Kanada vor der Legalisierung

Referenzprojekt der Regierung am Start

Nach der Cannabislegalisierung in Uruguay ist dies das erste Beispiel dafür, dass nicht nur eine Partei oder ein Bundesstaat sich der Sache annimmt, sondern die Zentralregierung eines Landes. Nachfolgend haben wir zusammengefasst, wie die Legalisierung in Kanada aussieht und welches Vorbild sie Europa geben kann.

Eine der ersten Ankündigungen der im Jahr 2015 gebildeten liberalen Regierung in Kanada galt der Schaffung eines legalen Cannabismarktes. Nach Ansicht des Ministerpräsidenten Justin Trudeau war dies notwendig, weil sich das Verbot nicht nur als wirkungslos erwiesen hatte, sondern weil es Jahr für Jahr große Schäden verursachte. Beispielsweise lagen die kanadischen Jugendlichen beim Ausprobieren an der Weltspitze und gegen Tausende von ihnen waren Strafverfahren eingeleitet worden, ohne dass es im Zusammenhang mit dem Konsum zu Gewalttaten gekommen wäre. Das organisierte Verbrechen verdiente Milliarden von Dollar am Verbot, während die Mehrheit der KanadierInnen nicht davon überzeugt ist, dass reiner Besitz und Konsum streng bestraft werden müssen und damit eher mit den Ansichten der Regierungspartei übereinstimmt. Daher sah die kanadische Regierung die Zeit gekommen, im Sommer 2018 die gesetzliche Legalisierung umzusetzen.

Gesetzlicher Rahmen

Ein legaler Markt kann nur mit den notwendigen Garantien geschaffen werden. Die neuen Gesetze müssen daher unter anderem sicherstellen, dass Marihuana nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen kann, bzw. dass Erwachsene es nicht ohne Genehmigung an sie weitergeben. Die Einnahmen aus dem legalen Markt dürfen keinesfalls das organisierte Verbrechen bereichern, daher sind die beiden Märkte streng voneinander zu trennen. Das Gesetz muss außerdem der allgemeinen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit dienen – daher ist es nicht überraschend, dass es nicht erlaubt sein wird, unter Einfluss von Marihuana Auto zu fahren. Ständige Aufklärungskampagnen werden garantieren, dass sich die KanadierInnen auf der Grundlage entsprechender Informationen für oder gegen den Konsum entscheiden können und sich der Risiken bewusst sind. Bei Suchtproblemen werden Behandlungen, Beratungen und Erziehungsprogramme zur Verfügung stehen. Das für den Handel gezogene Cannabis wird auf seine Qualität geprüft und in kindersicheren Packungen auf die Regale gelangen. Schließlich wird das 2015 begonnene Programm für medizinisches Cannabis fortgeführt, sodass die PatientInnen weiterhin Produkte von medizinischer Qualität erhalten werden. Die Auswirkungen des neuen Gesetzes unterliegen einem ständigen Monitoring, um es nötigenfalls anpassen zu können.

Regierungsinformation

Wer detailliertere Informationen sucht, warum Kanada legalisiert und was man von diesem Schritt erwartet, findet diese im veröffentlichten Material der Regierung. Dort kann man auch etwas über Geschichte und Gegenwart des Cannabisgebrauchs lesen, über die oft betonten, wenn auch nicht in jedem Fall realen Risiken – z. B. Einstiegs-droge & Co. – ebenso wie über die positiven medizinischen Wirkungen. Es enthält Methoden der Risikominimierung beim Konsum, das entsprechende Vertriebsmodell und auch die geplanten Maßnahmen für die öffentliche Sicherheit. Und das ist noch nicht alles! Die Regierung hat unter canada.ca eine neue Webseite in Betrieb genommen, die einerseits über den Hintergrund des Gesetzes informiert, andererseits die wichtigsten Fragen zum Cannabis beantwortet, zum Beispiel, ob man davon abhängig wird oder was der Unterschied zwischen THC und CBD ist. Die Seite spricht auf die verschiedenen Marktakteure an, so kann man auch etwas darüber erfahren, wie man medizinischer Konsument werden kann oder registrierter Züchter. Da man den Jugendschutz ernst nimmt, findet sich dort auch eine besondere Seite für Eltern, die erklärt, wie man mit Kindern über den Cannabiskonsum sprechen kann. Aber das fällt schon in die Kategorie Prävention und Schadensminimierung.

 

Ein historischer Augenblick

Wir dürfen nicht vergessen, dass sich in Kanada die wirtschaftlichen Vorteile deutlich abzeichnen, über die die Regierungsseite kein Wort verliert. RegierungsvertreterInnen erklärten zu diesem Thema von Anfang an, dass im Gegensatz zum Nachbarn im Süden wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Entscheidung nicht den Ausschlag gegeben hätten. Trudeau weiß genau, dass die Drohung der Regierung Trump für Kanada eine historische Chance darstellt. Ganz sicher werden zahlreiche Cannabisunternehmen ihren Standort nach Kanada verlegen, statt sich in den USA den Launen der Regierung auszusetzen, auch wenn der Markt in den USA zehnmal so viele Menschen versorgt. Ein gewaltiger Vorteil ist, dass – während in den USA das Bundesgesetz im äußersten Fall die erkämpfte Legalisierung der Bundesstaaten außer Kraft setzen kann – es in Kanada gerade der Ministerpräsident ist, der sich von Anfang an am aktivsten für den legalen Cannabismarkt engagiert hat.

Es ist jedoch nicht sicher, dass auch Schokolade mit THC-Gehalt, Konzentrate oder Vape Pens mit hohem Wirkstoffgehalt legalisiert werden. Die Regelungen für medizinisches Cannabis haben in rund 20 Jahren einen Markt geschaffen, den die Legalisierung gefährden könnte. Die Interessenvertretung Sensible B.C. aus Vancouver klagte, dass ein Großteil der Produkte – Extrakte, Lebensmittel mit Cannabinoidgehalt und Cremes – wegfallen könnte, wenn sie nicht auf Bundesebene genehmigt würden, worauf man vielleicht jahrelang warten müsste. Das könnte amerikanischen Firmen Kopfschmerzen bereiten, die mit der Herstellung und dem Vertrieb ähnlicher Produkte ihren Standort nach Kanada verlegen. Die Unsicherheit wird dadurch gesteigert, dass einige Provinzen selbst die Bedingungen für den Cannabisgebrauch bestimmen und es daher vorstellbar ist, dass eine Provinz die Einrichtung von Coffeeshops gestattet, während eine andere den Konsum auf öffentlichen Plätzen absolut verbietet.

Vorbild für Europa

Es gibt also noch viele offene Fragen hinsichtlich der endgültigen Form der Legalisierung. Man kann aber jetzt schon sagen, dass sie eher Vorbildcharakter für Europa haben wird als das Modell Uruguay. Die Ausgangspunkte der kanadischen Entscheidung – die unbegründete Verfolgung von KonsumentInnen oder die Schwächung von kriminellen Organisationen – passen praktisch in den Kontext jedes beliebigen europäischen Landes und auch die Lösungsansätze Kanadas sind auf dem Alten Kontinent umsetzbar. Daher müssen wir die Daumen drücken, dass die ersten Jahre des kanadischen Unternehmens erfolgreich verlaufen werden. Wenn die kanadische Legalisierung erwartungsgemäß mehr Vorteile bringt als Schwierigkeiten, dann ist nur noch die Frage, welches europäische Land das erste sein wird, dessen Führung sich daran macht, das Drogenverbot aufzuheben und einen regulierten Markt zu schaffen. Wenn dieser Augenblick kommt, wird die Prohibition fallen wie Dominosteine und wir werden bald das jahrzehntelange Cannabisverbot als Irrtum betrachten.

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