Ungeduldige Cannabis-Patienten

Die Stellung des medizinischen Marihuanas in Italien

Die größte ausländische Mannschaft auf dem Drug Peace March gegen das Rauschgiftverbot im Frühjahr in Wien war zweifellos die der Italiener, deshalb interessierten wir uns dafür, wie es bei ihnen um das Rekreations-Cannabis und das medizinische Marihuana bestellt ist. Müssen auch sie ihren Befreiungskampf mit dem Gesetzgeber führen, oder gehen sie gerade deshalb auf die Straße, um die frohe Botschaft zu verbreiten? Dabei stellte sich heraus: Während das Gesetz in Italien den Einsatz von Marihuana zu medizinischen Zwecken zulässt, können nur wenige Patienten diese Möglichkeit nutzen und neigen dazu, die Erzeuger, die sie versorgen, als Dealer zu betrachten.

Medijuana: Du bist die Vorsitzende der wichtigsten Organisation für medizinisches Marihuana, sprechen wir also zuerst kurz über die Tätigkeit der Vereinigung. Seit wann existiert ihr, was ist euer Ziel und woraus besteht konkret eure Arbeit?

Alessandra Viazzi: Unsere Organisation Pazienti Impazienti Cannabis (Ungeduldige Cannabis-Patienten) gründeten wir 2001 mit dem Ziel, mit Marihuana Patienten zu heilen. Wir arbeiten institutionell und kooperieren mit den Gesundheitsministerien in Italien und Holland. 2007 erreichten wir auch, dass THC der Klasse der weniger gesundheitsgefährdenden Mittel zugeordnet wurde, in der auch andere Drogen mit anerkannter Heilwirkung wie Opiate oder Barbiturate zu finden sind. Mit der Zuordnung in die zweite Kategorie haben wir zwar einen großen Schritt nach vorn getan, trotzdem müssen wir noch immer daran arbeiten, dass das Gesetz die Situation der Patienten, die medizinisches Cannabis nutzen, erleichtert.

M: Bedeutet das, dass in Italien das medizinische Marihuana-Programm, wenn auch nur schwerfällig, bereits funktioniert?

AV: Ja, theoretisch schon, es ist genehmigt.


M: Und welchen Grund hat es, dass es noch nicht zu dem erwarteten großen Knall gekommen ist? Wissen die Ärzte nichts von dieser Möglichkeit, oder fürchten sie sich, den Patienten Cannabis zu verordnen?

AV: Erst einmal ist es sehr schwer, in Italien einen Arzt zu finden, der Patienten Marihuana verschreibt. Viele wissen noch nichts davon, andere haben Angst, sie kennen nicht die entsprechende Dosierung des Medikaments. In dieser Hinsicht ist auch die Meinung der Ärztevereinigung gespalten, ob Cannabis zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden kann.

M: Welche Arten von Hanf könnt ihr den Patienten anbieten, und wie erhalten sie zu diesen Zugang?

AV: Die Cannabissorten Bedrocan, Bediol und Bedrobino können wir auf Rezept vom OMC, dem holländischen Büro für medizinischen Hanf, einkaufen. (Nähere Einzelheiten über die Arbeit des OMC und vertriebene Medical-Sorten finden sich im Februarheft des Medijuana Nr. 2/2012 – d. Red.) Das gekaufte Cannabis kommt, bevor es in die Apotheken gelangt, unter Mitwirkung des Gesundheitsdienstes in die römische Zentrale des Gesundheitsministeriums, wo das Produkt legalisiert wird. In der Mehrzahl der Fälle bezahlen die Patienten über das Medikament hinaus auch die Versandkosten.

M: Wie viel kostet den Patienten ein Gramm dieser Sorten?

AV: OMC gibt ein Gramm Cannabis für sieben Euro ab. Die ziemlich hohen Versandkosten haben sich jetzt etwas reduziert, weil die Patienten die für drei Monate verordnete Dosis inzwischen auf einmal bestellen können. Die meisten Patienten konsumieren durchschnittlich ein Gramm pro Tag, so können sie das medizinische Marihuana je 100 Gramm ohne Versandkosten für 220 Euro erhalten.

M: Wie viele registrierte Medical- Marihuana-Patienten leben derzeit in Italien?

AV: Das Gesundheitsministerium behandelt die Daten der Patienten vertraulich, und die Vorschriften sind regional unterschiedlich. Nach unserer Schätzung beträgt die Anzahl der Patienten, die einen Marihuana verordnenden Arzt finden konnten, und die für ihre Therapie keine bürokratischen und finanziellen Hürden erleben, um 500. Wenn der Hausarzt einem Patienten Marihuana verordnet, muss dieser einem Gesetz zufolge sämtliche Kosten seiner Therapie übernehmen, und das kann sich nicht jeder leisten.

M: Da ihr in Rom arbeitet, nehme ich an, dass ein Großteil dieser Patienten in Rom lebt.

AV: Ja, obwohl auch ein italienisches Pharmahandelsunternehmen ebenfalls die Lizenz zur Beschaffung der Bedrocan-Arten besitzt und das bestellte Cannabis in jede beliebige Apotheke Italiens liefern kann. Sie sind befugt, das Marihuana auch ohne die Legalisierung durch das Gesundheitsministerium auszuliefern, was jedoch das Medikament erheblich verteuert. Über diese Firma bestellt kann ein Gramm mit Versandkosten bis zu 30-40 Euro kosten. Es ist zwar noch nicht allgemein bekannt – Cannabis wurde durch seine Einstufung in die zweite Drogenkategorie nämlich für jedermann verschreibbar, wie zum Beispiel auch die Barbiturate, die nahezu jeder in der seinem Wohnort nächstgelegenen Apotheke erhalten kann.

M: Wie siehst du die politischen Veränderungen, die sich in Italien vollzogen haben? Rechnet ihr jetzt, nachdem Berlusconi gehen musste, mit einer günstigen Entwicklung der Drogenpolitik?

AV: Jetzt haben wir eine sogenannte technische Koalitionsregierung, die Zukunft der Drogengesetze lässt sich nur schwer beurteilen. Die allgemeine Haltung gegenüber Marihuana ist gegenwärtig ziemlich paradox. Auf der einen Seite kannst du dir als in Therapie befindlicher Patient Cannabis kaufen, wenn du es dir jedoch selbst anbaust, musst du nach dem Gesetz mit einer Gefängnisstrafe von 6 – 20 Jahren rechnen. Wenn man bei dir mehr als fünf Gramm Cannabis oder Haschisch und auch Pflanzen findet, giltst du bereits als Dealer. Es gibt also noch genug zu tun.

Jack Pot

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