Glaubensfreiheit oder Spinnerei?
Cannabis-Kirchen in den USA und Europa
Die Glaubensfreiheit als Aspekt der Religionsfreiheit gehört zu den elementaren Menschenrechten und ist durch zahlreiche Menschenrechtsabkommen und Deklarationen gesichert. In den vergangenen Jahrzehnten entstanden unter Berufung auf diese Abkommen versuchsweise die ersten Cannabis-Kirchen. Deren religiöse und spirituelle Ziele wurden jedoch von der Legislative regelmäßig infrage gestellt – und nicht einmal vollkommen grundlos.
Die 1971 von der UNO angenommene Konvention über psychotrope Substanzen weist in Richtung Gewissensfreiheit, da sie nicht die Pflanzen verbietet, die psychedelische Substanzen enthalten (Peyote, magic mushrooms), sondern nur die Wirkstoffe selbst. Obwohl es absurd erscheinen mag, besagt Art. 32 der Konvention, dass der religiöse Gebrauch der Pflanzen unter Schutz stehe. Dem ist unter anderem zu verdanken, dass die Huicholen – eine indigene mexikanische Ethnie, über die wir in einer früheren Ausgabe berichtet haben – bis heute legal ihren Peyote-Ritus ausüben können. Wir könnten aber auch das Beispiel der in den 1930er Jahren gegründeten brasilianischen Kirche Santo Daime anführen, deren zentrales Element die Ayahuasca-Zeremonie ist. Erst in den letzten Jahren kam man auf die Idee, zum rituellen Gebrauch von Cannabis eine Kirche zu gründen. Allerdings verbieten mehrere UN-Abkommen dies – und zwar nicht nur den Konsum des Hauptwirkstoffs THC, sondern die Pflanze selbst.
Legalisierung der Privilegien
Man könnte meinen, dass es in den Vereinigten Staaten nach der Legalisierung kein großes Kunststück mehr sein dürfte, eine solche Kirche registrieren zu lassen. Der erste erfolgreiche Versuch wurde allerdings in einem Staat unternommen, in dem nicht einmal der Cannabisgebrauch aus medizinischen Gründen erlaubt ist. Die Geschichte begann in Indiana mit einer Entschärfung des Religionsgesetzes, um die StaatsbürgerInnen bei der Ausübung ihrer Religion nicht mehr unbegründet zu diskriminieren. Im März 2015, zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes, stellte Bill Levin mit der Gründung der „Ersten Cannabis-Kirche“ dieses Gesetz auf die Probe. Er argumentiert: Wenn das Gesetz die Religionsausübung wirklich schützen solle, müsse auch der in diesem Staat illegale Marihuanakonsum geschützt werden, sollte die Kirchengemeinde durch ihn auf ein höheres geistiges Niveau gelangen. Der frühere Kandidat der Libertarian Party startete eine Kampagne, um für die Kirche einen Non-Profit-Status zu erlangen. Die Aktion war erfolgreich: Die Kirche wurde registriert und ihre erste Amtshandlung war es, den Staat Indiana zu verklagen, weil die Gläubigen wegen des Cannabisverbots ihre Religion nicht frei ausüben könnten. Die zwölf Gebote der Kirche erinnern eher an die Grundprinzipien einer Hippiekommune. Wir finden Gebote
wie: „Sei kein Arschloch. Behandle alle gleich, mit Liebe“ oder „Lache oft, sei humorvoll. Genieße dein Leben, sei positiv.“ Das zwölfte Gebot beschäftigt sich mit Cannabis: „Das Cannabis, die ‚Heilpflanze‘, ist unser Sa-krament. Sie bringt uns selbst und anderen näher. Das ist die Quelle unserer Gesundheit und Liebe, der Balsam für Krankheiten und gegen schlechte Laune. Aus tiefstem Herzen und aus tiefster Seele beten wir sie alleine und in Gemeinschaft an.“
Unterdessen in Tschechien
Das tschechische Kulturministerium lehnte den ersten Versuch, die Cannabis Church (CC) in Tschechien registrieren zu lassen, ab. Die Initiative dafür geht auf den Suchtsachverständigen und Psychotherapeuten Dušan Dvorák zurück, der schon seit gut zehn Jahren mit seinen Aktionen unangenehme Wahrheiten publik macht. Noch bevor es in seinem Land erlaubt war, baute er Cannabis für medizinische Zwecke an und versorgte damit PatientInnen. Nach seinen Angaben hat die Polizei schon mehr als 3.000 Pflanzen bei ihm vernichtet und ein Dutzend Verfahren gegen ihn angestrengt, aber er ist weiterhin auf freiem Fuß und es gelang dem Staat nicht, seinen Aktivismus zu brechen. Gegen die Entscheidung des Ministeriums legte die Leitung der CC sofort Widerspruch ein, mit der Begründung, der Staat hielte die Charta der Grundrechte und die im Gesetz über Kirchen und Religionsgemeinschaften niedergelegten Rechte auf Glaubensfreiheit nicht ein.
Das Kulturministerium lehnte im Jahre 2016 mehrere Gesuche zu Kirchengründungen ab, wobei ebenfalls die Umsetzung der freien Religionsausübung und die Gewissensfreiheit infrage gestellt werden. Die Cannabis Church reichte am 14. Juli 2016 einen Antrag ein, den das Kulturministerium am 22. Dezember ablehnte. Daraufhin wandte Dvorák sich am 30. Dezember an das Prager Amtsgericht und klagte das Ministerium der Untätigkeit und unrechtmäßiger Entscheidungen an, da er innerhalb von fünf Monaten nur eine nicht näher begründete Ablehnung erhalten habe. Im August 2016 hatte das Ministerium erklärt, dass es sich mit dem Antrag nicht beschäftigen werde, weil man den Glauben an die positiven Wirkungen des Cannabis nicht als Glauben und die Verbreitung dessen nicht als Religion betrachten könne. Dvorˇák ging gegen diese Entscheidung in Berufung und klagte dann wegen der Langsamkeit der Entscheidungsfindung auf Inaktivität. Im Dezember billigte der christdemokratische Kulturminister Daniel Herman die ergangene Ablehnung der Ministerialbehörde. „Nach Meinung des Ministers wollen wir eine Kirche zur Anbetung einer Droge einrichten. Davon ist in unserem Antrag nicht die Rede“, beklagte sich Dvorˇák. „Wir schrieben von einer spirituellen Verpflichtung … Und möchten Hospize gründen, Gefängnisse aufsuchen und notwendige Aufgaben übernehmen.“
Die Cannabis Church betreibt eine Webseite, auf der wir lesen können, dass die Kirche ihren Mitgliedern den besten Rechtsschutz biete, wenn sie aus spirituellen Gründen Mohn, Cannabis oder andere psychoaktive Pflanzen züchten wollen. In Tschechien gibt es augenblicklich 38 angemeldete Kirchen. Im Gegensatz zu den traditionellen bekommen neu angemeldete Kirchen keinerlei Unterstützung vom Staat. Dvorˇák erhebt nun den Vorwurf, dass die Entscheidungen über neue Kirchenkandidaten immer aus christlicher Perspektive gefällt würden. Diese Kritik kann man wohl bei der Zulasseng der 2014 entstandenen Gemeinschaft Josef Zezulka nicht erheben: Diese wirbt für ein Heilmittel namens Biotronik. Wenn dieses Heilmittel anerkannt wird, dann dürfte wohl auch der Gedanke an eine Cannabis-Kirche nicht vollkommen abwegig sein denn die Vorzüge des Medizinalcannabis werden in Tschechien mittlerweile anerkannt und genutzt. Und wenn die CC dann registriert wird, was spricht dann noch gegen eine Kirche des Aloe Vera oder des Aspirins?