Vielleicht bringt ein kleiner Junge den Briten medizinisches Cannabis

In Großbritannien dürfen Ärzte bisher kein Cannabis verschreiben, doch daran könnten einige aktuelle Ereignisse bald etwas ändern. Der Fall eines kleinen epileptischen Jungen wurde nun von den Medien aufgegriffen und verursachte einen solchen Wirbel, dass PolitikerInnen zu reagieren gezwungen sind. Billy Caldwell aus Nordirland leidet an einer schweren Form von Epilepsie mit bis zu 100 Anfällen an einem Abend. Die Symptome konnten bisher mit traditionellen Epilepsiemitteln nicht gemindert werden, daher verschrieb ein amerikanischer Arzt Cannabisöl, das mit einem Schlag eine deutliche Verbesserung von Billys Zustand bewirkte. Die Therapie wurde zwei Jahre lang legal in Großbritannien durchgeführt – Billy war mehr als 300 Tage vollkommen symptomfrei. Als die Familie nach London zog, bestellte die Mutter auf Rezept Cannabisöl bei der kanadischen Firma Tilray, das auf dem Flughafen Heathrow beschlagnahmt wurde. So konnte Billy seine Medizin nicht mehr einnehmen und die Anfälle kehrten in der vorherigen Stärke zurück.

Billys Mutter, Charlotte Caldwell, fürchtet nun, ihren Jungen zu verlieren: „Mein Junge kämpft mit dem Tode und sie lassen ihn sterben. Das Einzige, was ihn retten kann, ist das Epilepsiemedikament, das auf dem Tisch des Innenministeriums liegt, das ich aber nicht bekomme“, sagte sie der Tageszeitung Mirror. Die Verhandlungen der Mutter mit dem Polizeiminister Nick Hurd brachten kein Ergebnis, vergeblich stellten sich zahlreiche Ärzte auf die Seite der Familie Caldwell. „Wenn Billy stirbt, was immer wahrscheinlicher wird, dann tragen das Innenministerium und Nick Hurd die volle Verantwortung für seinen Tod“, erklärte die Mutter. Der britische Innenminister, Sajid Javid, nahm den Fall ernst und konfrontierte in der Kabinettssitzung am 18. Juni Ministerpräsidentin Theresa May mehrfach mit der Frage nach dem Zugang zu medizinischem Cannabis, über die unverzüglich zu entscheiden sei. Am nächsten Tag teilte er in Bezug auf Billy und ein anderes Kind, Alfie Dingley, dem Unterhaus mit, es sei an der Zeit, die Beurteilung der Cannabistherapie zu überprüfen. „Seitdem ich Innenminister geworden bin, ist mir bewusst, dass unsere Position nicht zufriedenstellend ist. Weder für die Eltern, noch für die Ärzte, noch für mich selbst“, sagte Javid und fügte hinzu, dass die Regierung nicht geneigt sei, beim Freizeitgebrauch von Cannabis Veränderungen durchzuführen.

Nach dem britischen Gesetz werden bestimmte Drogen auf unterschiedlichen Listen geführt. Nach mehreren Umgruppierungen gehört Cannabis nun wieder zu den gefährlichsten Drogen und Mitteln, die über keinerlei therapeutische Vorzüge verfügen. Und kann daher nicht verschrieben werden. Zu dieser Einstufung erwartet der Innenminister nun dringend vom leitenden Chefarzt der Regierung eine Einschätzung über die medizinischen Vorzüge von Präparaten auf Cannabisbasis. Danach kann das Advisory Council on the Misuse of Drugs (ACMD) entscheiden, welche Bestandteile des Cannabis bzw. aus ihm hergestellte Präparate verschrieben werden können. So würden Risiken und Vorzüge abgewogen, und wenn die medizinischen Vorzüge belebt würden, könne dies zur Umgruppierung des Cannabis führen.

Die Bereitschaft aufseiten der Ärzte und eines Teils der ApothekerInnen ist vorhanden, was die im Juni veröffentlichten Ergebnisse einer Erhebung der Royal Pharmaceutical Society (RPS) belegen. 89,1 Prozent der 1.960 befragten britischen ApothekerInnen stimmten der Umgruppierung des Cannabis zu, 5,7 Prozent von ihnen sprachen sich dagegen aus. 52,7 Prozent befürworteten unbedingt die Freigabe für den medizinischen Gebrauch, während 30,6 Prozent ihre Zustimmung äußerten. Einige Befragte gaben an, dass ihr Standpunkt von Form und Stärke des gebrauchten Cannabis abhänge. Schwer vorstellbar, dass es nach diesen Vorfällen und einem Blick in die einschlägige Fachliteratur in Großbritannien nicht zu einer Veränderung zugunsten des medizinischen Cannabis kommen wird.

 

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