UNO erklärte Cannabis zu legaler Medizin

Eine Entscheidung, die das Leben von Millionen Patient*innen beeinflussen könnte

Die Abstimmung auf dem UN-Treffen im Dezember 2020 brachte ein historisches Ergebnis: Die Mitgliedstaaten haben Cannabis von der Liste der gefährlichsten Substanzen, die für therapeutische Zwecke nicht geeignet sind, gestrichen. Das Ergebnis war knapp – 27 Ja, 25 Nein, 1 Enthaltung –, als einzige EU-Land stimmte Ungarn mit Nein.

Da im Zusammenhang mit der Abstimmung viele Missverständnisse bestehen, ist es nötig, mit einer kurzen Klärung zu beginnen. Das 1961 verabschiedete Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel listet Stoffe – als Drogen bezeichnete Substanzen – in vier kontinuierlich aktualisierten Tabellen auf. Die meisten kontrollierten Substanzen stehen auf der Liste I, während die Liste II nur wenige, als weniger gefährlich betrachtete Opioide umfasst, z. B. Codein. Auf der Liste III stehen Arzneimittel mit einer Ausnahmegenehmigung, die von Stoffen der Liste I und II abstammen. Für die Abstimmung war die IV. Liste wichtig: Sie enthält Substanzen der Liste I, deren therapeutischer Wert nicht anerkannt wird. Auf dieser Liste stand das Cannabis 60 Jahre lang, was die Umsetzung medizinischer Marihuana-Programme sehr erschwerte. Nach der Abstimmung wurde es von der Liste gestrichen, was bedeutet, dass die UN nach 60 Jahren endlich seinen therapeutischen Wert anerkannt hat!

Warum wurde die Änderung gerade jetzt beschlossen?

Seit Jahrzehnten liegen umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse über die gesundheitlichen Vorteile von Cannabis vor, und Millionen von Patient*inn haben von erfolgreichen Anwendungen berichtet. Immer mehr Fälle wurden bekannt, in denen sich Cannabis als die einzig wirksame Droge erwiesen hat. Infolgedessen wurden weltweit medizinische Cannabisprogramme gestartet, aber die UN-Konventionen hielt sich hartnäckig. Den Durchbruch brachte die Kommission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Drogenabhängigkeit (ECDD), die zwischen 2017 und 2018 unabhängige wissenschaftliche Experten zusammentreten ließ, um die Fakten zu Cannabis, seinen Wirkstoffen und seinen Derivaten zu überprüfen. Nachfolgend unterbreitete die ECDD den Vereinten Nationen im Januar 2019 Änderungsvorschläge zum Einheitsabkommen, in der Absicht, die Konvention zu aktualisieren, auf den Stand der Wissenschaft zu bringen und die Regulierung einfacher und transparenter zu gestalten. Die ECDD machte folgende Vorschläge:

  • Die medizinische Verwendung von Cannabis und Cannabisharz, THC und seinen Isomeren sollte gemäß den UN-Konventionen gestattet sein
  • Cannabisextrakte und Tinkturen sollten von der Liste der kontrollierten Substanzen gestrichen werden
  • Alle Formen von THC sollten auf die Liste der Arzneimittel gesetzt werden
  • Aufgrund der Studien ist es eindeutig, dass CBD (Cannabidiol) nicht der UN-Arzneimittelverordnung unterliegt, da es sicher anwendbar ist
  • Präparate mit einem THC-Gehalt von weniger als 0,2%, die hauptsächlich CBD (aus Hanf gewonnenes CBD-Öl) enthalten, sollten nicht den UN-Arzneimittelvorschriften unterliegen

Die ECDD fasste die Untersuchung wie folgt zusammen: „Die dem Ausschuss vorgelegten Beweise deuten nicht darauf hin, dass Cannabis und Cannabisharz mit den schädlichen Nebenwirkungen anderer Stoffe im Anhang IV des Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel 1961 einhergeht. Darüber hinaus haben Cannabispräparate ein therapeutisches Potenzial bei der Behandlung von Schmerzen und anderen Erkrankungen wie Epilepsie und Krampfanfällen im Zusammenhang mit Multipler Sklerose gezeigt. In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten sollten Cannabis und Cannabisharz so klassifiziert werden, dass Schäden durch Cannabiskonsum vermieden werden, gleichzeitig aber der Zugang, die Forschung und die Entwicklung in Bezug auf Cannabis für medizinische Zwecke nicht behindert werden“. Die erste Empfehlung der WHO ist die wichtigste, da sie die medizinische Verwendung von Cannabis in allen Mitgliedstaaten erlaubt. Es ist eine enorme Leistung, dass die Wissenschaft über die seit Jahrzehnten geltenden Richtlinien triumphiert hat und dass Millionen von Patienten Zugang zu medizinischer Verwendung haben. Es ist nun Sache der einzelnen Länder, die Möglichkeiten zu nutzen und medizinische Cannabisprogramme zu starten. Das Vorschlagspaket der WHO wurde nicht vollständig angenommen, jedoch haben die abgelehnten Punkte geringere Bedeutung als die Frage des therapeutischen Einsatzes von Cannabis.

Dilemmata und Missverständnisse rund um das CBD

Debatten rund um das CBD führten zu vielen Missverständnissen und Fehlinterpretationen. Ein Punkt wurde nicht zur Abstimmung gestellt, d.h. es wurde nicht entschieden, ob rein CBD-haltige Produkte unter die UN-Konvention fallen sollen. Es wird jedoch immer unwahrscheinlicher, dass die CBD auf die Liste der kontrollierten Stoffe gesetzt wird. Einige Tage nach dem UN-Treffen entschied die Europäische Kommission unter Berufung auf die Position des EU-Gerichtshofs, dass CBD keine Droge ist, weshalb sie innerhalb der EU die gleiche Freizügigkeit genießen sollte wie jedes andere legale Produkt. Obwohl diese Entscheidung nur für die Europäische Union gilt, ist es unwahrscheinlich, dass später auf UN-Ebene eine andere Entscheidung getroffen wird. Auf der Dezember-Sitzung wurde eine Entscheidung über CBD-Öle aus Hanf mit einem maximalen THC-Wert von 0,2% getroffen: Die Mitgliedstaaten stimmten nicht für die Beendigung der internationalen Kontrollen dieser Produkte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass pflanzliche CBD-Produkte mit einem Verbot belegt wären! Für nichtmedizinische CBD-Öle, Kosmetika und andere Präparate bedeutet dies keine Änderung. Die Entscheidung besagt nur, dass CBD-basierte Medikamente wie Epidiolex oder CannEpil internationalen Vorschriften unterliegen, wenn sie THC enthalten. Hätte die Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür gestimmt hätte, unterlägen CBD-Arzneimittel mit einem THC-Gehalt unter 0,2% nicht den internationalen Vorschriften. Insgesamt ist die Bilanz der UN-Abstimmung positiv zu bewerten, in den kommenden Jahren muss also nur an der Feinabstimmung gearbeitet werden.

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