„Kein Hoppla-Hopp“

Legalisierung und Entkriminalisierung

Die neue Ampelregierung in Deutschland hat im Koalitionsvertrag den Startschuss zur Cannabis-Legalisierung abgegeben. Bisher haben sich SPD, Grüne und FDP allerdings noch nicht bewegt, es sind noch keine gesetzgeberischen Aktivitäten erkennbar. Das Gesundheitsministerium ist derzeit voll und ganz mit der Corona-Pandemie beschäftigt. Die Cannabis-Freigabe als Sprint oder Marathon

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften ein.“ Die Latte an die Politik ist damit eigentlich nicht so hoch gehängt. Einen genauen Start für den Verkauf in den Fachgeschäften will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nicht nennen. Er verweist auf Änderungen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG), die vom Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg gebracht werden müssen. Der hat jetzt alle Hände mit Corona zu tun. So oder so: 175 Tage, also rund ein halbes Jahr dauert in Deutschland ein Gesetzgebungsprozess.

Falls sich der Gesundheitsminister nicht aufraffen kann, steht der grüne Koalitionspartner bereit. Deren Cannabiskontrollgesetz (CannKG) wurde 2015 in den Bundestag eingebracht und 2017 mit den alten Mehrheiten der Großen Koalition abgelehnt. Dieser Gesetzentwurf, der lizensierte Fachgeschäfte und den freien Besitz von bis 30 Gramm für Privatpersonen vorsieht, könnte sehr schnell wieder eingebracht werden. „Die Prohibition ist gescheitert, das Cannabis-Verbot ist gefährlich“, sagt die drogenpolitische Sprecherin Dr. Kirsten Kappert-Gonther.

Justizminister Buschmann stellt klar: „Wenn es Shops gibt, die Cannabis legal verkaufen dürfen, dann muss es auch Produzenten geben, die das legal anbauen und vertreiben dürfen.“ Im Gesetz werde die Höchstgrenze festgelegt, die Erwachsene legal im Besitz haben dürfen. Wie andere Konsumprodukte werde Cannabis der Besteuerung unterliegen, so Buschmann. Als lizensierte Fachgeschäfte bringt Buschmann Apotheken ins Gespräch, lässt aber noch offen, ob der Kreis größer gezogen werde. Wichtig ist dem Justizminister die „erforderliche Sachkunde des Verkaufspersonals“. Es müsse in der Lage sein, „Auskünfte über die Produkte zu erteilen und riskantem Cannabiskonsum, insbesondere bei erkennbar Suchtkranken entgegenzuwirken.“ Zu den Themen Eigenanbau oder Cannabis Social Clubs scheint der Weg noch weit.

Im Vergleich zu seinen nahezu ahnungslosen Vorgängerinnen präferiert Burkhard Blienert (SPD), der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, einen anderen Ansatz. Für ihn ist Cannabis-Verkauf auch Sozialarbeit. Er will weg von der „Verteufelung“ zu ernsthafter Prävention für Jugendliche. Blienert warnt vor einem Schnellschuss. „Die Menschen haben auf eine andere Drogenpolitik gewartet, jetzt kann es nicht schnell genug gehen“, versteht der 55-jährige SPD-Politiker. Klar ist für ihn: „Es wird eine Cannabis-Abgabe an Erwachsene in lizensierten Fachgeschäften geben.“

Losgehen soll es für Blienert mit einer Expertenkommission, in der alle zuständigen Ministerien, das Parlament, die Fachöffentlichkeit mit den Verbänden, aber auch Kommunen und die Träger der Suchthilfe eingebunden werden sollen. Im Mittelpunkt steht die Bekämpfung des Schwarzmarktes, Jugend- und Gesundheitsschutz. Blienert sprach sich dafür aus, auch den Cannabis-Anbau in Deutschland zu legalisieren. Ziel der Koalitionspartner sei es, die komplette Lieferkette transparent nachzuverfolgen. Deshalb soll auch der Cannabis-Anbau unter strengen Regeln erlaubt werden.

Genauigkeit vor Schnelligkeit ist das Ziel von FDP-Politiker Stephan Thomae. Er verweist auf negative Erfahrungen in den Niederlanden. Dort sei Cannabis in den Coffee Shops legal zu erwerben, die Ware aber komme von Drogenbanden, so der Parlamentarische Geschäftsführer.

Der neue Cannabis-affine Landwirtschaftsminister Cem Özdemir rechnet mit einem Hanf-Boom in Deutschland. Mit der Legalisierung glaubt er an die positiven Folgen für die Gesellschaft. Er freut sich, dass der Irrsinn des Cannabis-Verbots vorbei sein werde. Die deutschen Landwirte sind nach Aussage ihres Präsidenten Joachim Ruckwied bereit, sobald es erlaubt sein wird, Hanf anzubauen. „Wir Landwirte sind innovativ, wir bekommen das sofort umgesetzt.“

Widerstände gegen die Legalisierung sind aus den größten deutschen Bundesländern zu erwarten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sieht in der Legalisierung einen „fatalen Fehler“ mit Folgen für die Gesundheit, für die organisierte Kriminalität und den Straßenverkehr. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat die Ampelregierung aufgefordert, die Cannabis-Pläne zu überdenken.

Cannabis soll nach dem Willen der Ampelkoalition legal werden, doch was passiert auf dem Weg: Immer mehr Gerichte lehnen eine Befassung in diesen Strafsachen mit den Cannabis-Rechtsvorgaben ab. Jugendrichter Andreas Müller vom Amtsgericht Bericht beklagt die Kriminalisierung von etwa vier Millionen Cannabis-Konsumenten. Dabei werde eine Vielzahl von Grundrechten der Betroffenen, etwa das Recht auf Rausch eines Erwachsenen nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, sagt das Mitglied der Vereinigung LEAP (Law Enforcement Against Prohibition).

Nach den Amtsgerichten Bernau und Münster gibt es auch am Amtsgericht Pasewalk erhebliche Zweifel an der geltenden Rechtsprechung. In Bayern verfolgen die Gerichte die politische Entwicklung mit Interesse. In etwa der Hälfte der Fälle vor einem Schöffengericht in der Provinz beschäftigt sich mit Rauchgift-Delikten. Wiederum die Hälfte davon betreffe den Besitz oder Handel mit Cannabis. Während die Gerichte unter der hohen Anzahl der Verfahren mit Bagatellcharakter ächzen, warnen die Gewerkschaft der Polizei – wohl aus Eigenzweck wegen wegfallender Planstellen – vor einer Legalisierung. „Eine Legalisierung von Cannabis ohne Entkriminalisierung macht keinen Sinn“, sagt Wenzel Cerveny vom Cannabis Verband Bayern (CVB).

text: Josef König

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