Ofengespräch mit Der Aktivist

„Eine saudumme, wirklich extrem dumme Idee“

Paul Burger ist Cannabisaktivist aus Überzeugung. Der 23-Jährige ist bei NEOS (Das Neue Österreich und Liberales Forum) politisch aktiv und versucht, seinen Teil dazu beizutragen, sich nicht mehr über das Cannabisverbot aufregen zu müssen. Auf seinem YouTube-Kanal „Der Aktivist“ lädt er regelmäßig zu „Ofengesprächen“ und beleuchtet so
unterschiedlichste Aspekte des Cannabis.

Medijuana: Kannst du uns erzählen, wie du zum Cannabisaktivismus gekommen bist?

Paul Burger: Irgendwann nach meinem 18. Geburtstag hatte ich in Amsterdam die Chance, Cannabis zu probieren. Das war quasi der Start: Ich habe mir gedacht, die existierenden Regeln passen irgendwie nicht zu meiner Wahrnehmung der Sache. Der Punkt, an dem es gekippt ist, war, als ich „Kiffen und Kriminalität“ von Andreas Müller gelesen habe. Das ist ein relativ dünnes Buch eigentlich, das mich mit brennender Emotion dazu gebracht hat, zu erkennen, dass es echt problematisch ist, wie es gerade alles läuft. Und ich erwarte von mir, dass ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen, dass es keinen Grund mehr für mich gibt, mich aufzuregen.

MED: Du hast das Projekt „Der Aktivist“ ins Leben gerufen. Erzähle uns bitte, worum es da geht.

PB: Ich habe mir zuerst die Frage gestellt, wie man Aktivist ist – wie setzt man sich dafür ein, dass Cannabis anders reguliert wird als jetzt. Relativ bald kommt dann, dass du einen YouTube-Kanal, eine Facebook-Seite machst, das ist ziemlich naheliegend.

Ausgangspunkt ist, dass es zu wenige wahrheitsgemäße Inhalte über Cannabis gibt. Und wenn ich will, dass die Leute mehr wahrheitsgemäße Inhalte über Cannabis sehen, dann muss die auch irgendwer produzieren, und ich hätte die Fähigkeiten, es zu machen. Und deshalb mach ich es auch.

MED: Also einer der Hauptbereiche sind Videos – du führst Interviews mit Personen, die einen Bezug zum Cannabisthema haben. Wen hast du schon interviewt?

PB: Ich durfte eröffnen mit dem jetzigen NEOS-Wien-Vorsitzenden Christoph Wiederkehr, und ich bin echt happy, dass er der Erste war, der sich den Ofengesprächen gewidmet hat. Er war eine der zentralen Personen bei NEOS, die für den Mitgliederbeschluss verantwortlich sind. Der Beschluss sagt, dass wir einen regulierten Cannabismarkt für Erwachsene wollen. Die zweite Person war Peter Kolba, was mich auch wirklich gefreut hat – ein ganz anderer Blickwinkel auf das Thema, ganz fokussiert auf die medizinische Anwendung. Er hat zu dem Video auch einiges mitgebracht, einen Vaporizer zum Beispiel und CBD-Gras. Die dritte Person hat gebeten, anonym zu bleiben, deswegen nenne ich ihn John Doe. Es geht im Endeffekt um einen jungen Erwachsenen, der etwa vor zwei Jahren outdoor Cannabis angebaut hat und halt irgendwie aufgeflogen ist. Ich wollte aufzeigen, dass Doe jetzt in irgendeiner Statistik ist, aber trotzdem mit beiden Beinen im Leben steht, studiert, kurz vorm Bachelor steht, nebenbei arbeitet, klare Worte hat, sich sammeln kann, eine Geschichte konsequent erzählen kann und einfach ein fähiger Mensch ist, der sein Leben meistert.

Ich hoffe, ich lehne mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster und nehme den Mann beim Wort: Im zweiten Quartal 2019 darf ich einen erst kürzlich zurückgetretenen Spitzenpolitiker zu einem Ofengespräch einladen.

MED: Wie beurteilst du die Cannabisthematik innerhalb der NEOS, also wie stehen die Mitglieder bzw. Politiker dazu, zumal ja der Cannabisbeschluss vorliegt?

PB: Also ich bin ja sowohl bei JUNOS, der Jugendorganisation, als auch bei NEOS aktiv. Bei NEOS ist es so, der Beschluss damals, das war nicht so, dass alle den wollten, aber es ist eine demokratische Partei und es gab einen demokratischen Beschluss auf der Mitgliederversammlung. Damals war das halt ein bisschen überrumpelnd, auf einmal stand das im Parteiprogramm der NEOS, das hat eigentlich niemand wirklich erwartet.

MED: Es gab ja auch ein entsprechendes Medienecho.

PB: Darauf war keiner vorbereitet, denn das ist schon ein Thema, das du auch proaktiv kommunizieren musst, und das ist halt nicht passiert. Dadurch haben sie ein ziemlich negatives Medienecho kassiert, anstatt diese Negativwelle auszunutzen für die Möglichkeit, wirklich gute Sachen rauszutragen, auch außerhalb des Cannabisthemas. Das ist halt nicht passiert. Ich glaube, das steckt vielen noch in den Knochen: „Wir haben das schon mal gemacht, haben wir versucht, ist schiefgegangen.“ Aber die meisten guten Sachen, die du machst, sind davor mal schiefgegangen. Also es gibt ein paar NEOS-Mitglieder, auch in höheren Positionen, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie wissen, dass das Thema wichtig ist, die aber sagen, dass es andere Prioritäten gebe – was ich auch verstehen kann, aber auf der anderen Seite haben wir einen Innenminister, der Pflanzen und Samen verbieten will. Wo ist das also gerade Thema, wenn nicht in Österreich? Mir fehlt da einfach die proaktive Kommunikation dieses Themas bei den NEOS.

Ich habe letztens Claudia Gamon (Anm: Nationalratsabgeordnete) bei einem JUNOS-Treffen auf das Thema angesprochen. Sie sagte: „Wir haben Umfragen vorliegen, die sagen, wir verlieren mit dem Thema mehr Wähler, als wir gewinnen.“ Ich verstehe das im Prinzip schon: Du musst Wählerstimmen bekommen, sonst kannst du nichts machen, wenn du rausfliegst aus dem Parlament. Diese Annahme ist für NEOS ja nicht absurd, ich hoffe nicht, dass es passiert, und glaube auch nicht, dass es passiert. Wenn ich mir die FDP in Deutschland anschaue, die unsere Schwesterpartei ist, von der wir uns einiges abschauen und die sich von uns einiges abschaut – die kommunizieren das auch proaktiv und sehr erfolgreich, meiner Meinung nach.

MED: Wie schätzt du die Situation in Österreich ein, vor allem in Hinblick auf die Ankündigung eines Verbots von Stecklingen und Samen sowie einer Strafrechtsreform?

PB: Vorab, ich finde es eine saudumme Idee, eine wirklich extrem dumme Idee. Wenn ich Samen und Stecklinge verbiete, werden sie halt online bestellt. Sie haben was Schlechtes vor, und nicht mal das schaffen sie, also versagt die Verbotspolitik auf kompletter Linie. Und wie wird’s weitergehen? Es könnte halt diese Jeff-Sessions-Route eingeschlagen werden, wo Kickl Gras zum Riesenproblem erklärt und damit aber die Pro-Cannabis-Kräfte richtig provoziert, ähnlich wie es in Amerika passiert ist, meiner Meinung nach hat das die Szene total geboosted, dass Jeff Sessions da so massiv auch verbal gegen Cannabis vorgegangen ist. Dann gäbe es das Szenario, dass sich die Regierung auflöst, das kann passieren, bevor irgendwas anderes passiert. Diese Annahme ist, finde ich, nicht absurd. Und was so richtig österreichisch wäre: eine Verfassungsgerichtshofentscheidung. Die „Ehe für alle“ wurde ja auch über den Verfassungsgerichtshof geöffnet, da geht es ja im Endeffekt um persönliche Freiheit. Es ist meine Sache, was ich mit meinem Körper mache, solange ich Dritten nicht signifikanten Schaden zufüge.

Auch bei Cannabis kann man so argumentieren, da gibt es Richter Müller, der explizit auf der Cannabis-Normal-Konferenz vorgeschlagen hat, diese Verfassungsklage vor dem Verfassungsgericht anzustreben. Es ist ein zu starker Eingriff in die Privatsphäre, wenn du einem Menschen verbietest, zu Hause eine Pflanze anzubauen, die Blüten dieser Pflanze zu konsumieren und dann halt den Rausch zu erleben. Das reicht einfach nicht, um strafrechtlich gegen einen Menschen vorzugehen, und das wäre noch ein Weg.

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