Hanfverbot

Eine chronische Krankheit

Immer mehr Stimmen werden laut, die repressive Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte für gescheitert erklären. Länder wie Portugal, Holland, Uruguay, aber auch einzelne Bundesstaaten in den USA sind den Schritt bereits gegangen: weg von der Kriminalisierung des Cannabis-Konsums. In Deutschland wagt dies nun die neue Bezirksbürgermeisterin von Berlin Friedrichshain-Kreuzberg.

Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg ist für manche Berliner/innen ein rotes Tuch: Aufgrund der andauernden Probleme vor Ort wie dem massiven Drogenhandel und Drogenkonsum sind viele von ihnen nicht länger bereit, die momentane Situation so hinzunehmen. Laut der Tageszeitung taz sei der illegale Drogenhandel (vor allem mit Cannabis) dort bereits ein seit Längerem existierendes Problem. Zudem führe die andauernde Gewalt zwischen Drogenhändlern bzw. zwischen ihnen und ihren Kunden zu wöchentlichen Polizeirazzien und damit verbundenen Verhaftungen.

Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit dem 1. August Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Wenn es nach ihr ginge, sollte Cannabis in Berlin zukünftig legal verkauft werden. Diese Idee wurde bereits von ihrem Vorgänger Franz Schulz zur Diskussion gebracht. Frau Herrmann versucht dies nun – zusammen mit ihrer Partei – praktisch umzusetzen.

Im deutschen Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gibt es eine Ausnahmeregelung (§3), die unter anderem den Anbau von Cannabis “zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken” erlaubt. Die amtierende Bürgermeisterin und ihre Partei nahmen diese Regelung zum Anlass, um am 28. August einen Antrag im Bezirksparlament (BVV) einzureichen. Darin heißt es, dass man “durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten in lizenzierten Abgabestelle(n) am Görlitzer Park den negativen Auswirkungen der Prohibition und des dadurch entstehenden Schwarzmarkts” entgegenwirken möchte. Die Polizeirazzien im Park würden das Problem lediglich kurzzeitig verlagern, aber nicht lösen. Ein Rückgang des Drogenkonsums sei nicht sichtbar, und auch im Jugendschutz und in der Suchtprävention könne man mit dieser Art von Drogenpolitik keine Erfolge erzielen. In einem Spiegel-Interview äußert Herrmann: “Freier als jetzt kann man Cannabis nicht bekommen. Ich will den Verkauf kontrollieren.”

Deshalb soll zuerst ein Runder Tisch – zusammen mit Einwohner/innen, lokalen Initiativen, Politiker/innen sowie Expert/innen der Polizei bzw. der Drogen- und Suchthilfe – initiiert werden. Dabei sollen beispielsweise Fragen bezüglich der Antragstellung beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), welches das Projekt genehmigen muss, geklärt werden. Auch die Beschaffung des Cannabis, die Betreibung der Abgabestelle sowie die wissenschaftliche Begleitung des Projektes stehen zur Debatte.

Mit der staatlichen Abgabe von Cannabis an Konsument/innen könnte u. a. untersucht werden, ob und in welchem Umfang der Jugendschutz verbessert werden könnte, ob man problematische Drogenkonsumierende erreichen und deren Gesundheitsprobleme somit reduzieren könnte (u. a. durch die Abgabe von kontrolliertem, “sauberem” Cannabis).

Pro und Contra

Katharina Oguntoye, Leiterin des interkulturellen Netzwerkes Joliba, das vor allem mit afrikanisch-deutschen Familien arbeitet, glaubt nicht an den Erfolg einer solchen Abgabestelle. Sie glaubt, die Ursachen für die steigende Anzahl der Afrikaner/innen im Park (von denen einige Dealer seien, andere jedoch nicht) lägen in der deutschen Migrations- und Flüchtlingspolitik. Stattdessen müsse man jene Menschen auf der Suche nach Orientierung in ihrem neuen Umfeld unterstützen.

Mechthild Dyckmans, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, ist besorgt. Ihrer Meinung nach würde die gesetzliche Abgabe von Cannabis “das völlig falsche Signal an Jugendliche senden – dass Cannabisprodukte unbedenklich” seien. Sie findet, dass man die gesundheitlichen Gefahren durch häufigen Konsum von Cannabis nicht unterschätzen dürfe: “Das bestätigen aktuelle Studienergebnisse und die vielen Menschen, die sich wegen Cannabis in Behandlung begeben.”

Zudem gibt es Befürchtungen, dass als Folge viele Menschen in die Hauptstadt kommen, um sich legal Cannabis zu kaufen. Um dies in Deutschland zu verhindern, müsste u. a. geregelt werden, wem die geplanten Abgabestellen zur Verfügung stehen sollten, ob der Verkauf von Cannabis auf eine bestimmte Anzahl von Leuten limitiert werden würde oder nicht, und falls ja, auf welche. Monika Herrmann plant den legalen Verkauf in ganz Berlin, wobei die Konsumierenden ein bestimmtes Alter erreicht haben müssen. Sie möchte sich zudem Unterstützung von Sozialarbeiter/innen, der Polizei und wenn nötig auch Sicherheitspersonal holen.

Momentan muss sich das Bezirksparlament einig werden, ob es dem Antrag der Grünen überhaupt zustimmt. Ist dies der Fall, müsste nächstes Jahr tatsächlich ein Antrag an das BfArM gestellt werden, um von dort im besten Fall eine Genehmigung für das geplante Projekt zu erhalten.

Die grundsätzliche Idee Herrmanns, Cannabis legal zu verkaufen, stößt jedoch nicht nur auf Kritik, sondern findet viele Unterstützer. Einer davon ist Rolf Ebbinghaus vom Berliner Hanf Museum. Bereits 1994 gab es eine Weisung des Bundesverfassungsgerichts, in der u. a. gefordert wurde, die Praxis der Strafverfolgung anzupassen, als auch, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in Betracht zu ziehen. Ebbinghaus fordert deshalb, dass Berlin die Betroffenen vom “ungerechten Verfolgungsdruck” befreie, indem es dem damaligen Urteil des Bundesverfassungsgerichts Folge leiste.

Astrid Leicht von Fixpunkt e.V. ist der Meinung, dass der legale Verkauf von Cannabis nicht die Lösung aller Probleme darstelle. Die Prohibitionspolitik sei jedoch gescheitert. Für die Verfolgung von drogenbezogenen Straftaten und die Bekämpfung von Verbrechen werden Leichts Angaben zufolge jährlich drei Milliarden Euro aufgewendet, was tatsächlich aber nichts an der Verfügbarkeit von Drogen ändere. Stattdessen würde das Geld im Bereich der Suchtprävention sowie Drogenhilfe und im Gesundheitsschutz fehlen, wie sie in der Tageszeitung taz äußerte.

Auch der Deutsche Hanfverband (DHV) begrüßt die Idee Monika Herrmanns. Laut Georg Wurth, Sprecher des DHV, werden in Deutschland jährlich 200 bis 400 Tonnen Cannabis konsumiert. Sowohl die Nachfrage als auch ein illegaler Markt existiere. Für die meisten Konsument/innen sei jedoch nicht die Droge an sich das Problem, sondern die Streckmittel, die hinzugegeben werden.

Mit der Schaffung legaler Verkaufsstellen könnte man dem entgegenwirken. Die Realisierung dieser Verkaufsstellen hängt von der politischen Führung ab und davon, wer zukünftig das Amt der/s Gesundheitsminister/in bekleiden wird.

Seit den Bundestagswahlen im September laufen Sondierungs- und Koalitionsgespräche darüber, aus welchen Parteien sich die Regierung der Bundesrepublik zusammensetzen wird. Alles läuft auf eine Große Koalition hinaus, und das Amt der/s Gesundheitsminister/in wird vermutlich aus den Reihen der CDU oder SPD kommen – was keine guten Erfolgschancen für das geplante Projekt der Grünen verspräche.

Wurth betont jedoch, dass selbst Parteien wie CDU und SPD sähen, dass “mittlerweile großer Diskussionsbedarf besteht” und man sich mit dem Thema “Pro Legalisierung” auseinandersetzen müsse. Er verweist auf Kopenhagen, Bern und Zürich, wo aktuell ähnliche Entwicklungen wie in Berlin stattfänden, und eine Tendenz in Richtung Legalisierung erkennbar sei. Zudem würden in immer mehr kommunalen Parlamenten in Deutschland Petitionen für eine Veränderung der gegenwärtigen Situation eingereicht.

“Hanfverbot ist eine chronische Krankheit, die die Welt hat. Die wird man nicht mit einem Arztbesuch los”, betont Georg Wurth. Es käme darauf an, wie stark “die Bewegung von unten” sei, wie viele Menschen sich einmischten und die Politiker/innen dazu aufforderten, etwas zu ändern.

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