Forschung über das Wohlempfinden ist nötig

Forschungen zu illegalen Mitteln untersuchen in den seltensten Fällen die positiven medizinischen Wirkungen. Doch wir würden über uns selbst sehr viel mehr erfahren, wenn wir jenseits von Positiv und Negativ analysieren würden. Es wäre z. B. die Frage zu klären, welches Erleben der Konsum von Cannabis im Leben eines Individuums hervorruft. Es ist also an der Zeit, das Erleben zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen.

Der seit Generationen andauernde Krieg gegen die Drogen übt einen stark hemmenden Einfluss auf die Forschung aus und dies ist folglich eine der vielen negativen Begleiterscheinung. Man kann nicht behaupten, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Untersuchungen über illegale Drogen erstellt worden seien. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Es ist eine Unmenge an Untersuchungen entstanden. Das Problem ist, dass diese sich mit nur wenigen Ausnahmen auf die Risiken fixierten. Es versteht sich von selbst, dass die Risiken und unerwünschten Nebenwirkungen eines Mittels gründlich untersucht werden müssen. Ohne dies kann man keine neuen Medikamente in Umlauf bringen. Wenn wir uns aber nur auf die negativen Wirkungen konzentrieren, erhalten wir ein Zerrbild von den KonsumentInnen bestimmter Drogen. In Erinnerung bleibt die Kampagne gegen Metamphetamin in den USA, die mit erschreckenden Bildern operierte und verkündete: „Not even once“. Die Mehrheit der ForscherInnen untersuchte die physischen und psychischen Schädigungen durch den Konsum von Metamphetamin, aber kein/e Einzige/r beschäftigte sich damit, warum Millionen diesen Stoff benutzen. Weil er für ein paar Stunden aufputscht? Das ist völlig unzutreffend. Untersuchungen, die sich auf Schädigungen konzentrierten, haben in der Vergangenheit auch die breite medizinische Anwendung von Cannabis verschleiert. Jahrzehntelang war nur zu hören, dass das Kiffen die Lungen und das Kurzzeitgedächtnis schädigt und sogar Psychosen auslösen kann. Über die KonsumentInnen hörte man nur, dass sie sich einem dummen Rauschen hingeben. Trug dies zur Erklärung bei, warum Cannabis das am weitesten verbreitete illegale Mittel ist? Nein, mit absoluter Sicherheit nicht!

 

Von der Selbstheilung zum Stimulieren von Erlebnissen

In den letzten Jahren wurden wir ZeugInnen einer positiven Veränderung. Inzwischen bekommen die Untersuchungen der medizinisch positiven Wirkungen von Cannabis und anderer Drogen – beispielsweise Wunderpilze und MDMA – etwas mehr Gewicht, doch dabei sollte man es nicht belassen. Es wäre wichtig, bei jedem Mittel zu untersuchen, welches Erleben es den KonsumentInnen bietet und weswegen gelegentlich oder regelmäßig zu diesem Mittel gegriffen wird. Dies zu wissen wäre auch nützlich, um die Menschen besser zu verstehen, die mit einer Abhängigkeit kämpfen. Von Dr. Gabor Mate aus Kanada erfuhren wir, dass die Menschen, die mit einer schweren Drogenabhängigkeit kämpfen, zum größten Teil schwere Traumata erlebt haben und ihren Drogenkonsum als ein Experiment zur Selbstheilung betrachten. Wäre das Wissen über die Wirkungsweise der Selbstheilung fundierter, könnten wir unsere Einstellung zur Therapie gründlich überarbeiten. Und das ist nur die eine Seite. Viele stellen sich die Frage, warum gesunde ausgeglichene Menschen Drogen konsumieren. Wir alle kennen die Auffassung, dies als Schwäche und Bewusstseinsveränderung zu werten. Den solchermaßen Vorverurteilten würde zur Untersuchung des Wohlempfindens helfen, wenn sie nützliche Informationen über die erlebten Genüsse hätten, die darüber Aufschluss geben, welche Dosen man konsumiert, um bestimmte Formen des Erlebens hervorzurufen. Ein ebenfalls wichtiger Gesichtspunkt ist auch hier die Schadensminimierung, denn wie kann ein/e Genusssuchende/r sicher sein, dass sein Konsum nicht zu Problemen führt. Mit solchen Kenntnissen könnten wir wesentliche Informationen anbieten, damit der Gebrauch dieser Mittel zu einem Vergnügen mit minimalsten Risiken wird.

Untersuchungen zum Nutzen aller

Nachdem beim Cannabis trotz bürokratischer Hindernisse die medizinische Forschung akzeptiert ist, ist dies bei den meisten anderen illegalen Mitteln fast unvorstellbar. Der Grund ist nicht das Desinteresse der ForscherInnen daran, wie beispielsweise Mescalin oder Ayahuasca mit positiven medizinischen oder psychischen Wirkungen angewandt werden können. Es liegt einzig und allein daran, dass es nahezu unmöglich ist, für solche Untersuchungen eine Finanzierung zu bekommen. Die Mitte der 1980er Jahre gegründete Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), die sich mit psychedelischen Forschungen beschäftigt, beschaffte sich die nötigen Mittel meist aus öffentlichen Geldern. Aber wir können auch die 2012 ins Leben gerufene Medical Cannabis Bike Tour anführen, die mit ihren Wohltätigkeitstouren mehrere 100.000 € zur Unterstützung der Forschungen zur Wirkung des Cannabis bei Tumoren gesammelt hat. Diese Forschungen sagen aber immer noch zu wenig darüber aus, ob ein gesunder Mensch von dem Konsum bestimmter Mittel profitieren kann. Und das wird auch so lange so bleiben, wie die Anti-Drogen-Ideologie vorherrscht. Jeder, der es wagt über positive Wirkungen zu sprechen, wird stigmatisiert, ganz zu schweigen davon, wenn man versuchen würde mit Forschungen diese Effekte zu beweisen. Deshalb kann man sicher seien, dass Untersuchungen über das Wohlempfinden schon im Voraus einer beträchtlichen Kritik ausgesetzt sein würden. Angefangen damit, dass sie den Jugendlichen eine falsche Botschaft übermitteln würden. Schnell würde sicher auch das Vorurteil aufkommen, dass sie von den Drogenkartellen finanziert wurden. Und hier bekommt die Legalisierung eine wichtige Rolle. In den Vereinigten Staaten sieht man den Drogenkonsum nach dessen Entkriminalisierung nicht mehr als Straftat, sondern als medizinisches und gesellschaftliches Problem an. Man kann auch die Motivationen für den Konsum offener erörtern und bei Problemfällen ist es keine Schande, Hilfe zu suchen. Heute betrachten nicht mehr nur liberale Organisationen, sondern z. B. auch das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) den Drogenkonsum in erster Linie unter einem medizinischen Aspekt. Und wir können sicher sein, dass die Gesellschaft nur davon profitieren wird, wenn die Wissenschaft ein genaues Bild der Motivationen des Konsums mit dem Ziel des Genusses zeichnet. Mit der Kenntnis der Motivationen wird auch die Risikoprophylaxe erleichtert und es lässt sich auch mit größerer Sicherheit eine erfolgreiche Therapie für problematische KonsumentInnen erarbeiten, wenn die Ursachen der Leidenschaft endlich erforscht sind.

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