Kurz vor der Legalisierung von Cannabis

„Wir sind ratlos über das harte Vorgehen der Ermittler“

Bundesweit tätiger Strafverteidiger Konstantin Grubwinkler aus Freilassing erwartet spürbaren Rückgang der Fälle mit Betäubungsmittel-Hintergrund.

Die Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP will, so der Koalitionsvertrag, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften einführen. Wie steht ein Fachanwalt für Strafrecht mit Schwerpunkt „Betäubungsmittelgesetz“ (BtMG) zu den geplanten Änderungen? Konstantin Grubwinkler (38) betreibt eine bundesweit tätige Strafrechtskanzlei mit Hauptsitz in Freilassing (Lkr. Berchtesgadener Land) und vier weiteren Standorten.

Medijuana: Wann rechnen Sie mit einer Entkriminalisierung und Legalisierung von Cannabis?

Konstantin Grubwinkler: Die Legalisierung wird kommen, wie es im Koalitionsvertrag geplant ist. Es ist einfach unausweichlich. Wenn wir dem Bundesjustizminister glauben dürfen, werden die Bundesbürger im Frühjahr 2023 legal einen Joint rauchen! Hundertprozentig überzeugt bin ich noch nicht Unsere Einschätzung geht aktuell eher in Richtung Ende 2023.

MED: Wie wird der Gesetzentwurf aussehen – der große Wurf eines kompletten Cannabis-Gesetzes oder eher mit einem Flickwerk?

K.G.: Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag ist nicht vereinbar mit dem alten Entwurf des Cannabis Kontrollgesetzes (CannKG) der Grünen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein komplettes Cannabisgesetz vera­bschiedet wird. Eher werden weitere Ausnahmen und ein Erlaubnistatbestand ins BtMG eingefügt.

Konstantin Grubwinkler

MED: Rechnen Sie selbst bei Legalisierung mit weniger Arbeit?

K.G.: Wir sind überwiegend im Betäubungsmittelstrafrecht tätig. Da sich die Mehrheit der Fälle mit Verstößen rund um Cannabisprodukten beschäftigen, erwarten wir durchaus einen spürbaren Rückgang.

MED: Last-minute-Aktivität: Sind aktuelle Ermittlungen im Kleinstmengenbereich nur Show oder Beschäftigungstherapie für Polizei und Staatsanwälte?

K.G.: Wir sind ratlos, was Justiz und Polizei mit dem eher noch härteren Vorgehen gegen Kleinmengen von Cannabisprodukten bezwecken. Es kommt einem fast so vor, als wolle man noch schnell alles verurteilen, bevor die Legalisierung kommt. Wir haben so viele Verurteilungen wegen minimaler Mengen wie nie zuvor. Allein in den letzten Wochen zum Beispiel Strafbefehle wegen 0,18 Gramm Marihuana, eines Joints, und mehrere Strafbefehle im Bereich von einem bis drei Gramm.

MED: Immer mehr kommen sogenannte nicht-psychoaktive Cannabidiol-CBD-Blüten im Handel in Mode, die kaum Tetra­hyd­ro­cannbinol (THC) enthalten, gibt es in diesem Bereich Probleme?

K.G.: Allein unsere Kanzlei hat pro Woche mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Erwerbs von Kleinstmengen an CBD-Blüten (meist fünf bis zehn Gramm) zu betreuen. Inzwischen gibt es diese CBD-Blüten an jeder zweiten Tankstelle zu kaufen.

MED: Auch thc-freie Produkte wie CBD-Öle kommen in den Fokus der Behörden?

K.G.: Die Lebensmittelüberwachung ist Ländersache und läuft zum Beispiel in Bayern über das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV). Das bedeutet, das aktuelle Vorgehen wegen CBD geht von der Verwaltung aus und nicht von der Justiz. Hier merken wir aber noch keinen übermäßig starken Anstieg. Wir verteidigen beziehungsweise beraten mehr als 30 CBD-Händler. Von denen hatten bislang nur sehr wenige Schwierigkeiten mit der Lebensmittelüberwachung. Das könnte sich aber durch die aktuelle europäische Rechtsprechung durchaus ändern. Verfahren wegen Lebensmittelrecht wegen neuartiger Lebensmittel (Novel-Food) sind aktuell also noch sehr selten.

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