Selbstzensur im Darknet

Ethisch korrekte Kriminelle?

Die Opfer der US-amerikanischen Opiatkrise haben auch auf die dunklen Kreise des Internets einen Einfluss. Die Justizbehörden Großbritanniens teilten mit, verschiedene Marktsegmente im Internet hätten freiwillig beschlossen, den Vertrieb eines der gefährlichsten synthetischen Opioide Fentanyl zu verbieten. Da die Nachfrage weiterhin gewaltig ist, wird es jedoch an anderer Stelle immer noch angeboten.

Verborgen vor traditionellen Browsern, durch Verdunklung und ständigen Wechsel der IP-Adressen schwer zu verfolgen, zeigte das Darknet auch bisher ambivalente Züge. Es war bislang unstrittig, dass alle illegalen Drogen angeboten werden können, solange ihre Inhaltsstoffe genau aufgeführt sind und die KonsumentInnen eine positive Rückmeldung über die Qualität geben. Dass nun auf mehreren Webseiten Fentanyl von der Drogenliste verbannt wurde, stellt eine neue Situation dar. Es scheint, dass sich auf den dunklen Seiten des Internets eine noch dunklere Schicht abzeichnet, die wider jede Vernunft weiter mit dem tödlichen Mittel handelt. Es stellt sich die Frage, ob Schwarzmarkthändler die besseren Menschen sind, die mit entsprechenden Informationen sogar die gefährlichsten Drogen verkaufen, oder diejenigen, die bei weniger risikoreichen Mitteln bleiben und zulassen, dass andere mit dem von Hunderttausenden benutzten Fentanyl ihren Reibach machen. Vince O’Brien, Ermittler der Nationalen Strafverfolgungsbehörden, ist der Meinung, dass Betreiber von Darknet-Seiten nicht aus Menschlichkeit handeln. Es treibe sie die Sorge, dass die Todesfälle die Aufmerksamkeit der Polizei erregten und größere Anstrengungen unternommen werden müssten, um sie aufzuklären. Was auch immer der wahre Grund sein mag, für O’Brien stellt es eine beispiellose Selbstzensur dar, dass diejenigen, die den freien Vertrieb aller Drogen befürworten und praktizieren, im Darknet ein Mittel verbieten.

fentanyl

Wie aber unterscheidet sich der Handel mit einer potenziell tödlichen Droge von dem mit – sagen wir – einer automatischen Feuerwaffe? In der Frage des Waffenhandels waren die BesucherInnen des Darknets von Anfang an geteilter Meinung, die verschiedenen illegalen Online-Marktplätze wenden schon seit Jahren unterschiedliche Regeln an. Dream Market, eine der populärsten Plattformen im Darknet, verbot, oder – genauer gesagt – verbannte Fentanyl schon im Mai 2018. Dort werden aber auch Schusswaffen nicht toleriert.

Es scheint, dass das fragliche Opiat die Darknet-Gemeinschaft vor eine Aufgabe stellt und bei dieser Gelegenheit alle Meinungsfacetten ans Licht kommen. Auf webnews.com erschien zu Weihnachten eine ausgesprochen kritische Anmerkung zum freiwilligen Fentanyl-Verbot. Nach Meinung des Autors würden die Händler weiterhin Vertriebskanäle finden, der Einkauf würde für alle KonsumentInnen risikoreicher werden als für den Verkäufer. Seiner Meinung nach müsse die Opiatkrise statt mit Verboten oder mit der Menschenjagd auf Händler mit allgemeinen medizinischen Vorkehrungen, etwa mit sicheren Konsumräumen, der Behandlung durch SuchtspezialistInnen und Kontrollen der vertriebenen Mittel, zurückgedrängt werden. Der wichtigste Schritt sei die Behandlung der auslösenden Faktoren für den Opiumkonsum, damit möglichst wenige Menschen zu dieser „Selbsttherapie“ greifen.

You can share this: