Urbane Legende: Skunk-Wahnsinn

Der Skunk-Mythos basiert auf oberflächlichen Kenntnissen über Cannabinoide

Urbane Legende: Skunk-Wahnsinn

„Die Gefahr einer Psychose liegt beim täglichen Konsum von Skunk-Sorten fünfmal höher.“ Diese Nachricht geisterte im Februar durch die Weltpresse. Wer das Glück hat, eine Sorte nach seinem Geschmack zu konsumieren, und wer die Palette der Ganjasorten ein wenig kennt, wird sich fragen: Warum ausgerechnet Skunk? Sind einige der vielen Skunk-Varianten wirklich gefährlich?

Der Name „Skunk“ klingt heute nicht mehr so verlockend wie Anfang der 2000er Jahre. Er kommt in Kreuzungen vor und die Gruppe der Skunk-Sorten ist heute ziemlich heterogen. Man denke nur an das legendäre Skunk #1, an das mit Hindu Kush veredelte Hindu Skunk oder an das mit Cannabidiol getunte CBD Skunk Haze. In die geschlossenen Räume der Laboratorien dringen selten die Aromen der neuen Zeit, daher glauben einige Vertreter der britischen Wissenschaft seit einem Jahrzehnt unerschütterlich daran, dass man einige Symptome eindeutig den Skunk-Sorten zuschreiben kann.

Skunk MythosErstmalig traten die Skunks 2007 ins Rampenlicht, als der britische Independent sich für seine jahrzehntelange Unterstützung der Cannabislegalisierung entschuldigte. Die „schädlichen“ Wirkungen der Skunk-Sorten mit hohem THC-Gehalt, die sogar psychische Erkrankungen hervorrufen könnten, hatten die Zeitung von der Gefährdung für die Cannabiskonsument/innen überzeugt. Die aufgekommene Hysterie führte dazu, dass sachkundige Vertreter/innen der Wissenschaft die Kenntnisse des Independent auffrischten und der medizinische Chefredakteur des Blattes nach ein paar Monaten des Nachdenkens seine Einstellung überdacht hatte. Die superpotenten Cannabissorten bezeichnete er als Kuriosa und erklärte, es gäbe Belege dafür, dass der Cannabiskonsum im schlimmsten Fall das Risiko der Ausbildung von Schizophrenie um 1% steigern könne.Zwei Jahre später argumentierte das britische Innenministerium – sich auf eine andere Studie berufend – für die Eingruppierung des Cannabis in die Kategorie der gefährlichsten Drogen.

Nur das Verhältnis entscheidet

Die Studie, welche die Forscher des King´s College im Februar vorlegten, spricht wie ihre Vorläufer konsequent von Skunk-Sorten als Synonym für starke Cannabissorten, obwohl sie anmerkt, dass diese Sorten nicht so sehr ein hoher THC-, sondern ein geringer Cannabidiol (CBD)-Gehalt auszeichne. In der Studie ist zu lesen, dass „die geringe Menge Cannabidiol in den Skunk-Cannabissorten ebenfalls relevant sein kann, denn es gibt Nachweise dafür, dass das Cannabidiol die Psychosen erregende Wirkung des THC ausgleicht und eventuell auch antipsychotisch wirkt.“ Das ist der Punkt. Lassen wir den veralteten Skunk-Kult der Wissenschaftler beiseite, dann bleibt, dass der CBD-Gehalt die Wahrscheinlichkeit einer mentalen Störung verringert. Die Forscher bieten dafür auch experimentelle Beweise. In ihrer Studie beziehen sie sich auf einen Bericht über gesunde Cannabiskonsument/innen. Unter jenen, die öfter schizophrene Symptome aufwiesen, fand man nur THC in den Haarproben, während sie bei Personen, die Proben mit CBD abgaben, seltener vorkamen.

Aus dieser Sicht erscheint die holländische Vorstellung, nach der Sorten mit einem THC-Gehalt von mehr als 15% gefährlicher sind und als (harte) Drogen behandelt und entsprechend sanktioniert werden müssen, als verfehlt. Wenn die Vorstellung auf volksgesundheitlichen Argumenten basiert, dann müsste man eher die Sorten mit niedrigem CBD-Gehalt zurückdrängen oder ein CBD-Minimum vorschreiben.

Lemon Skunk

Partner in der Therapie

Auch die Cannabissorten mit hohem THC-Gehalt haben einen Platz in der Therapie, da sie eine ausgezeichnete schmerzstillende Wirkung haben. In erster Linie werden sie von Patienten benutzt, die vorher starke Opiate gegen ihre Schmerzen genommen haben, deren Organismus sich also schon an psychoaktive Stoffe gewöhnt hat. Für sie können THC-reiche Sorten die Erlösung bedeuten. Neben der effektiven Schmerzstillung ermöglichen sie ihnen, sich Schritt für Schritt von den Opiaten und ihren schweren Nebenwirkungen zu befreien. (Weitere Ausführungen dazu im Interview mit Tikun Olam.)

Partner in der TherapieNeben dem THC verfügt auch CBD über zahlreiche positive medizinische Wirkungen und gleicht außerdem die euphorisierende Wirkung des THC aus. Die Verbreitung und Akzeptanz der Therapie mit medizinischem Marihuana steckt in Europa im Vergleich zu den USA noch in den Kinderschuhen, obwohl der Bedarf offenkundig ist und immer mehr Menschen zugeben, dass sie es gegen verschiedene Symptome benutzen. Aufgrund wissenschaftlicher Belege und der positiven Resonanz auf die Therapie erlauben immer mehr europäische Staaten verschiedene Cannabisprodukte und den Gebrauch von Cannabis auf ärztliches Rezept. Der Anbau zu therapeutischen Zwecken ist jedoch in den meisten Ländern weiterhin gesetzlich verboten. Es ist daher ein typischer Weg, dass die Patient/innen ihr Cannabis für den medizinischen Gebrauch aus Holland bestellen. 2001 entstand das niederländische Büro für Medizinisches Cannabis (BMC), das Cannabis für Wissenschaft und Therapie anbaut und mit der entsprechenden Erlaubnis und gegen ärztliches Rezept Hanf in die europäischen Apotheken exportiert.

Das Institut züchtet vier Arten von Cannabis, die den Patient/innen bei verschiedenen Symptomen Linderung bieten. Der THC-Gehalt reicht von 6,3% bis 22%. Letztere Sorte würden die Wissenschaftler des King´s College wahrscheinlich zu den potentesten Skunks zählen, obwohl die Patient/innen es nicht zu sich nehmen, um high zu werden, und sie zum Glück keine psychotischen Symptome aufweisen. An das BMC wenden sich Patient/innen unter anderem wegen der Symptome von Multipler Sklerose, Parkinson und Alzheimer oder zur Linderung der Nebenwirkungen einer Chemotherapie.

Es entbehrt also jeder Grundlage, die Skunk-Sorten anzuprangern und nur den hohen THC-Gehalt für den Ausbruch psychiatrischer Anomalien verantwortlich zu machen. Wichtig ist es, das Verhältnis von THC zu CBD der einzelnen Sorten und auch das Ziel des Konsums zu betrachten. Statt Hysterie zu schüren und anschließend übereilt politische Maßnahmen anzuordnen, wäre es ein aus medizinischer Perspektive wünschenswerter Schritt, Erwachsenen das Cannabis zugänglich zu machen, wenigstes aber den Patient/innen. Nach der Lektüre einer detaillierten Produktbeschreibung könnte jede/r leicht die Sorten mit niedrigem CBD-Gehalt meiden und damit das Risiko eines eventuellen Ausbruchs der Schizophrenie aufgrund einer erblichen Disposition verringern. Es wäre möglich, die passende Sorte nach den eigenen Symptomen und dem individuellen Geschmack auswählen. Aus diesem Grund ist es notwendig, so bald wie möglich einen regulierten Cannabismarkt zu schaffen.

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