen Tenor mit einstimmen wird.

Dabei trifft die Aussage, dass die Risiken des Konsums ungleich höher sind, voll zu. Anders als behauptet, ist das gestiegene Risiko aber nicht auf den Anbau genetisch manipulierter Sorten zurückzuführen, wie es oft angeführt wird. Vielmehr ist das gestiegene Risiko eine Folge der Prohibition, die seitens der Politik leider nur sehr selten infrage gestellt wird.

Dieser Artikel ist eine Warnung an alle, die ihr Cannabis auf dem Schwarzmarkt kaufen: Die Beschaffung synthetisch hergestellter Cannabinoide über das Internet ist kinderleicht und in vielen Ländern der EU legal. Gleichzeitig ist der europäische Markt mit CBD-Blüten übersättigt, was zu einem Einbruch der Großhandelspreise geführt hat. Die Möglichkeit, eine legale Substanz, die fast wie THC wirkt, auf THC-arme Cannabisblüten als Trägerstoff aufzutragen, scheint fast perfekt zu sein. Schließlich erzeugt man aus billigen und je nach Gesetzeslage auch noch legalen Komponenten ein Produkt, das den THC-reichen Blüten nicht nur zum Verwechseln ähnlich sieht, sondern auch ähnlich wirkt und sich zudem mit großartigem Gewinn veräußern lässt.

Am Freitag, den 30. August 2019, machte ich sehr spät Feierabend, traf ich mich gegen 22:00 Uhr mit einem Freund und wir rauchten ein paar Joints. Eine Viertelstunde nachdem ich den zweiten Joint geraucht hatte, bemerkte ich, dass ich immer higher wurde. Der Rausch nahm eine Dynamik auf, die ich von Cannabis bisher nicht kannte. Mir war sofort klar, dass mein Weed mit einer Designerdroge aus dem Bereich JWH, AM, CP etc. verunreinigt war und ich wegen der großen Menge, die ich geraucht hatte, eine starke Überdosis davon zu mir genommen hatte. Da ich davon wusste, dass es in der Vergangenheit Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden gegeben hatte, bekam ich umgehend panische Angst zu sterben.

Es war nicht leicht, einen ruhigen Kopf zu wahren, anstatt sich von der Panik mitreißen zu lassen. Gleichzeitig hatte der Rausch starke psychedelische Komponenten und die Realität entglitt mir immer mehr. Ich nutzte die Zeit, die mir noch blieb, um meiner Freundin zu schreiben, dass es heute spät wird.

In den folgenden drei Stunden kam es zu den unangenehmsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe: Ich sah die Gegenstände um mich herum wie Reflexionen in einem Spiegelkabinett. Also immer dann, wenn mein Gesichtsfeld nicht großteils aus grauen Flecken bestand. Mein Herz raste, gleichzeitig war meine Atmung so flach, dass ich mich darauf konzentrieren musste, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Ich hatte Kopfschmerzen wie nie zuvor, verspürte große Übelkeit, meine Füße wurden taub, ich schwitzte sehr stark und konnte über mehrere Stunden nicht aufstehen, weil mir schwindlig war. Ich bekam auch eine sehr schmerzhafte Hautreaktion und ein Lymphknoten schwoll auf die Größe eines Golfballs an.

Mein Freund hatte glücklicherweise sein eigenes Gras geraucht.

An den folgenden Tagen hatte ich starke Kopfschmerzen, konnte auf dem linken Auge nur eingeschränkt sehen, bekam taube Stellen im Gesicht und hatte immer wieder Verwesungsgeruch in der Nase. Da sich die Symptome auch nach mehreren Tagen nicht gebessert hatten, suchte ich einen Neurologen auf, um abzuklären, ob ich einen Schlaganfall erlitten hatte. Der Arzt gab Entwarnung: Es war kein Schlaganfall, sondern Migräne mit Aura.

Leider dauern verschiedene Symptome bis heute an: Meine Sicht ist eingeschränkt, ich habe täglich Kopfschmerzen, entzündetes Zahnfleisch, Abszesse, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit und Gedächtnisprobleme. Diese Nummer hat sich wirklich gelohnt. Ich habe mich seitdem oft gefragt, was von mir übrig ist und ob ich wieder ganz der Alte werde. Gott sei Dank bessern sich die Symptome langsam und ich bin zuversichtlich, dass ich in ein paar Monaten wieder vollständig auf Kurs bin.

Die unsachlichen Argumente von PolitikerInnen, die über keine entsprechende fachliche Vorbildung für ihre Ämter verfügen (anders als z. B. Frank Tempel, der die Erfahrungen aus seinem Polizeidienst in das Amt als drogenpolitischer Sprecher der Linken in den Jahren 2010–2017 einbringen konnte), sowie ihr Festhalten am Cannabisverbot, haben eine vermeintlich sichere Droge in eine Gefahr für Leib und Leben verwandelt. Diese Haltung ist unverantwortbar! Wer heute einen Joint raucht, für dessen Herkunft er sich nicht verbürgen kann, riskiert seine Gesundheit und letztlich sein Leben.

Meiner Meinung nach erfordern diese Entwicklungen des Cannabismarktes die umgehende Freigabe von THC-haltigen Cannabissorten für den Freizeitgebrauch. Nur auf einem legalen Markt ist es möglich, die Qualität zu sichern und den Jugendschutz durchzusetzen.

You can share this: