Hanf mit Herz und Hirn

Neue Cannabis Social Clubs in Österreich

In Österreich gründen sich immer mehr Cannabis Social Clubs mit dem Ziel, die Bevölkerung über Cannabis aufzuklären – denn mehr lässt das österreichische Recht im Augenblick nicht zu. Dabei steht eigentlich auch die medizinische Versorgung von Patienten mit Hanfblüten in den Statuten der als Verein gegründeten CSCs – und häufig auch eine vollständige Legalisierung der uralten Nutzpflanze. Wir sprachen mit Geri Wagner – Vorsitzender des Cannabis Social Club Wiener Neustadt.

Neue Cannabis Social Clubs in ÖsterreichMedijuana: Wann und wie wurde der CSC Wiener Neustadt gegründet?

Geri Wagner: Im Prinzip hat alles im März diesen Jahres begonnen, als ich einen Fernsehbeitrag über den Cannabis Social Club in Salzburg gesehen habe. Ich hatte diesen Beitrag nur kurz auf meinem Handy gesehen und bin dann nach Hause gekommen, zu meiner Frau, und habe gesagt: „Schatz, so etwas machen wir jetzt auch!“ Als Diplom-Krankenpfleger und erklärter Pharma-Gegner lehne ich die meisten Medikamente in Tablettenform ab und versuche lieber, natürliche Alternativen zu finden. Schließlich sehe ich tagtäglich bei meiner Arbeit im Krankenhaus, wie die Patienten mit Pharmazeutika vollgepumpt werden – also habe ich damit begonnen, jede Menge Infos über Cannabis als Medizin zu sammeln, ein Team zusammenzustellen und mich mit den anderen CSCs in Österreich in Verbindung zu setzen, die gerade im Aufbau waren. Anfang Juli haben wir dann im Laufe einer Woche unseren eigenen CSC ganz offiziell als Verein gegründet – von nun an treffen wir uns einmal im Monat und besprechen die nächsten Aktionen oder bilden uns selbst erstmal weiter – zum Beispiel über die Funktionsweise des Endocannabinoid-Systems oder diverse andere Themen. Auf diesen Treffen geht es aber auch um soziale Kontakte und gegenseitigen Austausch – wir haben zu fünft begonnen und die Anzahl der Leute, die unseren CSC voranbringen wollen, wächst stetig.

MED: Sind Cannabisblüten für dich eigentlich die einzige natürliche Alternative zu Pharmazeutika oder würdest du auch Präparate wie Sativex oder Dronabinol empfehlen?

GW: Bei der derzeitigen Gesetzeslage und der Möglichkeit einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen finde ich solche Präparate zurzeit gar nicht so schlecht – schließlich gibt es in Österreich bisher noch nicht so wie in Deutschland die Möglichkeit, natürliche Cannabisblüten aus der Apotheke zu beziehen. Da sind dann solche Präparate die einzige Möglichkeit, etwas Cannabis-Ähnliches verschrieben zu bekommen. Aber das ist für mich nicht die Zukunft, denn da sehe ich ganz klar die natürliche Pflanze im Vordergrund, da sie viel kostengünstiger herzustellen ist und ein viel breiteres Wirkspektrum aufweist. Deshalb haben wir ja unseren CSC gegründet: Um all den Patienten helfen zu können, die sich solche teuren Präparate einfach nicht leisten können – und um der Pharmaindustrie endlich mal Paroli bieten zu können.

MED: Euer CSC ist ja als Verein gegründet worden, der über Cannabis als Medizin aufklären will – wie macht ihr das konkret?

GW: Wir wollen den Menschen ja nicht nur Informationen über Cannabis als Medizin näherbringen, sondern auch über Cannabis als vielseitigem Rohstoff informieren – konkret bedeutet das, dass wir auf allen möglichen Messen dabei sind, Flyer produzieren und verteilen oder auch selbst Veranstaltungen organisieren. So fahren wir auch schon mal in dieses oder jenes Hanf-Tal und schauen uns dort an, wie da zumindest schon der Hanf als THC-armer Rohstoff wächst. Natürlich findet man hier keine Menschen, die noch nichts über Hanf wissen – dabei geht es ja darum, genau die zu erreichen. Deshalb sind wir auch sehr aktiv im Internet – zum Beispiel auf Facebook oder Twitter. Und natürlich nehmen wir auch jede Möglichkeit wahr, unsere Botschaft durch die Medien zu transportieren. In unseren Statuten steht ebenfalls, dass wir uns auch mit dem Anbau, der Aufzucht und der Weiterverarbeitung von Medizinalhanf beschäftigen werden, sobald das legal möglich sein wird. Aber damit das möglich wird, müssen wir erstmal noch fleißig Aufklärungsarbeit leisten. Schließlich sind wir kein Kifferverein – was immer noch viele denken – wir setzen uns zwar auch für eine Legalisierung ein, an erster Stelle steht bei uns jedoch die medizinische Versorgung der Patienten. Nach dem Motto: Hanf mit Herz und Hirn.

MED: Gibt es denn in Österreich zumindest die theoretische Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für den Anbau von Medizinalhanf?

GW: Leider ist das gerichtliche Erstreiten einer Anbaugenehmigung in Österreich eher schwierig – hier muss man einen beschwerlichen Weg über die Ministerien gehen, Gerichte können hier so etwas gar nicht entscheiden. Was aber möglich sein könnte, wäre eine Anbaugenehmigung im Rahmen einer Studie, die sich zum Beispiel mit den Wirkungen von natürlichem Hanf im Vergleich zu beispielsweise Dronabinol beschäftigt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass fast jeder, der in Österreich Dronabinol verschrieben bekommt, auch irgendwo ein paar Hanfpflanzen anbaut – das ist auch genau der Grund, warum sich derzeit noch nicht so viele Patienten in die Öffentlichkeit wagen. Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis wir tatsächlich Cannabis für medizinische Zwecke anbauen und verteilen können – aber wir bemerken schon heute, dass wir immer mehr Zustimmung erhalten, wenn wir über Hanf als Medizin aufklären.

MED: In Graz hat sich auch schon ein CSC gegründet – steht ihr mit diesem und vielleicht auch mit anderen österreichischen CSCs in Verbindung?

GW: Ja, neben Salzburg und Graz gibt es auch schon CSCs in Wien, Linz, Kärnten und Tirol. Wir arbeiten alle zusammen und planen jetzt auch ein CSC-Aktivistentreffen – das alles unter dem Dachverband Legal Europe. Insofern nehmen wir auch an internationalen Aktionen wie den GMMs teil. Außerdem haben wir nun über Legalize! Europe auch damit begonnen, verschiedene Fachabteilungen zu bilden – für die Pressebetreuung, Internetaktivitäten, die Gestaltung von Flyern und anderen Infomaterialien usw. Diese Fachabteilungen stehen dann jedem CSC zur Verfügung, sodass nicht jeder Club die gleiche Arbeit doppelt oder dreifach leistet.

MED: Arbeitest du und andere CSC-Aktivisten eigentlich alle ehrenamtlich?

GW: Bei uns arbeiten alle ehrenamtlich und entstehende Kosten begleichen wir bisher noch komplett aus unserer eigenen Tasche – wenn unsere Statuten noch einmal überarbeitet worden sind, werden wir auch die ersten Mitgliederanträge herausgeben können, woraufhin dann auch erste Mitgliedsbeiträge reinkommen, mit denen man dann arbeiten kann.

MED: Wie hoch ist denn so ein Mitgliedsbeitrag in eurem CSC?

GW: Der beträgt 50 Euro jährlich – wobei ein Teil davon an den Dachverband geht, der ja auch schon im Vorfeld Flyer und einiges andere für uns gemacht hat.

MED: Glaubst du, dass sich auch in Österreich bald etwas ändern wird und ihr dann nicht nur über Cannabis aufklären könnt?

GW: Da sich in Österreich in Sachen Legalisierung im Augenblick sehr viel tut und selbst die sozialistische Jugend und Teile der SPÖ darauf setzen, bin ich schon recht optimistisch, dass es nicht mehr allzu lange dauert. Im nächsten Jahr sind Wahlen, und dann werden wir ja sehen, ob manche der im Wahlkampf gemachten Versprechen tatsächlich umgesetzt werden. Wir bereiten uns aber schon mal darauf vor, ab dem nächsten Jahr die Medizinalhanfversorgung vieler Patienten übernehmen zu können.

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