Liste Peter Pilz setzt sich für leichteren Zugang zu Cannabis ein

Dr. Peter Kolba, vielen Menschen in Österreich als Konsumentenschützer bekannt, kandidiert bei der Nationalratswahl am 15. Oktober für die Liste Peter Pilz. Eines seiner Anliegen ist Cannabis in der Medizin. Wir haben uns mit ihm über seine Erfahrungen als Patient und seine Forderungen als Politiker unterhalten.

Medijuana: Sie sind vielen Menschen in Österreich durch ihre ehemalige Tätigkeit beim Verein für Konsumenteninformation bekannt. Für diejenigen, die Sie nicht kennen, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Peter Kolba: Ich bin Jurist und war 26 Jahre lang Leiter des Bereichs Recht im Verein für Konsumenteninformation (VKI). Ich habe den VKI Ende Januar 2017 (im Einvernehmen und auf meinen Wunsch) verlassen und im Frühjahr 2017 den gemeinnützigen Verein COBIN claims Plattform für Sammel-aktionen (www.cobinclaims.at) aufgebaut. Ich bin nun Kandidat der Liste Peter Pilz zur Nationalratswahl am 15.10.2017. Ich habe – druckfrisch – ein Buch herausgebracht („Davids gegen Goliath – Der VW-Skandal und die Möglichkeit von Sammelklagen“, Mandelbaum Verlag Wien, www.davids-gegen-goliath.at). Ich blogge auf www.himko.at.

MED: In Ihrem Blog und auch auf Facebook beschäftigen Sie sich mit der Thematik Cannabis als Medizin als selbst betroffener Patient. Wie sind Sie zu Cannabis als Medizin gestoßen?

PK: Bei mir wurde 2012 eine Polyneuropathie diagnostiziert. Das ist eine neurologische Schmerzerkrankung mit Missempfindungen an den Füßen (Brennen, Eiseskälte, Krämpfe) und zum Teil auch an den Händen, Ursache unbekannt. Eine ursächliche Therapie ist daher nicht möglich. Man kann nur den Schmerz lindern. Die Neurologen haben dafür zwei Mittel: ein Antiepileptikum (Lyrica) mit einer beeindruckenden Liste von Nebenwirkungen und ein Antidepressivum (Cymbalta). Beide Mittel erwiesen sich als wirksam gegen neuropathische Schmerzen. Durch die Lektüre des Romans „Das unerhörte Leben des Alex Woods“ von Gavin Extence kam ich auf die Idee, dass unter Umständen Cannabis gegen den neuropathischen Schmerz helfen könnte. Recherchen im Internet brachten mich zu Ärzten, die sich damit auskennen, und ich bekam – auf „Suchtgiftrezept“ – Dronabinol als Tropfen verschrieben. Die enthalten THC und lindern meine Schmerzen.

MED: Sie kandidieren nun für die Liste Pilz zur Nationalratswahl. Was sind hier Ihre Hauptanliegen in der Versorgung mit medizinischem Cannabis? Sind die derzeitigen Möglichkeiten ausreichend?

PK: Die derzeitigen Möglichkeiten sind nicht ausreichend. Es gibt folgende Hürden für Schmerzpatienten (laut Schmerzmedizinern immerhin eine Million Menschen im Land):

– Man muss einen Arzt finden, der sich mit Cannabis in der Medizin auskennt. (In Städten einfacher, auf dem Land zum Teil unmöglich.)

– Der Arzt muss bereit sein, ein „Suchtgiftrezept“ auszustellen.

– Die Kosten für Dronabinol sind zum Teil unleistbar. In meiner Dosierung (3 x 10 Tropfen) würde ich rund 800 Euro pro Monat aufwenden müssen.

– Die Krankenkassen übernehmen diese Kosten sehr zögerlich und nur bei Vorliegen klinischer Studien (zum Beispiel Appetitanregung bei Chemotherapie).

– Die Ernte und der Besitz von natürlichem Cannabis sind strafgesetzlich verboten. Patienten, die sich dazu bekennen, werden auch tatsächlich vor den Strafrichter gezerrt.

Meine Forderungen sind:

– Liberalisierung von Cannabis in der Medizin. Patienten sollten – natürlich nur mit ärztlicher Bestätigung – natürliches Cannabis (Blüten, Tropfen, Kekse etc.) bekommen können. Ob man auch selbst anbauen können soll, muss man meiner Meinung nach diskutieren. Das wäre natürlich die billigste Variante. Doch die Patienten, die ich kenne und die nie zum rekreativen Konsum gekifft haben, wären dabei wohl mangels Erfahrungen zögerlich. Der Effekt wäre jedenfalls, dass man von einem Monopolisten wegkäme und man daher erwarten könnte, dass die Preise leistbar werden.

– Ausbildung von Ärzten in der Anwendung von Cannabismedizin.

MED: Haben Sie auch schon Erfahrungen mit der Cannabisblüte? Wissen Sie, warum die Cannabisblüte gesetzlich noch nicht für Patienten zugänglich ist?

PK: Meine Erfahrung mit dem Konsum von Cannabis liegt 40 Jahre zurück und war untauglich: mit einem Freund einen Tee gebraut und keine Wirkung verspürt. Heute weiß ich, dass sich die Cannabinoide nur mit Zusatz von Fett lösen. Über mehr Erfahrungen verfüge ich nicht. Es ist aber auch mir als Laien klar, dass es sinnvoller wäre, die Heilpflanze zu verwenden, als nur einen Bestandteil. Ich kenne Menschen, die daher zu Dronabinol als Ergänzung auch CBD-Tropfen verwenden (und auch kaufen müssen).

In Österreich blockiert meines Erachtens das Unwissen der Politiker bislang jede Bewegung in Richtung Liberalisierung. Außerdem sind Politiker – gerade im Wahlkampf – bedacht, zumindest nicht angreifbar zu sein. Man könnte auch sagen, sie sind feige. Das durchbreche ich mit meiner Kandidatur und der klaren Wahlkampfansage: Freigabe von Cannabis in der Medizin. Ich habe die Hoffnung, dass nach den Wahlen die Diskussion auf einem informierteren Niveau fortgeführt und eine rasche Lösung gefunden wird. Die Patienten sind zum Teil betagt und wollen noch ein paar Jahre mit gelinderten Schmerzen leben. Daher muss rasch etwas passieren.

MED: In Deutschland wurde neulich Cannabis auf Rezept legalisiert. Leider sind die Patienten dort aber chronisch unterversorgt, sei es aufgrund von Lieferengpässen oder aufgrund der nicht vorhandenen Kostenübernahme seitens der Krankenkassen. Soll es Patienten gestattet sein, ihr Therapeutikum zu Hause selbst anzubauen?

PK: In Österreich baut die staatliche Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) unter kontrollierten Bedingungen Cannabis an und liefert es zum deutschen Produzenten für Dronabinol. Ich bin in erster Linie dafür, nicht nur die Gesetze zu ändern, sondern auch die Belieferung durch Zusammenarbeit mit Produzenten (die auch kontrolliert werden müssen) sicherzustellen. In letzter Konsequenz wäre ich aber auch für die Möglichkeit, selbst zu Hause anzubauen. Allerdings muss man auch dahingehend die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, dass nicht Jugendliche auf diese Weise zu leicht Zugang zu Cannabis erhalten.

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