Schutz der Gesundheit statt Verbot

Medizinisches Cannabis in Spanien

Das Global Drug Policy Observatory (GDPO) veröffentlichte im Juni einen Bericht über die Neuausrichtung der Drogenpolitik in Spanien. Nachfolgend veröffentlichen wir, mit dem Fokus auf medizinisches Cannabis, die wichtigsten Aussagen der Studie, und ziehen Schlussfolgerungen daraus.

Spanien hat schon immer einen Sonderweg in der Drogenfrage verfolgt. Im Gegensatz zu anderen Ländern ging dort die Diskussion über die Regulierung des Freizeitkonsums von Cannabis der Erörterung seiner medizinischen Anwendung voraus. Das hat verschiedene Ursachen: Ausgangspunkt der spanischen Drogenpolitik war nie das Verbot, Ziel war der sichere Konsum. Der Gebrauch illegaler Drogen war auch zu Zeiten der Diktatur Francos keine Straftat, auch wenn man nicht sagen kann, dass die Zentralmacht sich konsequent für eine liberale Drogenpolitik eingesetzt hätte. Einige spanische Provinzen – Katalonien, Andalusien und das Baskenland – waren bereit, juristisch riskante Wege einzuschlagen, um anstelle der Bestrafung die Gesundheit der KonsumentInnen in den Vordergrund zu stellen. Sie gingen bis an die Grenzen des gesetzlich Vertretbaren, und nachdem sich der Erfolg eingestellt hatte, folgte ihnen die Zentralregierung in Madrid.

Auch auf die Heroinwelle in den 1980er-Jahren hatte ein Teil Spaniens nicht mit einer strengen Politik reagiert. In Andalusien etwa wurden den DrogenkonsumentInnen kon-trollierte Räume zur Verfügung gestellt und man experimentierte mit legalem Methadon und Heroin auf Rezept, womit man die Zahl der Todesfälle durch Überdosierung bedeutend senkte und die problematischen KonsumentInnen einer entsprechenden Behandlung zuführte. Dabei nehmen die spanischen Zivilorganisationen eine Spitzenstellung bei risikominimierenden Drogentests ein. Die 1997 gegründete Organisation Energy Control analysiert landesweit von KonsumentInnen eingereichte Proben, um Informationen über die Risiken der auf dem Markt erhältlichen Mittel bereitstellen zu können.

Die weltweit bekannteste Errungenschaft der spanischen Drogenpolitik steht jedoch in Verbindung mit dem Cannabis und bietet eine Alternative zur Legalisierung, die von vielen favorisiert wird. Das Modell der Cannabis Social Clubs (CSC) entstand aus regionalen Initiativen, die anfangs ständig von der Polizei kontrolliert wurden. Erst in den 2000er-Jahren stabilisierte sich das System, sodass die Klubmitglieder sich mit dem gemeinsam gezüchteten Cannabis in der Tasche sicher fühlen konnten. Das Thema des medizinischen Gebrauchs von Cannabis wurde erst zu dieser Zeit stärker diskutiert. Die spanische Bewegung für medizinisches Cannabis hat dem stabilisierten CSC-System viel zu verdanken, denn dank ihm wurde für sie auch der Cannabiskonsum legal. Viele Menschen werden aus medizinischen Gründen Klubmitglieder, damit sie bestimmte Sorten aus kontrolliertem Anbau zur Linderung ihrer Symptome verwenden können. Schließlich führte der Anstieg der Mitgliederzahlen dazu, dass die Regulierung für medizinisches Cannabis auch außerhalb der Clubwelt zum Thema wurde.

Die Anfänge des therapeutischen Gebrauchs in Spanien

Die Organisation katalanischer Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind, die Agatha Group, initiierte im Jahr 2000 Gesprächskreise zur Anwendung von medizinischem Cannabis und brachte eine Gesetzesvorlage im katalanischen Parlament ein. Im Anschluss daran publizierte das spanische Gesundheitsministerium im Jahr 2001 den Bericht des katalanischen Pharmazeutischen Instituts über die Anwendung von Cannabis und seinen Derivaten zum Zweck der Therapie. Da damals nur sehr wenige Fakten zur Verfügung standen, ist diese Publikation heute nicht mehr aktuell, dennoch finden wir in ihr die Wurzeln der spanischen Therapieregulierung. Die Publikation forderte ein experimentelles Programm mit aus Holland importiertem Cannabis, das in der Zwischenzeit zahllose Veränderungen erfahren hat und letzten Endes keine verwertbaren Ergebnisse erbrachte. Das katalanische Gesundheitsministerium startete 2005 ein neues Experimentalprogramm, diesmal nicht mit Cannabisblüten, sondern mit einem aus Öl hergestellten Medikament mit dem Namen Sativex. Das Präparat wurde schließlich 2010 offiziell für die Behandlung von Krämpfen bei Multiple-Sklerose-PatientInnen zugelassen.

Aus den Clubs ins Parlament

Auf die Regulierung, die sich immer weiter verzögerte, wollte ein Teil der PatientInnen nicht mehr warten, sondern sich lieber seine Medikamente im Cannabis Club besorgen. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2012 gaben 6 Prozent der CSC-Mitglieder an, TherapiepatientInnen zu sein. Wenn man bedenkt, dass damals die Clubs bis zu 1.000 Mitglieder haben konnten, verrät die Prozentzahl, wie viele PatientInnen es gibt. Nicht überraschend, dass sich in den vergangenen Jahren weitere Akteure dem Kampf um die Patientenrechte angeschlossen haben. 2015 wurde die OECM (Observatorio Español de Cannabis Medicinal) gegründet, eine Cannabis-Beobachtungsstelle, die nach drei Jahren schon gewaltige Ergebnisse vorweisen kann. Sie veranstaltete erfolgreiche Konferenzen, führte Verhandlungen mit PolitikerInnen und erreichte die Vorlage eines Gesetzes im Kongress. Im Februar letzten Jahres schloss sich die OECM der Partei der Bürgerschaft Ciudadanos an, die eine Vorlage einreichte, die darauf abzielt, dass die Regierung medizinisches Cannabis und seine Derivate für PatientInnen reguliert und leichter zugänglich macht. Der Vorschlag schließt auch den Anbau, die Vertriebspunkte und ein Monitorsystem über die Lebensqualität der Kranken ein.

Die UPRC (Unión de Pacientes por la Regulación del Cannabis) entstand 2017, dem Ruf der PatientInnen folgend, und ist ein weiterer Meilenstein bei der Schaffung eines Modells für medizinisches Cannabis, das sich an den Bedürfnissen der PatientInnen orientiert. (Eine Reihe von Interviews mit Mitgliedern der Organisation begann in der letzten Nummer von Medijuana – der Hrsg.) Nach dem Bericht der GDPO gehen die medizinischen Cannabisprogramme in Katalonien einer leuchtenden Zukunft entgegen. Auf Landesebene gibt der Regulierungsvorschlag von Ciudadanos Anlass zur Hoffnung, dass das katalanische Modell ein Vorbild für ganz Spanien und Europa sein kann.

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