Haftstrafe auf Bewährung wegen Selbsttherapie

„Fünf Minuten nach der Verurteilung habe ich das Verbrechen erneut begangen.“

Filip Dostovski ist der bekannteste Hanfaktivist Mazedoniens. Er hat sich zweimal mit Cannabis von Krebs geheilt, der sein Lymphsystem angreift, und hilft seitdem anderen, sich zu therapieren. In unserem letzten Gespräch (Medijuana 2/2019) haben wir über die Legalisierung von medizinischem Cannabis in Mazedonien und die Aktivitäten seiner Vereinigung gesprochen. Jetzt sprechen wir darüber, dass er bis zu vier Jahren im Gefängnis sitzen kann, die Leute aber hinter ihm stehen.

Obwohl Mazedonien seit 2016 die medizinische Verwendung von Cannabis zulässt, ist die Versorgungslage der PatientInnen schlecht, denn das Land importiert keine Blüten und die in Apotheken erhältlichen Sorten sind recht schwach. Dies zwingt viele auf den Schwarzmarkt oder zum illegalen Anbau. Die Organisation von Filip Dostovski, Green Alternative, produziert kostenloses Öl für PatientInnen mit der Unterstützung der Gemeinschaft, aber der Regierung sind diese Aktivitäten ein Dorn im Auge. Wie im Jahr 2020 üblich, haben aus den sozialen Medien von Filip erfahren. Auf dem Foto gibt Filip eine Pressekonferenz in einem Kreis maskierter Unterstützer, mit einem Transparent in der Hand und einem Joint im Mund. Angesichts des ungewöhnlichen Auftritts stellten auch wir dem Aktivisten einige Fragen.

Medijuana: Kannst du mir von Anfang an erzählen, warum du angeklagt wurdest?

Filip Dostovski: In unserem letzten Gespräch habe ich von meiner Verhaftung erzählt. Zu der Zeit erhielt ich Cannabis von einem Polizisten, der Öl für ein krankes Familienmitglied erhalten wollte, aber der Polizist ließ mich hochgehen. Mein Fall begann vor zwei Jahren und der Staat wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte. Das Urteil wurde nun verkündet: zwei Jahre Gefängnis für vier Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Das heißt, wenn ich mit einem Joint erwischt werde, muss ich zwei Jahre ins Gefängnis.

MED: Wessen genau wurdest du angeklagt?

FD: Der Produktion und des Besitzes von Drogen. Ich wurde auch schon beschuldigt, mit ihnen Handel getrieben zu haben, aber man fand keine Beweise, daher wurde diese Anschuldigung fallen gelassen. Nach den Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen ist es jedoch nicht illegal, Cannabis zu produzieren und zu besitzen, wenn ich es an niemanden verkaufe, auch in Mazedonien nicht. Aber die Praxis sieht hier anders aus. Gegen die Anklage des Besitzes verteidige ich mich mit der Feststellung, dass dieses Cannabis meinem Eigengebrauch dient. Die Strafe war schließlich die gleiche wie zuvor: zwei Jahre Gefängnis mit Bewährung ausgesetzt auf vier Jahre. Vor Gericht erklärte ich, dass ich ein medizinischer und Freizeitnutzer bin und daraus kein Geheimnis mache. Darüber habe ich bereits in über hundert Fernsehsendungen berichtet, jeder kennt also meine Geschichte und Motive genau, auch das Gericht. Daher war es keine Überraschung, dass ich die Straftat nicht erst nach vier Jahren, sondern in fünf Minuten nach dem Urteilsspruch erneut vor dem Gerichtsgebäude begangen habe.

MED: Das Foto war beeindruckend.

FD: Ich kann auch ein Video davon schicken. Bei der Anhörung sagte ich auch, dass ich dies tun würde, weil ich nicht vier Jahre lang in Angst leben will. Ich konsumiere täglich und das ist ein Menschenrecht. Nach dem Urteil ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis ich ins Gefängnis gehe.

MED: Wie hat das Gericht auf die Ankündigung reagiert?

FD: Gar nicht. Sie reagieren nie, wenn ich nicht Fragen antworte.

MED: Was erwartet dich in naher Zukunft?

FD: Ich glaube nicht, dass sie mich wegen des vor dem Gericht gerauchten Joints einsperren werden. Auch wenn es ein Foto und ein Video davon gibt, kann nicht nachgewiesen werden, dass da etwas anderes als Tabak darin war. Ich habe auch einen Plan B: Ich will die Angelegenheit vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen, weil sie mich nur wegen der Produktion und des Konsums sitzen lassen wollen, worauf die ich als Patient Anspruch habe. Nicht sicher, dass es dazu kommt, weil ich in Mazedonien eine starke soziale Unterstützung habe. Für den Staat bin ich wie eine heiße Kartoffel, mit der sie nicht wissen, was sie machen sollen. Und das alles zu der Zeit, in der der Staat den Export von getrockneten Cannabisblüten ins Ausland erlauben will, die den mazedonischen Patienten vorenthalten werden. Das ist das andere Problem, gegen das ich jetzt kämpfe. Diese beiden Dinge hängen zusammen, denn wenn es mir gelingt, dass die Patienten diese Blüten konsumieren dürfen, würde ich auch meine eigene medizinische Verwendung legalisieren.

MED: Soll das bedeuten, dass es derzeit in Mazedonien keine Patienten gibt, die legal Cannabisblüten verwenden können?

FD: Die gibt es schon, aber das Cannabis kommt aus den Apotheken und ist von schlechter Qualität: Sie enthalten zu wenig THC und CBD. Daher kauft die Mehrheit der Patienten Cannabis auf dem Schwarzmarkt oder baut selbst an. Ich bin auch gezwungen, es zu anzubauen, weil das Cannabis aus der Apotheke meine Bedürfnisse nicht befriedigt. Dieses Gesetz gilt nicht für die Apotheken, sondern für die Hersteller, die qualitativ hochwertiges Cannabis nur für Exportzwecke produzieren. Die Organisation, die sie gegründet haben, möchte, dass Blüten mit staatlicher Genehmigung für den Export ins Ausland zugelassen werden, während lokale Patienten nur die schlechte Apothekenqualität bekommen. Ich habe es geschafft, die Verabschiedung des Gesetzes aufzuhalten, weil es in dieser Form nur den Zwecken der Unternehmer gedient hätte, nicht aber den Patienten.

MED: Wie siehst du die Zukunft von Cannabis in Mazedonien?

FD: In der Arbeitsgruppe für Cannabisgesetzgebung wurde kürzlich auch der Freizeitgebrauch disskutiert. Ich weiß nicht, was auf lange Sicht daraus wird, aber ich bin optimistisch, auch wenn ich eine kurze Zeit im Gefängnis verbringen muss.

text: Bob Arctor

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