Sexueller Kraftstoff

Cannabis erhöht die Anzahl der Spermien und Orgasmen

Über die Auswirkungen des Cannabis auf das sexuelle Leben und die Potenz gibt es verschiedene Meinungen und Erfahrungen. Was aber sagt die Wissenschaft dazu? Nach einer neuen Forschung hat Cannabis bei beiden Geschlechtern sehr wohl einen Platz in einem gesunden und erfüllten Sexualleben.

 

Wellnessprodukte, Massageöle, Gleitmittel auf Hanfbasis und andere sexuelle Hilfsmittel suggerieren, dass Cannabis die Weiblichkeit fördert und mit der Sexualität Hand in Hand geht. Die meisten Berichte sind subjektiv, die wissenschaftlichen Forschungen bieten kein eindeutiges Bild. Endgültige Antworten auf offene Fragen können auch wir nicht geben, aber die Ergebnisse zweier neuer Untersuchungen können vielleicht einen Beitrag dazu leisten, sich eine genauere Vorstellung von den Auswirkungen des Cannabis auf das sexuelle Erleben und die Fruchtbarkeit zu machen.

 

Zweimal so viele Orgasmen bei Frauen

Die Fachzeitschrift Sexual Medicine veröffentlichte eine Forschungsarbeit, welche die Wirkung von Cannabis auf die Libido von Frauen untersucht. Auf diesem Gebiet herrschten bisher eher anekdotische Berichte vor, daher beschlossen die ForscherInnen, die Erfahrungen von mehreren hundert Frauen zusammenzufassen. Die Angaben einer ano-nymen Befragung von 373 Frauen (mehrheitlich heterosexuell mit weißer Hautfarbe) wurden zwischen März 2016 und Februar 2017 ausgewertet. Es wurde unter anderem die Frage nach der Zufriedenheit mit ihrem momentanen Sexualleben gestellt, ob sie Orgasmen erleben und ob sie Gleitmittel benutzen. Interessiert war man an deren Marihuanakonsum und wollte wissen, ob es vor dem sexuellen Zusammensein konsumiert wird. Insgesamt 176 Frauen gaben an, Marihuana zu benutzen. 86,5 % von ihnen berichteten von angenehmerem sexuellem Erleben, bei 60 % steigerte sich die Libido und 53 % sprachen von einer höheren Zahl an Orgasmen. Die ForscherInnen gelangten zu der Feststellung, dass Cannabisgebrauch vor dem Sex die Wahrscheinlichkeit eines befriedigenden Orgasmus verdoppele. Forschungsleiterin Becky Lynn war, ausgehend von der schmerzstillenden Wirkung des medizinischen Cannabis, daran interessiert, wie Cannabis das Sexualleben von Frauen beeinflusst, bei denen Geschlechtsverkehr gewöhnlich mit Schmerzen verbunden ist und die daher sehr schwer zu einem Orgasmus kommen. Der Wirkungsmechanismus ist jedoch weiterhin nicht vollkommen geklärt. Möglicherweise hängt er mit der stresslösenden Wirkung des Cannabis zusammen, die das Vertrauen und die Experimentierfreude steigert.  Eine Rolle könnten auch die Cannabinoidrezeptoren bei der Regulierung der Sexualhormone spielen, die durch das Cannabis angeregt werden. Letztendlich schärft Marihuana die Sinnesorgane, einschließlich des Tastsinns, des Sehens, des Riechen und des Schmeckens, was für stärkere Erlebnisse sorgt. Die Forschung bietet also weitere Belege dafür, dass sich Cannabis positiv auf das sexuelle Leben von Frauen auswirkt.

Höhere Spermienzahl

Das Erleben ist allerdings nur ein Aspekt der Sexualität. Die andere Frage ist, wie sich Cannabis auf die Zeugungsfähigkeit auswirkt. Im Februar 2019 publizierte die Fachzeitschrift Human Reproduction eine Studie, die den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und der Spermienzahl untersuchte. An der Harvard-Universität hatte man eine Erhebung unter Männern, die sich an Fruchtbarkeitskliniken gewandt hatten, durchgeführt. Die Untersuchung ist daher nicht repräsentativ für die Durchschnittsbevölkerung. Dennoch geben die Ergebnisse Anlass zum Nachdenken. Aus vorausgegangenen Untersuchungen wissen wir, dass der regelmäßige Genuss größerer Mengen von Cannabis die Spermienproduktion beeinträchtigen kann. Im Gegensatz dazu kamen die ForscherInnen zu dem Ergebnis, dass der mäßige Konsum von zwei Joints pro Woche den Testosteronspiegel und die Produktion von Spermien anhob. Untersucht wurden 662 Männer mit geringer Fortpflanzungsfähigkeit, die sich zwischen 2002 und 2017 in einem Krankenhaus in Massachusetts hatten behandeln lassen. 365 Männer, die in der Vergangenheit maßvoll Cannabis konsumiert hatten, wiesen eine deutlich höhere Spermienkonzentration auf. 64,7 Millionen Spermien/ml, während bei den übrigen 297 Männern, die niemals Cannabis eingenommen hatten, lediglich 45,4 Millionen Spermien/ml gemessen wurden. Dies wird damit erklärt, dass das Endocannabinoidsystem unseres Körpers auch bei der Fruchtbarkeit eine Rolle spielt und eine gelinde Stimulation sich positiv auf die Potenz auswirkt. Dabei war es gleichgültig, ob jemand während der Untersuchung oder Jahre zuvor zum letzten Mal konsumiert hatte. Man kann daher von einer konstanten Wirkung sprechen. Die ForscherInnen filterten die Probanden auch nach Faktoren wie Lebensalter, Cannabisabstinenzzeiten, Tabakrauchen, Kaffee-, Alkohol- und Kokaingebrauch. Da die Ursachen im Dunkeln liegen, formulierte der Untersuchungsleiter vorsichtig: „Diese unerwarteten Ergebnisse verdeutlichen, wie wenig wir über die Wirkung von Marihuana auf die Fortpflanzungsfähigkeit wissen.“ Jorge Chavarro, der an der Untersuchung mitgearbeitet hatte, fügte hinzu, dass weitere klärende Forschungen nötig sind. Trotz aller Unsicherheiten kann man sagen, dass ein maßvoller Cannabisgebrauch sich sowohl auf das sexuelle Erleben als auch die Zeugungsfähigkeit positiv auswirken kann.

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