System in Entwicklung

Der legale Cannabishandel kann kommen

Die US-Bundesstaaten, die legales Marihuana gewählt haben, befinden sich immer noch in der Grauzone. Der Besitz und die Beschaffung von Cannabis sind zwar genehmigt, aber die Erarbeitung der Details für den Handel ist noch im Gange. Diese spannende Periode bietet reichlich Ereignisse, über die zu berichten sich lohnt.

Um nicht immer nur die politischen Regungen im Fokus zu haben, beginnen wir mit einer Manifestation der amerikanischen Medien, welche wirksam die wichtigen Fragen des Gemeinschaftslebens beleuchtet, die sich nach der Legalisierung stellen: Ist es eine gute Idee, bekifft Auto zu fahren? Beziehungsweise: Können sich Hanfpatienten ans Steuer setzen? Ein Fernsehsender in Washington bot eine empirische Antwort: Man bat drei Freiwillige – eine tägliche Konsumentin, eine junge Dame, die Patientin ist, einen Wochenendfreizeitkonsumenten und einen mittelalten Gelegenheitskonsumenten – sich nach dem Rauchen von Marihuana ans Steuer zu setzen und auf der Teststrecke Rechenschaft über ihre Fahrleistungen abzulegen. Während die THC-Konzentration in ihrem Blut im Verlauf des Tests infolge der konsumierten Dosis immer höher kletterte, wurde auch die Fahrleistung der Testpersonen immer unsicherer. Im Gegensatz jedoch zu den vom Alkoholgenuss zum Rasen ermutigten Fahrer, konnte man bei den bekifften Testpersonen nicht messen, wann sie vollkommen fahrunfähig werden. Wenn man sie doch dazu zwang – im Verlauf des Tests – dann boten sie eine verlangsamte, an Ungenauigkeiten reiche Vorstellung dar, die auf ihre Art im Verkehr gefährlich sein kann. Auch Polizisten nahmen an der Untersuchung teil. Wie sie angaben, drückten sie vorläufig bei Ordnungswidrigkeiten leicht bekiffter FahrerInnen die Augen zu, wenn sie offensichtlich keine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellten; eine Weiterbildung für diese Fälle sei jedoch schon geplant.

Handelssystem im Aufbau

Anfang März entstand die Ergänzung zu dem Legalisierungsgesetz in Colorado, das die Vorschriften für den Marihuanahandel enthält, sowie die Steuern, die vom Vertreiber und vom Käufer zu zahlen sind, die gekennzeichneten Orte zum Konsum auf öffentlichen Plätzen, das Verbot der Zucht im Freiland und die Bestimmung des Wirkstoffgehalts des vertriebenen Cannabis. Eine Arbeitsgruppe von Juristen, Polizisten, Rechtsberatern, Medizinalmarihuana-Patienten und Geschäftsbesitzern sowie Parlamentariern hatte seit Dezember an der Ergänzungsverordnung gearbeitet. Im Verlauf ihrer dreimonatigen Arbeit hatte sie zahlreiche Empfehlungen formuliert. Im ersten Jahr der Einführung des Systems können nur Medizinalmarihuana-Apotheken eine Vertriebsgenehmigung bekommen. Ein Einzelhändler muss in den ersten drei Jahren 70 % des umgeschlagenen Marihuanas selbst anbauen. Dieses darf er an über 21-jährige Ortsansässige bis zur festgelegten Höchstmenge verkaufen. Die Polizisten bekommen eine Zusatzausbildung zur Feststellung bekiffter Autofahrer; ein Arbeitgeber darf seinen Angestellten den Konsum von Marihuana verbieten. Reklame für Marihuana wird ähnlich der für Tabak und Alkohol reglementiert. Die Rauchfreiheit in Restaurants und Bars erstreckt sich auch auf Marihuana und erlaubt auch nicht die Einrichtung von Cannabisklubs oder Coffeeshops. Die Freilandzucht wird auch verboten, aber für das in geschlossenen Räumen gezogene Cannabis wird hinsichtlich des THC-Gehalts kein maximales Limit festgesetzt. Einzige Bedingung ist die Qualitätskontrolle und die Angabe der Konzentration. Wann diese Vorschriften Gesetzeskraft erlangen, ist vorläufig ungewiss. Die Arbeitsgruppe übergab im März ihre Vorschläge der Regierung des Bundesstaats, wo die Gesetzgeber eine Gesetzesvorlage zur Diskussion erstellen. Wie lange genau das dauern wird, hängt von mehreren Faktoren ab, aber es scheint schon sicher, dass der Absatz von Marihuana zu rekreativen Zwecken in Colorado nicht vor 2014 erfolgen wird.

Neu dazugesellt

Für die Wartenden kommt die amerikanische Legalisierung nur holprig in Gang, dennoch meldeten weitere Bundesstaaten ihre Absicht zum Beitritt in den Eliteklub an. Neben Hawaii, Maine, Massachusetts, New Hampshire, Pennsylvania, Rhode Island und Vermont möchte auch Oregon seinen Marihuanahandel unter staatliche Kontrolle stellen, obwohl dort letztes Jahr die Legalisierungsabstimmung mit 47:53 verloren ging. Nach der gegenwärtigen Planung wären die Zucht von sechs Pflanzen und der Besitz von 24 Unzen Blütentraube legal, des Weiteren würde man den Anbau von Industriehanf legalisieren. Den Plan hatte das für Etat und Steuern zuständige Komitee des Bundesstaates eingereicht, das 35 Dollar Steuern pro Unze für gerechtfertigt hält. In Kalifornien verdichtet sich seit 2010 die Hoffnung auf die Legalisierung, denn der Anteil der Legalisierungsanhänger erhöhte sich auf 54 %. Die Initiatoren applaudieren nicht und kommentieren gelassen, dass es erst über 60 % Sinn mache, eine Kampagne zu starten. Ihre Untersuchung bietet nützliche Anhaltspunkte auch hinsichtlich der Frage, welche Bevölkerungsgruppen zustimmend oder ablehnend gegenüber der Legalisierung eingestellt sind. Unter den größten Befürwortern befinden sich die EinwohnerInnen von Los Angeles, die Männer, Singles unter 40 Jahren, beziehungsweise die afrikanischen und die asiatischen EinwohnerInnen – in ihren Kreisen übertrifft die Zustimmung zur Legalisierung sogar 60 %. Bei den Republikanern, den Frauen, den über 65 Jahre alten und den Latinos wurde eine Zustimmung von 40-45 % gemessen. Letzteres Ergebnis ist auch deswegen interessant, weil gerade Lateinamerika, begonnen bei Mexiko, den Ministaaten wie El Salvador, bis hin zu Kolumbien die größten Verlierer des jahrzehntelangen Drogenkrieges der USA sind, die oft verlautbaren ließen, dass an jedem Gramm Ganja, das in die USA geschmuggelt wird, Latinoblut klebe. Nebenbei sind etwa 40 % der Bevölkerung von Kalifornien Latinoabkömmlinge, was nicht etwa so viel wie das Zünglein an der Waage ausmacht, sondern so viel wie eine der Waagschalen.

4:20

Jeder Kiffer, der was auf sich hält, weiß, dass 16:20 Uhr (oder 4:20 p.m. amerikanischer Zeit) Zeit für den Nachmittagsjoint ist – so, wie vier Uhr die richtige Zeit ist, zu der man seinen Nachmittagstee trinkt. Ersterer Brauch stammt nach der Legende von SchülerInnen einer kalifornischen High School, die sich Anfang der 70er Jahre immer zu diesem Zeitpunkt zu einer witzigen Zigarette nach Schulschluss trafen. Dieses Ritual ging mit der Zeit in das allgemeine Bewusstsein über und brachte den “internationalen Cannabistag” hervor, der am 20. April (20.04) gefeiert wird. Es stand zu erwarten, dass schon im ersten Jahr der Legalisierung die BewohnerInnen der beiden glücklichen Bundesstaaten ein nie da gewesenes Fest organisieren würden. In Denver/Colorado begannen schon die Vorbereitungen. Ein “Reisebüro” mit dem Namen My 420 Tours machte schon Anfang März Reklame für die “World Cannabis Week” im ersten Jahr vom 17.-23. April, deren Höhepunkt natürlich der 20. April ist. Nach Schätzung der Veranstalter kamen mehrere Zehntausend zusammen, um die gewisse 4:20-Zigarette anzuzünden. Obwohl sie nach den obigen Regeln Cannabis nicht verkaufen durften, garantierten die Veranstalter, dass die BesucherInnen erstklassige Sorten aus Colorado kosten und an Workshops über Kochen, Haschischbereitung und sicheren Konsum teilnehmen könnten. Bei der Veranstaltung dienten unter anderem Cypress Hill und Slightly Stupid als Zugpferde.

 

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