Mit Gras runterkommen

Die Verbreitung von therapeutischem Marihuana hat dazu geführt, dass in mehreren US-Bundesstaaten sehr viele Menschen von opiathaltigen Medikamenten auf Cannabis umsteigen und dadurch die Anzahl der Todesfälle durch Überdosierungen sinkt. Kein Wunder, dass mittlerweile schon in Kliniken mit der Umstellung von Heroin bzw. Kokain auf Cannabis experimentiert wird.

Joe Shrank, Leiter des Rehabilitationsinstituts Los Angeles High Sobriety, sagt, dass die meisten MedizinerInnen von einer Reha vollkommene Abstinenz erwarteten und daher eine Therapie mit Cannabis mit Skepsis betrachteten. Shrank denkt jedoch an Schadensminimierung, wenn er sagt, man müsse beachten, dass Cannabis bei der Schmerzstillung und der Behandlung anderer medizinischer Probleme hilfreich ist, außerdem Entzugserscheinungen verringert und der Abhängigkeit entgegenwirkt. Außerdem gebe es hier keine tödliche Dosis im Gegensatz zu stärkeren Mitteln. In der High Sobriety Reha werden 50 Personen behandelt, die positiv auf die Therapie ansprechen, es ist jedoch Ansichtssache, ob sie aufgrund der Therapie mit Cannabis als geheilt betrachtet werden können.

Von wissenschaftlichen Ergebnissen ausgehend scheint die Cannabisanwendung in der Abhängigkeitsbehandlung immer akzeptierter zu sein. Untersuchungsleiterin Yasmin Hurd vom Institut für Suchtkrankheiten an der Pharmazeutischen Schule Mount Sinai zeigt in ihrer Studie auf, dass CBD (Cannabidiol) die Schädigungen durch Opiate ausgleicht, zum Beispiel solche durch Heroin bei der Glutamatreizübertragung im Nervensystem. Hurd glaubt deshalb, dass CBD einen Platz in der Behandlung von Opiatabhängigkeit verdient hat; ähnliche Untersuchungen belegen Gleiches bei Kokain.

Die wenigen gegenwärtig zur Verfügung stehenden Daten über die Behandlung bei Crack- (rauchbares Kokain, Kokainbase) und Kokainabhängigkeit sind vielversprechend. Der Forscher Michael-John Milloy von der British Columbia University in Vancouver leitete eine Untersuchung, welche die Daten von drei Langzeitanalysen aufarbeitete. Die Forschung bezog insgesamt 3.000 DrogenkonsumentInnen ein, die Angaben über ihren Gebrauch machten. Insbesondere 122 von ihnen, die versucht hatten, mithilfe von Cannabis den  Konsum aufzugeben, widmeten sich Milloy und sein Team. Bei der Durchsicht der Daten aus einem Zeitraum von 30 Monaten stellten die ForscherInnen fest, dass 89 Prozent der Untersuchungsgruppe ihren Crackkonsum verringert hatten und stattdessen Cannabis konsumierten. Marihuana half ihnen schließlich, den Gebrauch vollkommen einzustellen und nicht rückfällig zu werden. Da es sich nicht um klinische Untersuchungen handelt, kann man nicht eindeutig einen Kausalzusammenhang belegen, zudem geben die Erhebungen keinen Aufschluss über die konsumierte Menge von Cannabis und die Konsummethode. Dennoch spricht Nora Volkow vom amerikanischen internationalen Institut gegen den Drogenmissbrauch der Untersuchung eine große Bedeutung zu. Eine wirkungsvolle Behandlungsmethode gegen Crack- und Kokainabhängigkeit sei ein Fortschritt, da es gegenwärtig keine probate medizinische Therapie gebe, wie zum Beispiel bei Heroin. Milloy plant nun klinische Untersuchungen mit CrackkonsumentInnen, bei denen eine Gruppe Placebos bekommen soll, die andere Gruppe Cannabis mit geringem THC-Gehalt, das keine Euphorie hervorruft. Vielleicht zeigt sich dann, dass CBD der wichtigste Bestandteil bei der Behandlung der Abhängigkeit ist. Nora Volkow sagte, aufgrund der Tierversuche habe man herausgefunden, dass Cannabidiol die geeignetste Komponente ist, da sie die Verbindung zum Belohnungszentrum des Gehirns herstellt und das Belohnungsgefühl beim Drogenkonsum verringert. Wenn das auch beim Menschen funktioniert, dann werden wir noch viel von Cannabis hören – als Medikament gegen das Verlangen nach Kokain.

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