Mit der Muttermilch aufgesogen

Es gibt nichts Selbstverständlicheres, als dass ein Baby alle drei Stunden aufwacht, um lauthals die nächste Ration Muttermilch zu fordern, um anschließend wieder selig einzuschlummern. Kommt uns dieser Mechanismus nicht irgendwie bekannt vor? Ja, richtig, die Muttermilch ist tatsächlich reich an Cannabinoiden, die den Saugreflex anspornen, appetitanregend wirken und sogar zur angemessenen Funktion des Immunsystems beitragen.

 

Obwohl dies in wissenschaftlichen Kreisen schon seit Jahren bekannt ist, mag es für die Gesellschaft doch wie eine befremdliche Neuigkeit wirken, dass in der Muttermilch zahlreiche, auch im Marihuana vorkommende Cannabinoide enthalten sind, die für die Entwicklung des Kindes eine entscheidende Rolle spielen. Im menschlichen Körper gibt es zwei Arten von Cannabinoid-Rezeptoren: CB1 kommt in erster Linie im Gehirn, CB2 vor allem im gesamten Immunsystem vor. Die Aktivierung dieser Rezeptoren sowohl durch Muttermilch als auch durch Marihuana – allerdings nicht ihre Überreizung durch gewisse synthetische Cannabinoide! – bietet dem Immunsystem und dem Gehirn Schutz, lindert Schmerzen und wirkt entzündungshemmend. Schon als Neugeborene verfügen wir über diese Rezeptoren, daher spielt der Cannabinoid-Gehalt der Muttermilch eine entscheidende Rolle für die angemessene Entwicklung des Zell- und Immunschutzes, damit sich der Organismus später erfolgreich gegen Krankheiten und Krankheitserreger zur Wehr setzen kann. Und ähnlich wie beim Rauchen eines Joints, bei dem wir auf einmal ein Hungergefühl verspüren, entsteht durch die mit der Muttermilch aufgesogenen Cannabinoide ebenfalls ein Hungergefühl, das dem Säugling dazu verhilft, ein regelmäßiges Saugbedürfnis zu entwickeln und daher indirekt zu seinem Wachstum und seiner Gewichtszunahme beizutragen. Die Entdeckung dieses Phänomens ist aus ärztlicher Sicht auch deswegen spannend, weil es in Zukunft zur Aufklärung von Wachstumsstörungen, die nicht organisch bedingt sind, beitragen kann. Außerdem kann das Marihuana aufgrund dieser Tatsachen in einem neuen Bereich in die Dienste der Medizin gestellt werden. So bleibt‘s also dabei: Mutter(milch) gibt’s nur einmal.

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