Unterschiedliche Ansichten bei der Cannabisregulierung

Ergebnisse einer internationalen Untersuchung

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) hat vor Kurzem einen Überblick über die unterschiedlichen Arten der Cannabisregulierung in den europäischen Staaten vorgelegt. Somit können wir vergleichen, wie die Frage des Cannabiskonsums, sowohl im therapeutischen als auch im rekreativen Bereich, behandelt wird. Es zeigen sich beträchtliche Unterschiede.

Die Studie zeigt auf, dass Cannabis in den untersuchten Ländern (EU-Mitgliedstaaten, Norwegen und Türkei) die verbreitetste illegale Droge ist, die mindestens jeder achte junge Erwachsene benutzt. In den vergangenen 15 bis 20 Jahren erkannten immer mehr Staaten, dass die Androhung von Gefängnisstrafen für einen solch großen Teil der Bevölkerung vergeblich ist, und lockerten deshalb ihre Gesetze. Diese Neuregelungen wurden unterschiedlich begründet, wie zum Beispiel mit der Angemessenheit der Strafe bei einer Straftat, mit dem Vergleich zwischen dem wenig schädlichen Cannabis mit den Gesundheitsrisiken bei anderen Drogen und mit dem Motto „Weg von der Strafe, hin zur Behandlung“. Während Finnland, Großbritannien, Griechenland und Tschechien die Höchststrafen für Cannabisvergehen herabsetzten, wurden sie in Portugal, Belgien, Luxemburg, Slowenien, Kroatien und Malta im Fall geringfügiger Rechtswidrigkeiten gänzlich gestrichen. Während andere Länder nach alternativen Sanktionen suchten, erhöhten England und Ungarn das Strafmaß. Im europäischen Kontext betrachtet, können diese Maßnahmen kaum als fachlich begründet angesehen werden, vielmehr erwecken sie den Anschein eines populistischen Schachzugs. Dies untermauert eine Analyse der Studie über die Wirksamkeit der Regulierungen: „Die einfachste Hypothese über die Rechtswirksamkeit prophezeit, dass erhöhte Strafen den Drogenkonsum verringern. Jedoch ist weder im Original noch in der neueren Version der Analyse ein Zusammenhang zwischen den rechtlichen Veränderungen und dem Cannabisgebrauch zu finden.“

Die Studie geht ebenfalls darauf ein, dass wegen der starken Verbreitung des Cannabiskonsums viele europäische Länder die Einhaltung der Gesetze bei geringfügigen Vergehen nicht als erste Priorität betrachten. Dennoch stieg zwischen 2006 und 2015 die Zahl der Cannabisvergehen – überwiegend wegen Besitzes – um 27 Prozent, was den Schluss nahelegt, dass die Polizei mitnichten wegschaut, sondern KonsumentInnen identifiziert und registriert. Nach Meinung der VerfasserInnen seien die Strafen jedoch ziemlich milde. Die meisten europäischen Länder tendierten beim Cannabis in Richtung Entkriminalisierung. Überwiegend würden Geldstrafen verhängt, obwohl in einigen Ländern – Bulgarien, Polen, Rumänien und der Slowakei – Haftstrafen zur Bewährung die Regel seien. Zu den leichteren Sanktionen gehöre die Verwarnung (Tschechien, Großbritannien) und die zeitweilige Aussetzung des Strafverfahrens (Österreich). Mehrere Länder empfählen medizinische Behandlungen als Alternative zu Strafmaßnahmen.

Medizinischer Gebrauch

Internationale Gesetze und Vereinbarungen verbieten die Anwendung von Cannabis und seinen Wirkstoffen für medizinische Zwecke nicht. Entsprechend sind momentan in drei europäischen Ländern Medikamente, die Cannabisbestandteile in natürlicher oder synthetischer Form enthalten, zugelassen. Immer mehr Länder ermöglichen auch die ärztliche Verschreibung von Cannabisblüten. Sativex, das verbreiteteste Medikament für die Behandlung von Multipler Sklerose, ist in 18 europäischen Ländern ein anerkanntes Arzneimittel. Die umgangssprachlich „Marihuana“ genannte Cannabisblüte ist seit 2001 beim niederländischen Cannabisbureau (OMC) erhältlich. Für die Behandlung der einzelnen Krankheiten werden Sorten mit unterschiedlichen Profilen und Wirkstoffgehalt vertrieben, die gegen Vorlage eines ärztlichen Rezepts und einer Importerlaubnis des betreffenden Landes in Europa für 45 Euro pro 5 g erhältlich sind. In den letzten Jahren haben weitere Länder ähnliche Initiativen zur Versorgung ihrer StaatsbürgerInnen eingeleitet. Tschechien startete 2014 ein Medizinal-Cannabis-Programm, in dessen Rahmen ein/e PatientIn auf ärztliche Verschreibung monatlich maximal 180 g Cannabis beziehen kann – 1 g für 3,70 Euro, was der Hälfte des Schwarzmarktpreises entspricht. In Italien und Kroatien kann seit 2015 Cannabis zur Behandlung verschiedener Symptome verschrieben werden. In Italien hat der lokale Anbau schon begonnen. Dieses Jahr wurde auch in Deutschland therapeutisches Cannabis zugelassen, vorläufig aus dem Import. Die lokale Produktion soll 2019 beginnen.

 

Die Legalisierung lässt auf sich warten

Die Zulassung von Cannabis für medizinische Zwecke wird oft angegriffen – von Menschen, die glauben, sie sei in Wirklichkeit die Vorstufe eines legalen Cannabismarktes. Dies erschwert die Chancen der auf Cannabis angewiesenen PatientInnen beträchtlich. Die erwähnte Studie belegt jedoch, dass die Verschreibungserlaubnis für therapeutisches Cannabis nicht das Trojanische Pferd der Legalisierung ist. Die Möglichkeit der Verschreibung opiathaltiger Schmerzmittel hatte ja auch keinen legalen Markt für Opium oder Heroin zur Folge. In weiteren Kapiteln der Studie wird dargelegt, dass in den wenigen Ländern, in denen die therapeutische Zulassung in Gesetzesform gebracht wurde, der Bedarf aus dem Import oder durch Anbau unter staatlicher Aufsicht gedeckt wird und dass Cannabis ausschließlich auf ärztliche Verschreibung erhältlich ist. Momentan unternehmen nur wenige Länder Versuche mit verschiedenen Formen der Legalisierung – Coffeeshops oder Cannabis Clubs – und es ist kein ausgesprochener politischer Wille zur Legalisierung nach dem Vorbild der USA oder Uruguay erkennbar. Dies zeigt sich darin, dass kein einziges europäisches Land die strafrechtlichen Sanktionen gegen Cannabis aufgehoben hat, nicht einmal Holland. Fazit der Analyse ist also, dass die Verfolgung von CannabiskonsumentInnen in immer mehr Ländern infrage gestellt wird und die Legalisierungswelle in Übersee Europa noch nicht erreicht hat.

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