Polak wurde 70

“Seit über 30 Jahren ist in Holland Cannabis frei erhältlich. In dieser Zeit lag der Cannabis-Konsum hier durchweg im Bereich des europäischen Durchschnitts. Meiner Meinung nach ist dies ein eindeutiger Beweis dafür, dass das Cannabis-Verbot unnötig ist. Wenn Erwachsene ihn frei nutzen dürfen und ihr Verbrauch sich auch dann um den allgemeinen Durchschnitt herum bewegt, wozu braucht man dann ein Verbot? Das frag ich schon seit Jahren! Und darauf gibt es keine Antwort!” – diese Frage wurde dem UNOCD (Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung) schon öfter von Frederik Polak, dem holländischen Psychiater gestellt, der damit seine Kritik an der Drogenpolitik und der Passivität der Leiter des Büros zum Ausdruck bringen möchte. Zu seinem siebzigsten Geburtstag erweisen wir ihm – einem der bedeutendsten Drogenpolitiker unserer Zeit – die Ehre, ihn hier im Kurzportrait zu Wort kommen zu lassen.

Eines Tages öffnete ich meine Facebook-Seite, und es erschien das kleine Geschenkpaket mit dem Hinweis: Frederik Polak heute 70 Jahre! Ich gratulierte ihm schnell und wünschte ihm im Namen der Redaktion gute Gesundheit, worauf er antwortete, dass er sich ziemlich gesund und kräftig genug fühle, um weiterhin gegen das Drogenverbot zu kämpfen. Wie zum Beweis seiner Entschlossenheit und Frische erschien wenig später ein Photo von ihm, das ihn am Ende des Saugrohrs einer qualmenden, mannshohen Wasserpfeife zeigt. Ich musste also einsehen, dass der Alte noch immer zu leben versteht.

Eine alte Weisheit besagt, dass man entweder kiffen oder sich als Aktivist betätigen solle, denn wenn man eine Kombination aus beidem betreibt, wird einem allzu schnell vorgeworfen, dass man nur den eigenen Konsum rechtfertigen wolle, und dabei kann man durchaus auch in ein Schlamassel geraten. Aber in Holland existiert dieses Dilemma schon lange nicht mehr, denn hier wird jedem erwachsenen Menschen von Staats wegen die Entscheidung überlassen, Cannabis zu konsumieren oder nicht. Wenn man in Holland lebt, wird einem im Nu klar, dass die Möglichkeit der freien Wahl niemanden in den Drogenkonsum treibt. Daher betont Polak, der eigentlich Psychiatrie studiert hat, schon seit den Siebziger Jahren, dass ein kultivierter Marihuana-Konsum völlig unbedenklich sei; die Gesetze, mit denen Hanffans verfolgt werden sollen, allerdings um so bedenklicher!

Nach seiner Zeit in der Holländischen Stiftung für Drogenpolitik und der Etablierung des Coffeeshop-Systems wandte er sich nun der globalen Gesetzgebung zu. Er wurde zunächst Mitglied und anschließend Präsident der Europäischen Koalition für gerechte und effektive Drogenpolitik (ENCOD), die ihren Sitz in Belgien hat, eine Dachorganisation für rund 150 kleinere internationale Zivilorganisationen. Auf internationaler Ebene wurde er 2008 bekannt, als die TASZ (Gesellschaft für Freiheitsrechte) seinen mündlichen Schlagabtausch mit dem damaligen Vorsitzenden des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNOCD), Antonio Maria Costa, auf einer Videoaufnahme verewigte. Auf der Jahreskonferenz zum Thema Suchtmittel wagte Polak nachzufragen, wie es möglich sei, dass es in Holland nicht mehr Drogenkonsumenten als in den umliegenden Ländern gäbe, wenn doch das Drogenverbot der einzige Weg zur Einschränkung des Drogenkonsums sei? Der auf diese Weise urplötzlich entwaffnete Costa behandelte daraufhin den Fragesteller wie einen Störenfried: Anstatt auf seine Frage zu antworten, ließ er dem holländischen Psychiater einfach das Mikrofon abstellen. Das Video mit dieser Szene machte schon bald seine Runde um die Welt (auf YouTube kursiert es unter dem Titel “Silenced NGO Partner”). Mit diesem Dilemma, das zur Millionen-Dollar-Frage der Drogenpolitik wurde, konfrontieren seither Journalisten und Aktivisten die Leitung des UNO Drogenrats bzw. ihre eigenen Regierungen, jedoch ist es bisher noch niemandem gelungen, eine authentische Antwort zu bekommen – und wahrscheinlich ist das auch kein Zufall. Costa hat sich seitdem pensionieren lassen, und sein Nachfolger wurde der Russe Jurij Fedotov, aber Polak stichelt die Vertreter der UNO weiterhin wie eine aufgestachelte Wespe. Vielleicht gelingt es ihm ja eines Tages, sie aus ihrer drogenfreien, utopischen Traumwelt wachzurütteln. Seine Bemühungen wurden im April diesen Jahres auch vom namhaftesten Magazin der Hanfkultur gewürdigt: Für seinen jahrzehntelangen, konsequenten Einsatz im Kampf um die Reform der Drogenpolitik wurde ihm bei der Eröffnungsfeier des derzeit weltgrößten Hanfmuseums, der Hemp Museum Gallery in Barcelona, der Cannabis Culture 2012 Award verliehen!

Weiterhin gute Gesundheit und erfolgreiche drogenpolitische Arbeit, Mr. Polak!

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