Interna aus einem Wiener Bio-Imbiss

Unweit der Wiener Hanfbotschaft (Hemp Embassy Vienna) gibt es einen veganen Imbiss, in dem wir nicht nur ausgezeichnete vegetarische Speisen entdeckten, sondern auch einen freundlichen Koch. Andreas lebt seit Jahren im Ausland – früher hat er in Frankreich gearbeitet – und ist kein veganer Koch, hat also fleischloses Kochen nicht in der Ausbildung gelernt.

 

Medijuana: Was meinst du, sind die meisten Menschen, die sich fleischlos ernähren, eher aus biologischen oder aus ethischen Gründen Vegetarier?

Andreas Horvath: Das Verhältnis zwischen der einen und der anderen Gruppe kann ich nicht einschätzen. Wenn ich von meinen eigenen Bekannten und unseren Gästen ausgehe, dann lehnt die Mehrheit Fleisch allgemein ab – wegen der gegenwärtigen Art der Herstellung, aus moralischen Gründen oder aus Prinzip. Die Mehrheit derer, die sich als Vegetarier bezeichnen, konsumieren zum Beispiel Milchprodukte und sogar Fisch. Wichtig ist ihnen prinzipiell, dass bei der Beschaffung der Lebensmittel kein Schaden angerichtet, also anderen Lebewesen kein Leid zufügt wird. Für die Eier und die Milch müssen keine Tiere sterben, prinzipiell besteht also kein moralisches Problem, aber bei Fisch sind viele bereit, Abstriche zu machen. Wenn man sich aber anschaut, was die Fischerei als Industriezweig dem Planeten heute an Schaden zufügt, oder wie landwirtschaftliche Großbetriebe Molkereiprodukte herstellen, müsste man die aus moralischen Gründen auch ablehnen.

MED: Mit solchen Prinzipien bleibt einem nicht viel, was man essen kann, oder?

AH: Doch, aber es ist ungemein wichtig herauszufinden, woher die Ausgangsstoffe der Lebensmittel stammen, die wir konsumieren. In den Großtierfarmen vegetieren und krepieren die Tiere unter solch schlimmen Umständen, dass sie meiner Meinung nach selbst ein Fleischesser nicht akzeptieren kann. Wenigstens drei Viertel unserer Gäste sind übrigens weder Veganer noch Vegetarier. Für sie ist aber wichtig, woher das Fleisch oder andere Dinge, die sie essen, stammen. Wir können beispielsweise sagen, woher und warum wir etwas beschafft haben, vom Gemüse bis zu den Gewürzen. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste für die Gäste. Und wenn jemand kein Fleisch isst, bedeutet das noch lange nicht, dass er sich gesund ernährt. Es heißt nur, dass er bewusst kein Fleisch isst. Es gibt aber auch Leute, die bewusst Fleisch essen, und alles andere auch!

MED: Du sagst also, es ist nicht die Hauptsache, kein Fleisch zu essen, sondern zu wissen, was man isst?

AH: Biokultur ist vielleicht der beste Ausdruck dafür, was wir vertreten, und da passt das Fleischessen auch hinein. Wichtig ist die umwelt- und gesundheitsbewusste Ernährung und Lebensweise. Wir benutzen nur Bioprodukte und achten auch bei der Zubereitung darauf. Gemüse und Obst kaufen wir bei einem zertifizierten Biogroßhändler – jeden Tag frisch; die Gewürze und Soßen stellen wir selbst her, wir kaufen nichts fertig und wir können alles ohne Fett, Zucker, künstliche Aromen und Zusatzstoffe herstellen. Wenn es sein muss, benutzen wir auch Kokosfett, Sojamilch oder Honig zum Süßen. Aber nur aus kontrollierten Quellen.

MED: Es ist also eine Sache, mit dem Fleischessen aufzuhören, und eine andere, sich gesund zu ernähren?

AH: Genau. In der veganen Küche gibt es übrigens auch eine Menge sogenanntes Junkfood. So nennen wir Speisen, die keinen hohen Nährwert haben und nicht unbedingt gesund sind. Die Produkte der Großindustrie für Veganer sind wohl kaum etwas anderes. Die verschiedenen Fleischersatzprodukte durchlaufen zahllose Prozeduren, damit sie immer fleischähnlicher werden, und von denen sie sicher nicht gesünder werden.

Vegan heißt frei von tierischen Bestandteilen, aber es können trotzdem Zusatzstoffe enthalten sein – Konservierungsstoffe, Farbstoffe und eine Million anderer nicht natürlicher Zusätze. Es ist absolut nicht sicher, dass ein veganes Produkt gesund ist bzw. biologisch oder organisch.

MED: Heute liegt aber alles Vegane sehr im Trend.

AH: Sicher ein Megatrend, verbunden mit dem Wunsch nach Nachhaltigkeit und des Noch-gesünder-Lebens. Das ist kein Problem, aber das Marketing verknüpft alle veganen Produkte mit solchen Vorstellungen, die aber nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprechen. Statt „gesünder“ würde ich sagen, leben wir bewusster.

MED: Was bietet ihr gewöhnlich an, beziehungsweise was sind die wichtigsten Zutaten der bio-veganen Küche und was sind ihre Verfahren? Bestehen große Unterschiede zur traditionellen Küche?

AH: Grundsätzlich bereiten wir Eintöpfe zu, dazu reichen wir normalerweise ungeschälten Reis oder Couscous, außerdem stehen Wraps, Burger, Salate, Suppen und Süßspeisen auf der Speisekarte. Daneben gibt es ein breites Angebot an Smoothies und frischen Gemüsesäften. Es gibt auch Hanfsmoothies und sogenannte Superfood Smoothies mit hohem Nährwert, die man auch mit Cannabisöl oder -samen bekommen kann. Jeden Tag benutzen wir Zwiebeln, Knoblauch, verschiedene Kartoffeln, Kohlsorten, Kürbisse, verschiedene Zucchinisorten, Paprika und Ingwer. Wir bereiten auch Dressings und Soßen zu, veganes Pesto, vegane Mayonnaise, Chillies und Rote-Bete-Ketchup. Den Teig für die Wraps machen wir selbst, auch das Brot und Chapati (indisches Brot) backen wir selbst. Dazu benutzen wir nur Dinkelmehl.

MED: Sind die verschiedenen Gemüsesäfte (Smoothies) und das Superfood ein sehr wichtiger Teil der bio-veganen Ernährungskultur? Was ist der Unterschied zwischen Smoothie und Superfood?

AH: Smoothies sind frisch pürierte Obst- und Gemüsesäfte und besonders gut, wenn man bestimmte ölhaltige Samen beifügt. Sie sind sehr nahrhaft und gleichzeitig nicht belastend. Sie kommen einer gehaltvollen, dicken Gemüsesuppe gleich. Die Superfood-Smoothies enthalten außerdem Zutaten mit hohem Nährwert, wie Kokosmilch oder Datteln, also Kohlehydratbomben, Cashewnüsse oder Chia-Samen. Außerdem wird man von einem halben Liter satt, und die meisten Zutaten besitzen auch gute physiologische Eigenschaften.

MED: Wenn man das also auf einen Teller gibt, geht das als Suppe durch.

AH: Ja, sogar als Gemüsecremesuppe, aber Croûtons oder Buchstabennudeln sollte man da nicht reingeben. Der größte Unterschied ist der, dass wir Smoothies gewöhnlich kalt oder mit Zimmertemperatur aus einem Glas trinken, die Suppe aber warm.

MED: Wie sieht es mit Desserts aus? Der Lieblingsspalte der Smoker auf der Speisekarte.

AH: Als Desserts haben wir Muffins, die ebenfalls aus Dinkelmehl gebacken werden, mit Agavensirup. Das ist eine Kaktusart, die selten in der europäischen Küche benutzt wird. Aber es gibt auch Desserts aus einfacher Schokolade, die wir selbst aus Kakaobohnen herstellen. Und wir haben Desserts im Glas, die auch sehr beliebt sind. Das ist eine Schicht Bananencreme, eine Schicht Sojajoghurt und Sojasahne und im gleichen Verhältnis Agavensirup und zerbröselte Dinkelkekse, die wir ebenfalls selbst herstellen. In dieser Reihenfolge geben wir die Zutaten in einen verzierten Glasbecher, und fertig ist es.

MED: Benutzt ihr keinen Zucker?

AH: Doch, wenn es nicht zu vermeiden ist, aber dann keinen raffinierten Kristallzucker aus dem Supermarkt, sondern beispielsweise Kokoszucker, dessen glykämischer Index niedrig ist.

MED: Ist es schwierig, die besonderen Zutaten zu beschaffen? Besonders dann, wenn das Augenmerk auf der Herkunft liegt, wie am Anfang gesagt? Kann man in Wien alles bekommen?

AH: Kaum. Die besonderen Gewürzmischungen kommen aus Afrika zu uns, die frischen Gewürzkräuter wie Basilikum, Zi-tronenkraut, Rosmarin und Minze baut der Besitzer selbst an. Wir versuchen, so viel wie möglich frisch zu verwenden, aber wir trocknen auch Kräuter, machen manchmal auch Marmelade und Kompott selbst.

MED: Bist du Veganer?

AH: Nein, ich bin Vegetarier, ich esse kein Fleisch, aber ich liebe Käse. Meiner Meinung nach ist es bei dieser Art zu kochen wichtig, sich darauf einzustimmen. Ich musste auch meine berufliche Einstellung dazu verändern, was einige Zeit gedauert hat. Aber man muss nicht von einem Tag auf den anderen radikale Veränderungen einleiten. Man muss sich nur von der Vorstellung „Fleisch und Beilagen“ freimachen. Das ist natürlich in dieser Umgebung viel einfacher – wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, die ihren Kindern noch nie Fleisch zu essen gegeben haben und schon jahrzehntelange Erfahrungen mit veganem Essen haben. Menschen, die gelernt haben, wie man kreativ, aromatisch und mit Hingabe kochen kann – ohne Fleisch, Fett, künstliche Aromastoffe oder sonstige Zusätze.

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