„Mir drohten 15 Jahre Haft“

Jakub Gajewski von der NGO „Wolne Konopie“

Jakub Gajewski ist seit rund 15 Jahren Cannabisaktivist in Polen. Er hat uns erzählt, wie er dazu gekommen ist, wie die Repression im Laufe der Zeit zunahm und warum das neue Verschreibungssystem (noch) nicht gut funktioniert.

 

Medijuana: Wie und wann bist du zum Cannabisaktivismus gekommen?

Jakub Gajewski: Ich beschäftige mich mit der Cannabislegalisierung seit 2004 – damals wurde ein Freund von der Polizei verhaftet und wendete im Zuge dessen auch Gewalt an. Einige Zeit später passierte mir Dasselbe. Aber es gibt auch noch andere Gründe. Im Jahr 2000, nach einer zweiten Gesetzesänderung, nahm die Prohibition in Polen richtig Fahrt auf. Tag für Tag wurden normale Leute immer mehr kriminalisiert. Die Repression von politischer Seite nahm zu – einige dachten wohl, wenn sie rigoros gegen Cannabis aufträten, könnten sie Wählerstimmen einwerben. Auch die Polizei wurde immer aggressiver. Cannabiskonsumenten wurden zu Beginn der 2000er Jahre ganz unten in der Gesellschaft verortet. Das waren die „dunklen Zeiten“ für polnische Grasraucher. Mittlerweile ändert sich das aber wieder zum Guten. Unsere Stimme ist wichtiger denn je für die Leute.

MED: Du sagst „eure Stimme“ – damit meinst du die NGO „Wolne Konopie“. Was genau sind eure Ziele, was habt ihr bisher erreicht?

JG: Eines unserer Hauptziele ist die Verteidigung von Menschen vor Gericht. Auf diesem Gebiet haben wir einige Erfolge erzielen können und wir hatten auch medienwirksame Fälle mit Patienten. Ein weiteres Anliegen ist das Erarbeiten einer „Drug Policy“. Wir haben Gesetzesentwürfe eingebracht (das bekannteste ist das jetzt in Kraft getretene Cannabismedizingesetz, da haben wir aber unter dem Namen „Koalition für medizinisches Marihuana“ agiert). Darüber hinaus bieten wir Kurse an, übersetzen Bücher und Studien, Leitfäden und Broschüren. Wir haben auch schon viele Aktionen durchgeführt, einige davon wurden mehr oder weniger kontrovers diskutiert: beispielsweise einen Joint vorm Parlament rauchen oder dem Premierminister einen Hasch-Kuchen übergeben; wir haben ihm auch schon Buds übergeben. Wir haben Pakete mit Cannabis an verschiedene Parlamentsabgeordnete verschickt und eine Reihe anderer Aktionen durchgeführt.

Unser größter Erfolg war bestimmt der Fall eines Patienten, der sich mit unserer Hilfe an den Verfassungsgerichtshof wendete. Durch diesen Fall hat das Verfassungsgericht empfohlen, dass Cannabis als Medizin in Polen reguliert werden soll. Wir haben den politischen Parteien dabei geholfen, auch um es „mainstreamfähig“ zu machen. Ab da lag unser Fokus auf medizinischem Cannabis. Wir haben Patienten geholfen, Ärzte auf dem Gebiet der Cannabismedizin weitergebildet, verschiedene Konferenzen mitorganisiert, zum Beispiel „Konopie w teorii i praktyce – Cannabis in Theorie und Praxis“ sowie Messen wie die Kanaba Fair. Es gibt trotzdem noch viel zu tun und wir nutzen alle unsere Ressourcen, um Cannabis in Polen zu legalisieren.

MED: Du bist ja, wie erwähnt, schon mit dem Gesetz in Konflikt gekommen – was genau ist passiert?

JG: Alle von uns hatten schon Probleme, bei uns in der Organisation hat niemand ein sauberes Führungszeugnis. Ich hatte öfter Probleme wegen kleiner Mengen zum Eigenbedarf, aber ein Mal – und das half der polnischen Bevölkerung, die Augen zu öffnen – wurde ich mit einer großen Menge Cannabisöl erwischt, welches ich als Medikament für meinen Vater und meine Mutter sowie ein paar weitere Patienten geschmuggelt hatte. Ich wurde eingesperrt, aber ich war bestimmt der Erste in Polen, der für so eine Menge nur drei Tage im Gefängnis war. Mir drohten 15 Jahre Haft, aber viele bekannte Persönlichkeiten haben öffentlich ihre Unterstützung ausgedrückt, wie zum Beispiel der ehemalige Präsident Kwaśniewski, der bekannte Priester Jan Kaczkowski und der ehemalige Gesundheitsminister Marek Balicki. Das Gericht verurteilte mich zu zwei Jahren, mit einer Bewährungszeit von fünf Jahren und einer Geldstrafe. Der Richter meinte, dass ich ein Guter sei, aber das Gesetz nunmal so sei und er mich nicht mit einer Verwarnung gehen lassen könne. In diesem Jahr wird mich der Präsident vielleicht begnadigen, ich warte auf seine Entscheidung.

MED: Verwendest du Cannabis als Medizin?

JG: Ja, ich verwende Cannabis, seit ich 16 bin. Aber erst seit einigen Jahren weiß ich, dass ich es eigentlich medizinisch anwende. Ich verwende es gegen PTSD sowie zervikale und Lendenschmerzen. Meine Schmerzen resultieren aus exzessivem Snowboarden.

MED: Wie funktioniert das neue System zur Verschreibung von Cannabis? Wie schwer bzw. einfach ist es, ein Rezept für medizinisches Cannabis zu bekommen?

JG: Wir stehen ganz am Anfang und das System funktioniert eigentlich gut, aber im Moment nur für eine kleine Anzahl an Patienten in größeren Städten. Die Problemstellungen sind unter anderem das fehlende Wissen der Ärzte und Apotheker, die brauchen auf dem Gebiet mehr Weiterbildung. Auch ist der Preis für Cannabis in der Apotheke viel zu hoch, es kostet das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zum Schwarzmarkt.

MED: Übernimmt die Sozialversicherung die Kosten?

JG: Nein, im Gesetz wurde festgehalten, dass Cannabismedizin nicht refundiert werden kann. Die Patienten müssen alles aus ihrer eigenen Tasche bezahlen. Wir versuchen das zu ändern und lobbyieren für eine Änderung. Ich denke aber, das wird erst in der Zukunft passieren, nach einem Machtwechsel an der Regierung.

MED: Was wird die Zukunft noch bringen?

JG: Ich denke, dass es in Zukunft besser wird – besser, als ich noch vor einigen Jahren dachte. Internationale Organisationen wie die WHO und die UN oder die EU ändern langsam ihre Meinung, Cannabis wird sogar umgestuft (UN). Polen wird noch immer von Politikern„ alten Schlages“ regiert, aber immer mehr junge und weltoffene Menschen haben auch was zu sagen. Ich denke aber dennoch, dass Polen das letzte Land in der EU sein wird, in dem Cannabis legalisiert wird. Aber wir arbeiten daran.

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