Grasregulierung mal anders

Katalonische Cannabis Social Clubs

Nach einer holprigen Anfangsphase scheint sich das katalonische System der Cannabis Social Clubs in den letzten anderthalb Jahren stabilisiert zu haben. Das von den Stadtverwaltungen unterstützte Modell führt nachweislich zu einem geringeren Cannabisgebrauch bei Jugendlichen; die Clubs hingegen bereichern mit beträchtlichen Steuerabgaben den Haushalt.

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Man kann nicht alles über einen Kamm scheren – lokale Lösungen sind nötig! Diese Erkenntnis war das Ergebnis der Konferenz „Städtische Drogenpolitik in einer globalisierten Welt“, die im Oktober 2010 in Prag abgehalten wurde. Mehr als fünf Jahre danach rief im Februar 2016 die zweite Konferenz zur städtischen Drogenpolitik in Warschau dazu auf, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Modelle in europäischen Städten angewendet werden. Darüber hinaus wollten die OrganisatorInnen zur Erarbeitung von Maßnahmen motivieren, die sich an die örtlichen Bedürfnisse anpassen und der Popularisierung der Drogenpolitik auf wissenschaftlicher Grundlage dienen.

In Europa verfügt man momentan über ausgesprochen wenig Erfahrung mit alternativen Cannabisregulierungsmodellen – die meisten Länder halten noch immer an den in den 1960er und 1970er Jahren verbreiteten Ansichten der UN-Drogenvereinbarung fest. Dabei werden die wissenschaftlichen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte außer Acht lassen, die belegen, dass der Cannabiskonsum mit relativ geringen Risiken verbunden ist, und die die positiven therapeutischen Wirkungen des Cannabis unter Beweis stellen. Die wissenschaftlichen Medien und die Drogenreformorganisationen erwarten von den kommenden UN-Sitzungen eine Klärung der Stellung des Cannabis und allgemein eine Aufhebung der Strafmaßnahmen bei Drogenkonsum.

Und dann gibt es einige AktivistInnen, die die Hintertürchen des momentanen Systems ausnutzen und ihre Vorstellungen verwirklichen wollen. Für solche Versuche bietet Spanien ein geeignetes Betätigungsfeld, denn dank der realitätsnahen Gesetze war der Konsum von Rauschmitteln nie verboten, auch nicht das sogenannte „soziale Dealen“ – der Einkauf für eine kleine Gruppe und der gemeinsame Konsum. Kommerzieller Handel ist natürlich etwas anderes und wird von den spanischen Gesetzen nicht toleriert. Wie die Idee der Cannabis Social Clubs (CSC) entstand, zu welchen Ergebnissen die ersten Versuche führten und wie das CSC-System funktioniert, darüber berichtete der stellvertretende Direktor des International Center for Ethnobotanical Education, Research and Service (ICEERS) Óscar Parés.

ARCELONA, SPAIN - AUGUST 22:  A member of staff recommends different classes of marijuana to a memeber of the club in a cannabis club on August 22, 2014 in Barcelona, Spain. Under Spanish law marijuana can be consumed and grown for personal use. According to self-regulated Cannabis Associations of Catalonia (FEDCAC) and Cannabis Associations Federation of Catalonia (CATFAC) there are currently more than 650 cannabis clubs in Spain, 55 of which are regulated under the Code of Good Practice  by these associations. The clubs are for members only, who have to be Spanish residents over 21 years of age, and who are introduced to the club by an existing member. More than half of the cannabis clubs can be found in Barcelona, where authorities are have imposed a one-year moratorium on new licenses for cannabis associations and it is searching for new ways to regulate these clubs as they are becoming increasingly popular. (Photo by David Ramos/Getty Images)

Eine Schwalbe macht schon einen Sommer

Der Vortrag von Óscar Parés konzentrierte sich auf das Territorium von Katalonien, wo innerhalb von Spanien die meisten CSCs zu finden sind. Allein in Barcelona gibt es etwa 200 Clubs, in ganz Katalonien sind es 350. Der Staat, der oft mit der Selbstständigkeit liebäugelt, verfügt nicht nur über ein eigenständiges Gesundheitswesen und eine eigene Polizei, sondern auch über eine autonome Drogenpolitik. Diese nutzten einige AktivistInnen im Jahre 1992, um den ersten Cannabis Club zu gründen. Unter Berufung auf die Erlaubnis, miteinander zu teilen und gemeinsam zu konsumieren, schufen sie einen Ort, an dem sie etwa 200 Cannabispflanzen züchten konnten. Ziel des Projektes – wie auch der heutigen CSCs – war es, den Bedarf der eigenen Mitglieder zu decken und den Schwarzmarkt zu umgehen. Die Polizei setzte dem Experiment jedoch bald ein Ende. Es dauerte anderthalb Jahrzehnte, bis ein neuer Versuch unternommen wurde. Mit etwas strengeren internen Regelungen wurde 2007 ein neuer Ort eröffnet. Im Jahr 2009 gab es schon 14 Clubs, die nach unterschiedlichen Modellen betrieben wurden, manche von ihnen hatten 500 Mitglieder. 2012 gab es schon fast 200 CSCs und die unterschiedlichen Betriebsstrukturen stellten ein immer größeres Problem dar: Genehmigungen für bis zu 10.000 Mitglieder wurden beantragt. Bei solchen Zahlen konnte auch die Polizei kein Auge mehr zudrücken; Kontrollen und Schließungen setzten ein. Als Resultat der pragmatischen katalanischen Denkweise kam der Staat jedoch nicht zu dem Schluss, dass der Ansatz verfehlt war und das CSC-System aufgegeben werden muss. Man vertrat vielmehr die Meinung, dass man zunächst die wilden Triebe stutzen müsse, um danach ein Reglement zu installieren, mit dem die Clubs ihre ursprüngliche Ziele verwirklichen können: Nämlich lediglich die Menge an Marihuana zu produzieren, die die Bedürfnisse einer überschaubaren Anzahl von Mitgliedern deckt. So entstand das einheitliche CSC-Modell.

Das einheitliche CSC-Modell

Es schreibt vor, dass jedes Mitglied das 18. Lebensjahr erreicht haben und am Ort ansässig sein muss. In einem Vertrag erklärt das Mitglied, dass es CannabiskonsumentIn ist, und gibt seinen monatlichen Durchschnittsverbrauch an, der 90 g nicht überschreiten darf. Wenn die genannten Kriterien erfüllt sind, können die ZüchterInnen für das Mitglied die genannte monatlich benötigte Menge an Cannabis produzieren. Das Mitglied kann dementsprechend höchstens die festgelegte Menge an Marihuana oder Haschisch im Club erwerben, was bei der örtlichen Verwaltung regelmäßig offengelegt werden muss. Bei diesem Modell gibt es also weder Verkauf noch Handel, sondern es werden die Anbaukosten gedeckt. Bei Einhaltung der Regeln entsteht nicht der geringste Verdacht des Handels.

Obwohl die CSCs, die den Kriterien nicht entsprachen, geschlossen wurden, verbreiteten sie sich weiter. Nach Ablauf von zwei Jahren ließ der Bürgermeister von Barcelona, der das Modell unterstützt hatte, verlautbaren, dass die katalanische Hauptstadt das neue Amsterdam wird. Im August 2014 startete die „Aktion Sativa“, in deren Verlauf 150 Cannabis Clubs überprüft wurden und 45 von ihnen schließen mussten. In der Folge beschloss das Parlament, den Betrieb der Clubs zu akzeptieren, sie aber zu einer speziellen Registrierung zu verpflichten, die Öffnungszeiten vorzugeben. Des Weiteren schreibt der Beschluss vor, dass präventive Strategien im Vordergrund stehen müssen, um die Gesundheit der Mitglieder zu schützen.

Spanien macht es besser

Die KonferenzteilnehmerInnen, die alternativen Regelungen gegenüber aufgeschlossen waren, interessierte natürlich auch, welche Auswirkungen das spanische CSC-Modell auf den Drogenkonsum hat. Am Ende seines Vortrags konnte Parés beruhigende Zahlen vorweisen: Im Vergleich zu den 2000er Jahren verringerte sich die Zahl derer, die im Vormonat Cannabis konsumiert hatten – in der Gesellschaft insgesamt und auch unter Jugendlichen. Dies lässt unterschiedliche Schlüsse zu: Cannabis gelangte nicht in größeren Mengen aus den Clubs heraus, vielleicht wurde auch von Dealern weniger Gras verkauft. Das wäre natürlich außerordentlich begrüßenswert, denn der Schwarzmarkt stellt eine der größten Gefahren dar. Einerseits weil die Dealer ihren KundInnen außer Marihuana auch andere Stoffe anbieten, und andererseits weil sie an Jugendliche in unbegrenzter Menge verkaufen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Cannabis Clubs mit einer entsprechenden Regulierung und einem überwachten Betrieb eine gute Alternative zur Legalisierung bieten und im Gegensatz zum holländischen System der Coffeeshops nur registrierten Ortsansässigen ermöglichen, sich Cannabis zu beschaffen. Ein weiterer Vorteil gegenüber den Coffeeshops liegt darin, dass die CSCs nur die Menge herstellen, die ihre Mitglieder zufriedenstellt, und daher die Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt auf den Schwarzmarkt gelangt, gering ist. Wann sich welches Modell in Europa verbreiten wird, das steht noch in den Sternen, jedenfalls glauben heute nur noch wenige Sachverständige, dass das gegenwärtige Drogenverbot – insbesondere bezüglich des Cannabis – noch lange aufrechterhalten werden kann.

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