Die Augen öffnen

Cannabisaktivist Khodr „Cutter“ Merhi über Dänemark und die Expo North Grow

Dänemark hat den medizinischen Cannabiskonsum im Jahr 2015 legalisiert, alle dänischen Parteien im Parlament hatten in dieser Frage mit Ja gestimmt. Einmalig, dass sich unsere PolitikerInnen in dieser Frage einig sind. Seit Januar 2018 ist es in Dänemark auch erlaubt, Cannabis zu produzieren, insofern man eine Lizenz vorweisen kann. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres wurden 17 neue Unternehmen für die Produktion von Cannabis in Dänemark zugelassen.

Vor fast zehn Jahren sahen wir auf der Cultiva einen leeren Stand. Neben einem leeren Tisch saßen zwei Typen. Sie legten ein Stück Hasch und ein Papier mit der Aufschrift „20 €“ auf den Tisch. Wir fragten sie, was sie da täten, ob sie Haschisch verkauften? Nein, sagten sie, das tun wir nicht. Wir nahmen das Hasch und fragten nach mehr. Cutter Merhi, Cannabisaktivist aus Dänemark, saß hinter dem Tisch und beantwortete unsere Fragen. Das war unser erstes Zusammentreffen.

Medijuana: Was ist aus dem Smokenhagen-Coffeeshop-Projekt geworden? Hast du das dänische Gefängnis endlich mal ausprobiert oder noch nicht?

Khodr „Cutter“ Merhi: Nach einem langen Jahr des Aktivismus und der Debatten haben wir beschlossen, dass unsere Mission abgeschlossen ist. Denkt daran, dass wir den Smokenhagen Coffeeshop nur eröffnet haben, um eine Debatte über die Legalisierung anzustoßen, und das ist uns auch gelungen. Seitdem ist die Debatte intensiver geworden, und jetzt scheint es, dass wir kurz davor stehen, unseren Willen zu bekommen. Dänemark will Cannabis demnächst legalisieren.

MED: Können dänische Ärzte Cannabis verschreiben? Können Patienten CBD und andere Cannabisprodukte kaufen oder müssen sie wie früher in Christiania Gras kaufen?

KM: Ja, in Dänemark kann ein Patient Cannabisblüten oder -öle bekommen, bald werden wir auch Extrakte und einige Lebensmittel in den Apotheken haben. Patienten müssen ein Rezept von einem Arzt vorlegen, um das Medikament in der Apotheke zu erhalten. Dänische Ärzte sind nicht allzu begeistert davon, Cannabis als Medikament auszugeben, daher ist es nicht einfach, ein Rezept zu bekommen. Daher landen viele Menschen immer noch in der Pusher Street und kaufen auf dem Schwarzmarkt. Meiner Meinung nach sollten sie stattdessen ihr eigenes Gras züchten. Ich weiß mit Sicherheit, dass wir einen Boom im Heimanbau von Cannabis haben.

MED: Können die Patienten zu Hause selbst Cannabis anbauen, ist das legal?

KM: Nein, sie können es im Moment nicht legal machen, aber ich sage jedem, dass er es tun soll. Das Risiko, beim Kauf von Cannabis auf dem Schwarzmarkt erwischt zu werden, ist viel höher als das Risiko, beim Eigenanbau erwischt zu werden. Auch für medizinische Zwecke muss man wirklich sicher sein, was man bekommt – also ist es für einen Patienten das Beste, selbst zu züchten.

MED: Wie viele Cannabispatienten gibt es ungefähr in Dänemark? Gibt es einen Registrierungsprozess für sie?

KM: Wir haben 1.500 Patienten, die an dem staatlich geförderten Cannabistherapieprogramm teilnehmen. Sie leiden an ALS, MS, Krebs und schweren Traumata. Jeder andere, der medizinisches Cannabis verwenden möchte, muss sich ein Rezept von seinem Hausarzt besorgen, wenn er glaubt, dass Cannabis ihm helfen kann. Wir registrieren Patienten nicht nach medizinischen Präferenzen, aber es gibt jetzt einige Organisationen, die sich für die Rechte von medizinischen Cannabiskonsumenten einsetzen.

MED: Was ist mit den nicht registrierten Patienten oder den Freizeitnutzern? Ist das im Moment vollkommen illegal? Oder können sie zu Hause selbst Cannabispflanzen anbauen?

KM: Freizeit-Cannabis und Selbstmedikation sind in Dänemark verboten. Offiziell haben wir Nulltoleranz beim Besitz, sodass schon ein einziger Joint 300 Euro Strafe kostet. In der Praxis ist die Polizei lockerer und die Öffentlichkeit interessiert sich überhaupt nicht für jemanden, der auf der Straße einen Joint raucht. Wir sind hier sehr liberal, aber auf dem Papier sind die Gesetze Mist. Durch meine Arbeit habe ich mit vielen Regierungsbeamten gesprochen. Im Moment glauben wir, dass Cannabis bald legalisiert wird. Der Direktor der dänischen Arzneimittelagentur sagte mir letzte Woche, dass er glaube, dass Dänemark in zwei bis drei Jahren legalisieren wird.

MED: Was denkt die dänische Gesellschaft über den Cannabiskonsum? Sind die Leute überwiegend tolerant oder unterstützen sie die Prohibition?

KM: Die dänische Gesellschaft nimmt Cannabis mit offenen Armen auf. Es gibt kein Tabu und in allen Familien gibt es mindestens einen medizinischen oder Freizeitkonsumenten. Mit dem zunehmenden Konsum von medizinischem Cannabis ist das Tabu völlig verschwunden. Jetzt bitten die Eltern ihre Kinder um Cannabis, um der Großmutter zu helfen. Das war vor fünf Jahren undenkbar. In der Öffentlichkeit gibt es eine Mehrheit für die Legalisierung von Cannabis, das zeigen alle Umfragen. Aber im Parlament sind leider 70 Prozent dagegen.

MED: Letzten Sommer war ich in Christiania. Alles ist wie vorher. Was tun die Menschen, was tut die Regierung gegen den Schwarzmarkt?

KM: Dänemark hat einen riesigen Markt für Cannabis. Es wird geschätzt, dass jedes Jahr mehr als 200 Millionen Euro in der berüchtigten Pusher Street von Christiania den Besitzer wechseln. Das geht schon seit mehr als 40 Jahren so. Alle vier bis fünf Jahre sehen wir einen Anstieg der Polizeirazzien und Verhaftungen, aber fünf Minuten später ist alles wieder wie immer. Diesen Sommer gab es mehr Polizisten als je zuvor, die in Christiania und im Bereich der Pusher Street patrouillierten. Sie haben in den letzten vier Wochen mehr als 100 Händler und Angestellte verhaftet und viele Kilo Cannabisprodukte beschlagnahmt. Der derzeitige Justizminister Søren Pape glaubt, dass er die organisierte Kriminalität durch Polizeirazzien bekämpfen könne. Das wird nie gelingen, daher plädieren wir für die Legalisierung. Es ist ein harter Kampf mit ihm. Glücklicherweise wird er in dieser Angelegenheit nichts mehr zu sagen haben, da seine Tage als Minister gezählt sind.

MED: Warum habt ihr beschlossen, die Hanfmesse North Grow in Kopenhagen zu organisieren?

KM: Der Grund, warum wir die North Grow Cannabis Expo hier in Dänemark organisieren, ist, die Öffentlichkeit und die Politik über die Entwicklung in der Cannabisindus-trie zu informieren. Das Ziel ist es, die Augen für eine große kommerzielle Industrie mit vielen Aspekten und Branchen zu öffnen. Bei Cannabis geht es nicht nur darum, Gras in einer Höhle zu rauchen. Es ist so viel mehr als das – und das wollen wir zeigen. Dass es eine florierende Branche mit vielen professionellen und sogar innovativen Unternehmen ist. Die Messe wird auch eine Konferenz zum medizinischen Cannabis und ebenso über Freizeit-Cannabis anbieten. Auf diese Konferenz haben wir dänische Politiker und Patientenorganisationen eingeladen, viele von ihnen haben zugesagt, zu kommen und zu diskutieren. Dies wird hoffentlich die Debatte über Cannabis auf die nächste Ebene heben.

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