Medizinisches Cannabis in Österreich

Vier von sechs Parteien können sich Legalisierung vorstellen

Bei den österreichischen Parteien setzt nach der Legalisierung von Cannabis auch als Genussmittel im US-Bundesstaat Colorado und in Uruguay ein Umdenken zur Legalisierung von medizinischem Cannabis ein.

Eine Anfrage der ARGE Cannabis als Medizin (CaM), Partnerverein des Österreichischen Hanfverbands, an FPÖ, ÖVP, die Grünen und das Team Stronach wurde von allen vier Parteien im Ansatz generell positiv beantwortet. Keine Stellungnahme gab es von der SPÖ, womit das Thema beim österreichischen Koalitionsführer weiterhin unberücksichtigt bleibt. Die seit Oktober 2013 ebenfalls im Parlament vertretenen Neos haben weiterhin keine Position zu medizinischem Cannabis, wobei aber zu hoffen ist, dass die Partei nach der kürzlichen Fusion mit dem Liberalen Forum dessen Position einer generellen Entkriminalisierung von Cannabis übernehmen wird.

Damit bewegt sich beim Thema “medizinisches Cannabis” in Österreich mehr als bei allen anderen wichtigen innenpolitischen Themen. Besonders bemerkenswert ist der rasche Umschwung bei der FPÖ und der ÖVP. Beide Parteien hatten noch im September bei einer Umfrage des ÖHV vor den Parlamentswahlen keinerlei Bereitschaft signalisiert, von ihrer Prohibitons-Position abzuweichen. Nun sieht die FPÖ Cannabis offenbar nicht mehr als Einstiegdroge für andere Substanzen. Bei der ÖVP ist man immerhin soweit, das Thema den Experten erneut zur Überprüfung vorzulegen.

Hier die Stellungnahmen der Parteien im Wortlaut:

 

FPÖ erkennt Stellenwert von medizinischem Cannabis an

Die FPÖ ist gegen die Freigabe “weicher” Drogen, erkennt aber das Faktum an, “dass Cannabis im medizinischen Einsatz einen nicht unerheblichen Stellenwert hat”. Sie will diesen Themenkomplex mit ihren Mitgliedern im Gesundheitsausschuss “offen diskutieren und [ist] für eine Neuregelung im Sinne der Patienten offen.”

 

ÖVP will breiten Konsens

Das Regierungsprogramm der ÖVP enthält keine Vorhaben in die Richtung, natürliches Cannabis in Apotheken nach ärztlicher Verschreibung abzugeben.

Des Weiteren heißt es aber in der Stellungnahme, dass “die Frage der Legalisierung von natürlichem Cannabis für medizinische Zwecke – mit bzw. auch ohne ausdrückliche ärztliche Verschreibung – erst dann auf politischer Ebene behandelt werden kann, wenn die Beratung der medizinischen Expert/innen für den Umgang mit psychoaktiven Substanzen zu einem breiten Konsens in der Sache geführt haben.” Bis dahin besteht für die ÖVP kein politischer Aufklärungs- oder Handlungsbedarf.

 

Grüne für Legalisierung

Die Grünen wollen Cannabis für medizinische Zwecke legalisieren:

“Die medizinische Anwendung von natürlichem Cannabis als Medikament muss wissenschaftlich erforscht und evaluiert werden, wie bei synthetischen Substanzen auch. Dies wollen wir ebenfalls fördern, da zu befürchten ist, dass privatwirtschaftlich agierende Pharmafirmen nur wenig Interesse an der Aufbereitung von natürlichem Cannabis haben.”

 

ÖHV erfreut über den raschen Umschwung

ÖHV-Sprecher Toni Straka sagte dazu: “Seit dem 1. Jänner 2014 hat die Stimmung zu Cannabis, dem ältesten Heilmittel der Menschheit mit 5.000 Jahren dokumentierter Anwendung, offenbar in allen politischen Lagern in Österreich massiv umgeschlagen. Bei der letzten Umfrage des ÖHV mit Legalize Österreich im Vorwahl-September 2013 hatten sich FPÖ und ÖVP noch dezidiert gegen eine Legalisierung von medizinischem Cannabis ausgesprochen. Damit verbleibt jetzt nur noch die SPÖ, wo das Thema weiter auf die lange Bank geschoben wird. Das Cannabis-Rad muss übrigens nicht neu erfunden werden. In den USA gibt es mittlerweile tausende Studien zur Wirksamkeit von Hanf als Heilmittel.”

Das breite Umdenken in der österreichischen Politik stimmt froh, weil damit theoretisch eine Mehrheit im Parlament für die Legalisierung von medizinischem Cannabis nach einem Jahr Lobbyarbeit des ÖHV erreicht ist.

 

Team Stronach für Cannabis auf Rezept

Das Team Stronach ist für die medizinische Verschreibung bei Indikation und gegen den Alltagskonsum.

 

Zunehmendes Interesse bei Kranken

Doch medizinisches Cannabis findet nicht nur in der Politik ein steigendes Interesse. Auch beim ÖHV häufen sich die Anfragen dazu. Jeder uns bekannte Fall stellt ein tragisches Schicksal dar. Leider dürfen wir die wichtigste Frage – die uns jüngst wieder von einer 65-jährigen Krebs-Patientin gestellt wurde – nicht helfend beantworten: Wo man denn medizinisches Cannabis – und insbesondere das von Krebs-Patienten nachgefragte Cannabis-Öl – bekommen kann. “Aufgrund der geltenden Rechtslage würde sich der ÖHV hiermit der Beitragstäterschaft zum Erwerb von immer noch illegalisiertem Cannabis schuldig machen”, sagte der Wiener Rechtsanwalt und Suchtmittelgesetz-Experte Gottfried Hudl dazu.

 

Neue Altersgruppen entdecken Cannabis

Großes Interesse für Cannabis als Medizin ist laut Straka vor allem in den Altersgruppen der über 50-Jährigen festzustellen. Diese Menschen nähern sich dem grünen Kraut auch dank der wachsenden Berichterstattung in den österreichischen Medien an.

Seit 1. Januar scheint die Stimmung zu Cannabis als Heil- und Genussmittel in Österreich wie auf Knopfdruck umgeschlagen zu haben. Selbst konservative Medien wie Die Presse titeln jetzt Schlagzeilen wie “Hanf wird als Heilpflanze salonfähig”, und das meinungsbildende Nachrichtenmagazin profil rief nach der Legalisierung in Colorado in einem Kommentar das Jahr 2014 gar zum “Jahr des Joints” aus.
36 Prozent für Legalisierung

Dies macht Hoffnung, dass der Anteil jener Österreicher/innen, die Cannabis legalisieren wollen, weiter zulegt. Eine Umfrage des profil im Januar ergab 36 Prozent Zustimmung für die Gleichstellung von Cannabis mit den legalen Drogen Alkohol und Nikotin.

Noch stärker ist die Zustimmung zur primären Forderung des ÖHV, der sofortigen Entkriminalisierung von Patient/innen, die sich selbst mit Cannabis behandeln. In Internet-Umfragen des ORF in einigen Bundesländern sprachen sich jeweils zwischen 70 und 80 Prozent der Teilnehmer/innen dafür aus.

Wir haben daher berechtigte Hoffnungen, dass sich die Politik dieses Themas auch dank unserer fortgesetzten Lobbyarbeit in positiver Weise annehmen wird. Es würde den rund eine Million österreichischen Cannabis-Konsument/innen und Wähler/innen wieder einmal etwas erlauben und zugleich neue Einnahmequellen für den prekären Staatshaushalt eröffnen.

E-Mail: office@hanfverband.at

Internet: www.hanfverband.at

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