Mikrodosing

Heilung ohne Bewusstseinstrübung

Weniger ist oft mehr, egal ob es um Vergnügen oder eine wirksame Heilung geht. Die niedrigste Dosis für Cannabis zu finden, ist sehr wichtig, da sich viele PatientInnen ohne Bewusstseinstrübung heilen möchten. Für sie wurde die Kunst der Mikrodosierung erfunden.

Die im Englischen als Microdosing bekannte Technik wurde hauptsächlich im Zusammenhang mit Psychedelika bekannt. In den frühen 2010er Jahren wurde der Konsum geringer Dosen von LSD und halluzinogenen Pilzen – ein Zehntel oder ein Zwanzigstel der im Freizeitkonsum üblichen Menge – in kreativen Berufen und im Management populär. Berichten zufolge führt eine solche Menge zu keiner spürbaren Bewusstseinsveränderung, sondern macht die Person nur konzentrierter und kreativer. Manche haben sich direkt auf den täglichen Konsum von 10 bis 20 Mikrogramm LSD statt des Morgenkaffees umgestellt und berichteten, dass die Wirkung der des Koffeins ähnele, aber stärker sei. Mikrodosierung gibt es auch bei CannabiskonsumentInnen, sie ist jedoch im medizinischen Einsatz populär geworden: Das Hauptziel dieser Art des Konsums besteht darin, es PatientInnen zu ermöglichen, ohne signifikante bewusstseinsverändernde Wirkungen in den Genuss der gesundheitlichen Vorteile von THC und anderen Cannabinoiden zu kommen.

Feinabstimmung für den gewünschten Effekt

Tatsächlich ist die Mikrodosis für CannabispatientInnen nichts anderes als das, was der Arzt am Beginn der Behandlung zu kalibrieren versucht: die kleinstmögliche Menge, welche bereits die gewünschte medizinische Wirkung hervorruft. Abgesehen davon, dass die PatientInnen Geld sparen, ermöglicht sie die Reduktion der psychoaktiven Effekte und bietet bei vielen Symptomen auch aktivere Tage. Wie hoch genau diese Dosis ist, hängt vom Körper, den psychischen Eigenschaften, der Toleranz und dem Ziel des Konsums ab. Michelle Ross, Gründerin von IMPACT, einer gemeinnützigen Forschungsorganisation für CannabispatientInnen, empfiehlt eine Anfangsdosis von 2,5 mg THC. Es ist ratsam, dies drei Tage lang einzuhalten und gegebenenfalls um jeweils 1 Milligramm zu erhöhen, bis sich der gewünschte Effekt einstellt. War man damit erfolgreich und die Wirkung hält vier Tage an, ist keine weitere Dosiserhöhung erforderlich. Regelmäßiger Cannabiskonsum kann sowohl bei PatientInnen als auch bei FreizeitkonsumentInnen zu Toleranz führen. Daher ist es ratsam, ein paar Tage ohne Cannabis einzulegen, bevor mit der Mikrodosistherapie begonnen wird.

Bei welche Konsummethoden wirkt Mikrodosing?

Unabhängig von der Darreichungsform des Arzneimittels müssen wir immer den genauen THC-Gehalt kennen – und es schadet auch nicht, zudem über die Anteile anderer Cannabinoide informiert zu sein. Rauchen ist für Mikrodosing eine äußerst ineffektive Methode, da schätzungsweise nur 20–40 % der Wirkstoffe inhaliert werden, der Rest wird durch die Hitze zerstört oder geht am Ende in Rauch auf. Das Ergebnis ist bei einem Vaporisator etwas besser, da hier die Ausbeute mit etwa 35–55 % höher ist und wir durch Einstellen der geeigneten Temperatur steuern können, welches Cannabinoid dominiert. Dies ist jedoch noch weit von einer genauen Dosierung entfernt, weshalb es sich lohnt, sowohl für die Verbindung als auch für den Verdampfer das Prinzip „immer einen Zug nach dem anderen“ zu befolgen. Dies bedeutet, während der Erprobungsphase nach jedem Zug etwa fünf Minuten zu warten und die Wirkung zu beobachten. Bei der geringsten Wirkung stoppt man und prüft, ob diese ausreicht, die Symptome zu reduzieren. Es ist vorteilhaft, in einem Staat zu leben, in dem verschiedene Konzentrate – aufs Milligramm genau bemessen – verfügbar sind oder auch Schokolade und andere mit Cannabinoiden angereicherte Lebensmittel erhältlich sind. Obwohl die Absorption nicht vollständig wirksam ist, wenn sie sublingual oder durch den Magen erfolgt, kann die Menge an THC und CBD viel genauer gesteuert und falls nötig in kleinen Schritten verringert oder erhöht werden. Bei Ölen, Lebensmitteln und Extrakten ist Geduld besonders wichtig, da es abhängig von unserem Organismus und den Lebensmitteln, die wir vorher verzehrt haben, bis zu zwei Stunden dauern kann, bis die Wirkung eintritt. Ein typischer Fehler ist es, vorzeitig eine weitere Dosis zu sich zu nehmen, was dann zu einer Verdoppelung des beabsichtigten Effekts führt. Wenn das in der Mikrodosis zugesetzte Öl oder Lebensmittel keine Wirkung zeigt, kann man es später am Tag mit einer leicht erhöhten Dosis erneut versuchen.

Bei welchen Krankheiten ist eine Mikrodosierung möglich?

Bei allen Symptomen und Krankheiten, die keine großen Mengen an Cannabinoiden erfordern, kommt Mikrodosing infrage. Vor allem aber sollte man es bei Symptomen erwägen, bei denen hohe Dosen unerwünschte Wirkungen haben können. Der Konsum von mehr THC kann neben dem High-Gefühl Konzentrationsstörungen, Verwirrung und Angstzustände verursachen, sodass die Mikrodosierung beispielsweise bei Depressionen und Angstzuständen besonders vorteilhaft sein kann. Eine Studie mit synthetischem THC ergab, dass die niedrigste Dosis die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) am wirksamsten reduziert und sich auch bei der Behandlung von durch die Krankheit verursachter Schlaflosigkeit, Albträumen und Schmerzen bewährt. Die gleichzeitige Anwendung von CBD mit THC im Verhältnis 1 : 1 kann in Betracht gezogen werden, wenn niedrige Dosen angewandt und der bewusstseinsverändernde Effekt minimiert werden sollen. Mehrere Studien haben sich mit der Verwendung von Nabiximolen beschäftigt – einer Verbindung, die ungefähr gleiche Mengen an THC und CBD enthält. In einem dieser Untersuchungen erwies sich die niedrigste Dosis als die wirksamste bei der Behandlung der vom Krebs verursachten Schmerzen. Die Studien legen nahe, dass CBD besonders wirksam bei Epilepsie, Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Multipler Sklerose und dem Reizdarmsyndrom (IBD) sein kann. Bei diesen Krankheiten ist es ratsam, es ausschließlich mit CBD zu versuchen. Wenn sich die erwünschte Wirkung bei mehreren verschiedenen Dosen nicht einstellt, kann man es mit der Zugabe gleicher oder geringerer Mengen an THC versuchen.

Mikrodosing beim Freizeitkonsum?

Viele mögen glauben, dass diese Frage unsinnig ist und dass man sich mit dieser Methode um das Wesentliche bringt, aber nach ärztlichen Beobachtungen und persönlichen Berichten kann die Verwendung niedriger Dosen für Cannabis sensibler machen. Wenn wir also nach einer mehr oder weniger langen Pause mit niedrigeren Dosen beginnen, können wir eine angenehme Überraschung erleben. Tierversuche haben gezeigt, dass niedrig dosiertes THC die Produktion und Freisetzung von Endocannabinoiden an den Rezeptoren erhöht. Und ein Endocannabinoid-System, das durch eine niedrige THC-Aufnahme sensibilisiert ist, kann bei der Reaktion auf Krankheiten und Stress vorteilhaft sein. Das Experimentieren mit einer kleinen Menge kann auch dabei helfen, die optimale Dosis zu finden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei jemandem, der regelmäßig immer mehr konsumiert als er wirklich benötigt, durch die Reduzierung unerwünschte Nebenwirkungen auf einen Schlag beseitigt werden. Und denjenigen, die noch keine Erfahrung mit Cannabis haben – weder medizinisch noch therapeutisch – wird definitiv empfohlen, mit einer geringen Menge zu beginnen und diese langsam und schrittweise zu erhöhen. Die „Hauruckmethode“ kann nicht nur zu unangenehmen Erfahrungen führen, sondern einen auch um die schönen Erfahrungen bringen, die man mit Cannabis machen kann.

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