Veränderte Natur

Landwirtschaft im Dienste des Menschen

Das genetische Material der Pflanzen – wie auch das der übrigen Lebewesen – verändert sich von Generation zu Generation. Es können winzige Veränderungen sein, aber auch größere, etwa Ortsveränderungen, Auslöschung oder Verdopplung großer Genabschnitte. Diese Veränderbarkeit bietet Möglichkeiten, welche die natürliche oder die menschliche Selektion ausnutzt. Denn dadurch entstanden die Charakteristika der als nützlich betrachteten Kulturpflanzen, die von den Agronomen im Verlauf der Veredlung als vorteilhaft betrachtet, ausgewählt und verbreitet wurden.

Veränderte Natur

Eine bedeutende Entdeckung von Forschern, die sich mit Pflanzenkrankheiten befassten, war die Erkenntnis, dass für die gewaltigen Rindenwucherungen an Weiden und für die tumorartigen Gebilde bei Weinreben der DNS-Abschnitt eines im Boden vorkommenden Bakteriums (Agrobakterium) verantwortlich ist. Ein DNS-Abschnitt davon ist in der Lage – indem es eine abnorme Zellteilung generiert – sich in den genetischen Stamm der Wirtspflanze einzubauen. Zusätzlich kann zwischen diesen Plasmidabschnitten eine qualifizierende DNS mit beliebigen Eigenschaften eingebaut werden. Dieser Erkenntnis – und einigen Großunternehmen – ist es zu verdanken, dass die “Pflanzenveredelung” eine neue Richtung eingeschlagen hat.

Die rekombinante DNA-Technologie

… baut solche Bakteriengene in Pflanzen ein, die eine schädlingsbekämpfende Wirkung haben oder eine Resistenz gegen ein Schädlingsbekämpfungsmittel auslösen. Die eingebauten Fremdgene nennt man Transgene und die so geschaffenen Pflanzen – die in der Natur gewöhnlich nicht entstehen – transgenetische Pflanzen, kurz GMO (Genetically Modified Organisms).

Das erste GM-Gewächs brachten (1983–84) parallel eine amerikanische und eine europäische Forschergruppe zustande, als sie einer Tabakpflanze ein Antibiotikum-Gen aus einem Bakterium einbauten. Vom Erfolg ermutigt, berichteten die Forscher 1986 von der Produktion von viren- und insektenresistenten GM-Pflanzen der wichtigsten Kulturpflanzen (Mais, Soja, Kartoffel, Baumwolle und Raps).

Kaum zehn Jahre später begann der gewerbliche Anbau auf 1,6 Millionen Hektar. Die Fläche beträgt heute viel mehr als 150 Millionen Hektar weltweit – und wächst jährlich um 7 Prozent. Bedeutende Produzenten sind die USA, Argentinien, Brasilien und Kanada, im großen Maße verbreitete sich die GM-Baumwollproduktion auch in Indien, China und Südafrika. Die Hälfte der GM-Pflanzen-produzierenden Länder ist wirtschaftlich entwickelt, trotzdem sind 90% der Landwirte arme Kleinproduzenten in Entwicklungsländern.

GM-PflanzenIn Europa sind GM-Pflanzen auf 0,7 Promille der Anbaufläche zu finden, und das zum größten Teil in Spanien, das auf dem Lebensmittelmarkt permanent an Ansehen verliert. Um eine europäische Anbauerlaubnis für GM-Pflanzen zu erlangen, wird eine Umweltwirkungsstudie benötigt. Deren Erstellung bedeutet für die Sorteneigner im Moment das größte Hindernis. Gegenwärtig verfügen nur zwei GM-Pflanzen über eine Genehmigung der EU: erstens der gegen den Maiszünsler resistente Mon810-Mais von Monsanto (USA), für den Österreich erstmals ein Aussaatverbot verhängte, dem sich seitdem weitere zehn europäische Länder anschlossen; zweitens Amflora, die Industriekartoffel von BASF mit hohem Stärkegehalt. Im Zusammenhang mit den Anbaugenehmigungen liegen mehrere europäische Länder mit der EU im Rechtsstreit. Einige Länder nahmen sogar die GMO-freie Landwirtschaft in ihre Verfassung auf!

Trotzdem importieren fast alle europäischen Länder GM-Soja zu Futterzwecken aus Südamerika. Das Futter ist kennzeichnungspflichtig, wenn das GM-Soja 0,9% überschreitet. Jedoch besteht nach den Regelungen der EU keine Verpflichtung, auf den Milch-, Eier- und Fleischprodukten auszuzeichnen, dass den Tieren genveränderter Mais gefüttert wurde. Dieser juristische Missstand ist die Ursache dafür, dass entgegen aller politischer und gesellschaftlicher Ablehnung die Menge des in die EU strömenden genmanipulierten Sojas und Mais wächst. Beziehungsweise, dass die Anbaufläche für genbehandelte Pflanzen weltweit steigt. Das Futter eines typischen europäischen Tieres besteht nämlich zu 30% aus genveränderter Pflanzennahrung. Das bedeutet, dass jährlich 20 Millionen Tonnen genmanipulierten Materials in die Lebensmittelketten gelangt.

Viele Menschen vertreten die Meinung, den GM-Pflanzen könnte eine Schlüsselstellung im Kampf gegen den weltweiten Hunger zukommen. Wenn man aber weiß, dass die GM-Sorten sich im Besitz internationaler Großkonzerne befinden, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie die Lösung des Hungerproblems herbeiführen werden. Die in ihnen enthaltenen veränderten DNS-Abschnitte stehen als geistiges Eigentum unter dem Schutz des Urheberrechts. Die Landwirte müssen für den Anbau von GM-Pflanzen jedes Jahr neue Lizenzverträge mit den Saatgutherstellern schließen, in denen die Firma ausschließt, dass Teile der Ernte gelagert werden, dass die Pflanzen vermehrt oder weitergegeben werden. Wegen (angeblicher) Vertragsbrüche wurden zahllose Prozesse angestrengt und von den Firmen gewonnen, die heutzutage annähernd 67% des Saatgutmarktes der Welt beherrschen. Auf der Top-10-Liste stehen überwiegend amerikanische, europäische und japanische Firmen. Unter diesen verdient Monsanto besondere Aufmerksamkeit: 23% des Saatguthandels der Welt konzentriert sich in ihren Händen. Ein solcher Anteil stellt für sich genommen schon eine große Gefahr dar, kann aber in Verbindung mit der Produktion von GM-Pflanzen Grund zu weiterer Besorgnis geben. Mit ihren Aktivitäten kann fast überall der Anbau solcher Pflanzen und die Produktion von Grundstoffen ermöglicht werden, die für die Wirtschaft zahlreicher Entwicklungsländer die Haupt- oder einzige Exporteinnahmequelle bedeutet (z. B. Palmöl, Kakaobutter usw.).

Codierter Schutz

Der Bacillus thuringiensis, ein Bakterium, das im Boden vorkommt, produziert ein kristallines Eiweiß (Bt-Toxin), das für bestimmte Insektengruppen giftig ist. Wird dieses Gen in den Mais eingebaut, produziert er selbst dieses Insektizid. Der Unterschied zwischen dem traditionellen Spritzen und diesem Verfahren besteht darin, dass das gespritzte Mittel beispielsweise vom Regen abgewaschen werden kann, beim GM-Mais die Giftproduktion in den Genen codiert ist und es ständig produziert wird. Der Prozess ist auch dann unaufhaltsam, wenn sich eventuell schädliche Wirkungen herausstellen. Das Bt-Toxin tritt im Futtermittel auf und auch im Fleisch, das für den menschlichen Verzehr gedacht ist. Mehr als 80% des Maisanbau der Vereinigten Staaten enthält Gentechnologie von Monsanto. Daher konsumiert dort jeder mit Lebensmitteln, die auch Maisstärkesirup enthalten, oder jeder, der Rindfleisch kauft, mit großer Wahrscheinlichkeit GMO.

Codierter SchutzIm heutigen biotechnischen Anbau sind noch häufiger als Bt-Pflanzen die sogenannten RR-Pflanzen (Roundup Ready), die Unkrautbekämpfungsmittel abbauen können, vertreten. Ihre Existenz ist einer zufälligen Entdeckung zu verdanken. Man entdeckte, dass im Abwasserspeicher des Total-RR-Herbizidherstellers Monsanto bestimmte Bakterien am Leben blieben, also in der Lage waren, mit chemischer Umwandlung das RR-Herbizid wirkungslos zu machen. Die Forscher identifizierten das mit dieser Eigenschaft codierte Gen, das sie RR-Gen nannten, und seitdem bei zahlreichen Arten (hauptsächlich bei Soja) verwenden. So können wir mit dem Total-Herbizid auf einer Plantage alles Leben vernichten, und nur das resistent gemachte Soja überlebt das Spritzen. Mit der herbizidresistenten Fähigkeit der RR-Pflanzen und der intensiven Landwirtschaft in Monokulturen könnte eine Überchemisierung der Böden ausgelöst werden, welche die Lebewesen im Boden schädigt und auch das Grundwasser. Die Resistenz der Schädlinge und Unkräuter entwickelt sich mit der Zeit, was einen ständig sich erhöhenden Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln notwendig macht.

Die britische Regierung wendet jährlich 10 Millionen Euro dafür auf, zu ergründen, welche Wirkung der Anbau von herbizidresistenten GM-Sorten für die Lebewesen der Umgebung hat. (Im Normalfall wären diese Tests die Aufgabe der Hersteller oder der Zulassungsbehörden.) Im Verlauf der Untersuchungen bemerkte man, dass die Artenvielfalt in der Umgebung von GM-Pflanzen um 34–44 % zurückging.

Die Risiken der GMO für die Umwelt, die Ökologie und die Gesellschaft kennen wir noch nicht genau. Zum Beispiel ist es schwer zu prophezeien, ob die Verbreitung der Transgene in den natürlichen Nutzpflanzenbestand beziehungsweise auf die wilden Verwandten zu verhindern ist. Möglicherweise “selektiert” die Natur sie und dämmt damit ihre Verbreitung ein. Aber es kann auch vorkommen, dass, mit anderen Pflanzen gekreuzt, die Ursorten verdrängt werden, und sich damit die Biodiversität verringert.

Selbst wenn die empfohlenen Schutzabstände zwischen den Anbauflächen im Falle des vom Wind bestäubten Mais “wirklich” einen Damm gegen die Kreuzbestäubung darstellen sollten, lässt diese sich bei der Bestäubung durch Bienen nicht verhindern. Infolgedessen kann man heute keinen garantiert GM-freien Mais mehr bekommen. (Der Patentschutz für Roundup-Ready-Soja läuft dieses Jahr aus, was für Monsanto einen jährlichen Ausfall von 500 Millionen Dollar bedeutet.)

Ungarn ist der zweitgrößte Hersteller von Maissaatgut, wovon es 3/4 im Ausland absetzt. Doch das in den letzten Jahren entdeckte verunreinigte Saatgut hat dem guten Namen des ungarischen Samenmarktes geschadet. Von den Schäden für die Landwirte und den Staat ganz zu schweigen. Und überhaupt, warum führt ein Unternehmen Maissaatgut aus dem Ausland in das Land des zweitgrößten Produzenten ein?

Nach Ansicht unabhängiger Wissenschaftler müsste man die in den Geschäften erhältlichen Lebensmittel, die GM-Pflanzen enthalten, aus dem Verkehr ziehen und gründlichen lebensmitteltechnischen Untersuchungen unterziehen. Viele behaupten indessen, sie seien vom wissenschaftlichen Standpunkt aus bisher für eine zu kurze Zeit eingesetzt worden, um potenzielle Gefahren gezeitigt zu haben und um Langzeitwirkungen aufzuzeigen. Denn Ernährungsprobleme entwickeln sich im Laufe vieler Jahrzehnte und ebenso lange dauert es auch, die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung zu erkennen.

Wird fortgesetzt.

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