Die kanadische Charity-Dispensary

Ein Gespräch mit dem 44-jährigen Kanadier Jerry Martin aus Whitewood, der eine Abgabestelle für medizinisches Marihuana betreibt.

In der Kleinstadt Whitewood in der Provinz Saskatchewan in Kanada ist ein Philanthrop am Werk. Jerry Martin berichtet, dass er mit seinen Finanzhilfen die lokale Feuerwehr unterstützt, das lokale Schwimmbad renoviert, neue Bibliotheken baut und sogar für bedürftige Kinder die Kosten für Ferienlagerfahrten übernimmt. Wenn er alles zusammenrechnet, kommt er auf mehr als 90.000 kanadische Dollar (CAD, ca. 65.000 Euro), die er in diesem Jahr bereits gespendet hat.

„Niemand anderes unterstützt unsere Stadt so intensiv wie wir“, sagt Jerry Martin im Interview.

Aber nicht jeder in der Stadt heißt seine Wohltaten gut, denn das Geld dafür verdient Martin mit seiner Medical Cannabis Dispensary („Cannabisapotheke“). Damit teilt er die Stadt und seine gerade einmal 1.000 EinwohnerInnen in zwei Lager.

Manche beschreiben ihn als großzügigen Geschäftsmann, andere vermuten, er könnte die öffentliche Meinung über Cannabis (und die Dispensarys) beeinflussen, wiederum andere sind der Meinung, dass Jerry Martin einen negativen Einfluss auf die Jugendlichen von Whitewood hat.

nullMartin hat eine schwierige Jugend hinter sich: Er begann mit 14 Alkohol zu trinken, ein Jahr später nahm er Kokain. Nach dem Schulrauswurf, sagt er, war er über den Zeitraum von 20 Jahren immer wieder im Gefängnis. Vor gut zehn Jahren, nach erfolgreichem Entzug, zog er nach Whitewood in die Nähe seiner Mutter. Dort begann er den Neuanfang mit Martin Medical Services.

Martin berichtet, dass seine Dispensary über 400 Mitglieder zählt, die meisten davon sind aus der Gegend von Whitewood. Seine Produkte wurden in einem Labor in British Columbia auf ihren Cannabinoidgehalt getestet. „Wir verkaufen im Monat zwischen sieben und zehn Kilogramm Cannabis. Die PatientInnen verwenden ihre Medizin für die verschiedensten Krankheiten und Beschwerden wie zum Beispiel Krebs, Depressionen, Angst, Epilepsie, Morbus Crohn, bipolare Störung, Neuroborreliose, Fibromyalgie und viele mehr“, erzählt uns Jerry Martin, „unsere Kunden haben eine große Auswahl an Cannabisprodukten abseits der Blüten, wir bieten ihnen diverse Öle und Extrakte wie RSO, Shatter, Budder, Haschisch, Live Resin an, aber auch ‚Edibles‘ (essbare Cannabiswaren wie Kekse, Lollipops etc.), sublinguale Sprays, Kapseln, Salben und Cremen sind in unserem Sortiment vertreten. Auch Kinder zählen zu unseren Kunden, diese bekommen meist Öle und Extrakte mit hohem CBD-Anteil gegen Epilepsie, Krebs und tuberöse Sklerose. Unsere onkologischen PatientInnen bevorzugen Öle mit einem hohen THC-Anteil – wie beschrieben von Rick Simpson. Aber es hängt auch von der Art des Tumors ab, welche Cannabinoidzusammensetzung zu bevorzugen ist. Mit den Extrakten können eine Vielzahl von Symptomen und Krankheiten behandelt werden.“

Martin erklärt, dass seine Apotheke die Cannabisprodukte innerhalb Kanadas auch per Post versendet, „damit die Patienten leichter und unkomplizierter zu ihrer Medizin kommen. Aber natürlich sind wir auch von Montag bis Samstag in der Apotheke, um unsere PatientInnen zu bedienen.“

„Ich versuche, die Preise so niedrig wie möglich zu halten, ein Gramm Blüten kostet bei uns 5–7 Euro, Öle 15–30 Euro und die ‚Edibles‘ gehen für 3–8 Euro weg.“ Er beschreibt seine Apotheke als ein Non-Profit-Unternehmen. „Es ging mir nie um Geld für mich, mein Fokus war es, Cannabis als Medizin bekannt zu machen und Änderungen der rechtlichen Situation zu erreichen.“

Martin berichtet uns, dass er für dieses Jahr geplant hatte, 50.000 CAD zu spenden, aber mittlerweile schon bei knapp 100.000 CAD angekommen ist. Er ergänzt, dass er im nächsten Jahrzehnt eine Million CAD für die Gemeinschaft spenden will.

Jerry Martin hat bereits einen offiziellen Warnbrief bekommen – er wird darin aufgefordert, alle Aktivitäten mit kontrollierten Substanzen zu beenden, andernfalls müsse er mit Strafverfolgung rechnen. Die Verfolgung in Kanada ist regional verschieden. Während in Vancouver solche Dispensarys nicht belangt werden, sind Hausdurchsuchungen, Schließungen und Verhaftungen für viele Apotheken in Kanada eine reale Bedrohung.

Martin erzählt: „Ich bin optimistisch, dass sich der Zugang zu dem Thema bald ändern wird, zumal der neu gewählte liberale Präsident Justin Trudeau versprochen hat, Cannabis zu legalisieren und seinen Verkauf zu regulieren. Ich hoffe, dass die neuen Regeln Dispensarys wie meine legalisieren.“

Lokale Beamte der Royal Canadian Mounted Police, also der königlichen kanadischen berittenen Polizei, waren schon bei ihm vor Ort, „aber die haben ganz offensichtlich kein Interesse, mich zu verhaften.“

Sein nächstes Vorhaben ist eine Expansion seiner Marke in alle Teile Kanadas. Er möchte sechs weitere Standorte eröffnen. „Wir wollen einfach weiterhin wachsen und etwas Gutes für die Gemeinschaft tun. Schulen und eine größere Bibliothek bauen, Parks anlegen … einfach gute Taten verrichten für die Gesellschaft!“

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