Phytomikrobiom

Was sollen denn bitte die Schwammerl in meinem Blumenkasten?

Keine Sorge, du brauchst jetzt nicht gleich einen Doktor zu machen, um diesen Artikel zu verstehen. Phytomikrobiom beziehungsweise Phytobiom sind komplizierte Begriffe für eine ganz einfache Sache: die Gemeinschaft von Pilzen, Bakterien und Destruenten, die im Wurzelbereich deiner Pflanzen leben.

Ein intaktes Phytobiom unterstützt deine Pflanzen auf unterschiedlichste Weise; hier steht die Wissenschaft erst am Anfang bei der Erforschung der Zusammenhänge zwischen Pflanzen, Pilzen und Bakterien. Die Optimierung des Phytobioms jedoch könnte der Schlüssel zu einer ressourcenorientierten und nachhaltigen Landwirtschaft sein, die den Hunger der Welt im Einklang mit der Natur stillen könnte.

Landwirtschaft, wie sie bei uns größtenteils praktiziert wird, beruht auf Innovationen des 19. und 20. Jahrhunderts und ist schlichtweg veraltet. Optimierte Nährstoffaufnahme, verbesserte Toleranz gegen Hitze und Trockenheit und effektiver Schutz vor Insekten werden bisher von Firmen wie Bayer Agrar und Monsanto garantiert – und erfolgen bisher leider nicht im Einklang mit der Natur.

Seit 650 Millionen Jahren treiben Pflanzen ihre Wurzeln in den Boden, suchen nach symbiontischen Mikroorganismen und schließen mit deren Hilfe Nährstoffe auf. Das haben sie auch schon zu der Zeit gemacht, als der Tyrannosaurus Rex das fieseste Raubtier auf diesem Planeten war, und auch noch, als Jesus über das Wasser lief. Das ist einfach ihr Ding. Seit 650 Millionen Jahren. Sie versorgen diese Mikroorganismen mit den Kohlenhydraten, die sie durch die Photosynthese generieren, und erhalten im Gegenzug Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium, die sie zum Leben brauchen. Diese Beziehung ist als Symbiose bekannt.

Seit den späten 1970er-Jahren wird angenommen, dass man die Nährstoffaufnahme und damit die Performance von Pflanzen verbessern kann, indem man hochreine Mineralsalze in wechselnden Zusammensetzungen in Wasser löst und mit festgelegtem pH-Wert in regelmäßigen Abständen über die Wurzelballen der Pflanzen gießt. Nachdem ich diesem Ansatz selbst über viele Jahre gefolgt war, kam mir der folgende Gedanke:

Schaut man sich die Regionen mit der üppigsten Vegetation auf unserer Erde an, beispielsweise das Amazonasbecken, findet man dort niemanden, der den pH-Wert des Gießwassers korrigiert oder die Zusammensetzung der Nährstoffe auf die jeweilige Lebensphase der Pflanzen anpasst. Hier wird die Nährstoffversorgung durch ein intaktes Ökosystem, eine lebendige Gemeinschaft von Pflanzen, Pilzen, Bakterien und Destruenten (Destruenten) gewährleistet.

Mit dieser Erkenntnis begann ich, meinen Fokus von der individuellen Versorgung meiner Pflanzen mit Nährstoffen hin zur Schaffung optimaler Bedingungen für Pilze und Bakterien, eben für das Phytomikrobiom, zu verlegen. Mein Verständnis der Beziehung von Pflanzen und ihren Symbionten zueinander hat sich seitdem grundlegend geändert. Wenig später kam ich über das Recycling gebrauchter Substrate auf den Gebrauch von Feststoffdüngern und war von Anfang an von den Ergebnissen und insbesondere der Qualität der Früchte überwältigt. Ich arbeitete über mehrere Jahre mit verschiedenen Feststoffdüngern, bis ich schließlich die Rezeptur erarbeitet hatte, die ich heute unter dem Namen FLO vertreibe.

Wie wichtig das Phytobiom für die Versorgung deiner Pflanzen mit Nährstoffen ist, zeigt sich auch darin, dass deine Pflanzen unter optimalen Bedingungen bis zu 25 Prozent ihres Kohlenhydratertrages an das Phytobiom abgeben. Dabei reichern die Pflanzen nicht einfach wahllos das Erdreich mit Kohlenhydraten an, in der Hoffnung, dass sich dabei nur die nützlichen Mikroorganismen vermehren. Vielmehr können sie bestimmte Mikroorganismen gezielt mit Kohlenhydraten anfüttern und so vermehren. Auf der anderen Seite können sie mithilfe von Salizylsäure, einem Phytohormon, eine Art Fieber in bestimmten Wurzelbereichen einleiten und so die dort ansässigen Mikroorganismen abtöten. Deine Pflanzen nehmen somit selbst Einfluss auf die Zusammensetzung ihres jeweiligen Phytobioms und vermehren gezielt diejenigen Mikroorganismen, die auch die Nährstoffe lösen können, die sie gerade benötigen.

Weiterhin schützt das Phytobiom deine Pflanzen vor pathogenen Mikroorganismen und beugt so Bodenkrankheiten vor. Neuere Forschungen zeigen, dass das Phytobiom Pflanzen auch vor Schadinsekten schützt. So beeinflusst es beispielsweise das Saugverhalten von Blattläusen. Verschiedene Pilze und Bakterien, die sogenannten Endophyten, wachsen sogar aus dem Boden in die Pflanzen und bis in die Blattspitzen. Dort verbessern sie die Funktion der Stomata und ermöglichen einen effizienteren Gasaustausch in der Pflanzenepidermis. Andere entomopathogene Pilze befallen und töten von dort aus Schadinsekten und beliefern die Pflanze anschließend auch noch mit den Proteinen (= Stickstoff) der Kadaver. Wie gut ist das denn bitte?

Mykologen (Pilzwissenschafler) betonen immer wieder die herausragende Bedeutung von Pilzen für ein intaktes Phytobiom. Dass ein lebendiger Waldboden zu 30 Prozent aus Myzel, also aus Pilzgewebe, besteht, unterstreicht die immense Bedeutung von Pilzen für das Bodenbiom (die Gemeinschaft von Pilzen und Bakterien).

Auch meiner Erfahrung nach spielen gerade Trichoderma und Mykorrhiza eine Schlüsselrolle für den Erfolg im organischen Anbau. Die Länge des Myzels in einem einzigen Teelöffel voll Erde kann mehr als fünf Kilometer betragen – die Länge der eigentlichen Pflanzenwurzel misst weniger als 20 Zentimeter.

Trichoderma zählen zu den Schimmelpilzen und zersetzen organische Rohstoffe mithilfe von aggressiven Enzymen – dabei handelt es sich um dieselben Enzyme, die als Flüssigprodukte in Haus- und Kleingärten angewendet werden. Bei Mykorrhiza unterscheidet man zwischen denjenigen Arten, deren Myzel ausschließlich außen an der Pflanzenwurzel wachsen, die sogenannten Ektomykorrhiza, und denjenigen Arten, deren Hyphen auch in die Pflanze selbst wachsen, die Endomykorrhiza.

Heute verstehe ich Pflanzen erst dann als vollständige Organismen, wenn sie erfolgreich mit ihren Symbionten verbunden sind. Es ist ein ganzheitliches System: Neben lebendigen Mikroorganismen kommen Regenwürmer und Bodendecker zum Einsatz. Die Regenwürmer lockern ständig den Boden auf und verbinden in ihrem Darm die organischen Reststoffe mit Silikaten zu den wertvollen Ton-Humus-Komplexen.

Typische Bodendecker sind Klee, Luzerne, Lupine und Kamille. Und ja, sie sind auch indoor eine gute Wahl, wobei ich die Verwendung von Klee empfehle. Bestimmt ist dir schon aufgefallen, dass die obersten fünf bis zehn Zentimeter in deinen Pflanztöpfen in der Regel nicht von Wurzeln durchzogen sind – die oberste Erdschicht ist oft hart und bildet die Heimat von Schadinsekten oder Algen. Auch hier schaffen Bodendecker Abhilfe: Sie schützen den Boden vor Erosion, lockern und durchlüften ihn, verringern die Verdunstung und damit den Wasserbedarf und können den Boden zudem mit Stickstoff anreichern. Daher bezeichnet man diese Pflanzen auch als Gründünger.

Um die Bedingungen für das Phytobiom zu optimieren, mische ich 30 Prozent Kokos unter das Substrat und achte sehr darauf, dass es nicht austrocknet. Beim Anbau mit lebendigen Mikroorganismen sollte der Boden außerdem immer etwas feuchter sein als im konventionellen Anbau. Schließlich ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile: Es entsteht eine Gemeinschaft aus Pflanzen, Pilzen, Bakterien, organischen Rohstoffen, Regenwürmern, Springschwänzen und vielem mehr – jetzt habe ich das Gefühl, dass meine Pflanzen endlich zu Hause sind.

Für meinen Garten verwende ich die besten Mikroorganismen, die ich kaufen kann, und hochwertige, naturbelassene Rohstoffe – den Rest überlasse ich den Pflanzen und dem Phytobiom. So können sie wieder tun, was sie seit 650 Millionen Jahren tun – und das können sie gut. Das gebe ich heute 1:1 an meine Kunden weiter, denn der Erfolg meiner Kunden, ist mein Erfolg.

You can share this: