Das Cannabisverbot verletzt mich in meiner Würde

„Warum bin ich eigentlich kriminell, nur weil ich rauche?“

Martini Meinreiß aus Bayern scheut nicht zurück vorm Kontakt mit vermeintlichen Gegnern, selbst mit CSUlern hat er eine solide Gesprächsbasis. Nun war er für das Knowmad-Insitut Wien als Beobachter bei der Commission on Narcotic Drugs (CND).

Medijuana: Ich würde dich bitten, dich kurz vorzustellen und uns zu erzählen, in welche Legalisierungsaktivitäten du eingebunden bist.

Martini Meinreiß: Ich bin Martini, komme aus Augsburg/Bayern, aus dem Süden Deutschlands. Bin jetzt mit dem Knowmad-Institut aktiv, ich war jetzt drei Tage bei der UNO, wo es um unser Cannabis ging, es war sehr interessant. Dazu gekommen ist es, da ich mich vor drei, vier Jahren gefragt habe: „Warum bin ich eigentlich kriminell, nur weil ich rauche?“ Der war auf einmal da, dieser Gedanke. Dann hab ich meine Stadträte angeschrieben und sie gefragt, warum ich kriminell bin und was sie zu dieser Thematik denken. Ich hab mir zu Beginn gedacht: „Kann ich überhaupt mit diesem Thema kommen?“ Ich hab ja mit Stadträten noch wie was zu tun gehabt. Und jetzt war ich bei der UNO und hab mit Diplomaten geredet. Ich habe erstaunliche Antworten bekommen, die ich nicht erwartet hatte – es sind ja schließlich Politiker. Dann habe ich gesehen, dass es den deutschen Hanfverband gibt, da bin ich Mitglied geworden, hab eine Ortsgruppe gegründet, hab Aktionen gestartet, zwei Kundgebungen gleich innerhalb von zwei Wochen, weil ich nicht genau wusste, was der Global Marijuana March ist, aber ich wollte mitmachen. Mittlerweile machen wir den fünften oder sechsten. Bundespolitiker sind mit dabei, und beim nächsten Mal werde ich einen CSU-Politiker dabei haben. In dieser Zeit hab ich gemerkt, dass man mit Politikern reden kann, man sollte mit ihnen reden. Mittlerweile bin ich „der von Hanf“, so werde ich in der SPD vorgestellt, und zwar freundlich, sehr freundlich. Ich habe mit vielen an der Spitze reden können. Gerade habe ich ein Gespräch mit Herrn Pilsinger gehabt, der ist im CSU-Gesundheitsausschuss. Das ist es, was mich interessiert: Dass man mit diesen angeblichen Gegnern redet, ihnen mal zuhört und natürlich die Frage stellt: „Warum bin ich kriminell?“ Das ist immer noch meine Frage und die betrifft meine Würde, die Human Dignity. Ich bin erwachsen und ich verlange eigentlich vom Staat, dass er mich schützt. Ich konsumiere wie Millionen andere und wir haben einen Markt, wo Tonnen und Tonnen eines Konsumgutes ohne jede Regulierung und Kontrolle gehandelt werden. Das will ich ändern. Ich will nicht anbauen, ich will im Laden kaufen können und wissen, was drinnen ist, ich will Standards haben. Ich habe gemerkt, dass das zu wenige Leute machen: an Leute herantreten. Es gibt schon viele, die das machen – mal mit Leuten reden, von denen man meint, der ist eh dagegen, mal versuchen, sie nicht öffentlich bloßzustellen, sondern ihnen ein Schlupfloch bieten.

MED: Kannst du schon Erfolge verbuchen? Gibt es Gegner, die jetzt dafür sind?

MM: Ich hab mit der CSU vor zwei Jahren eine Veranstaltung gemacht zum Thema Cannabis, wo viele im Publikum von der Jungen Union waren – ich werde heute noch von den jungen Männern gegrüßt. Es lief sehr gut, es war ein Bundestagsabgeordneter der CSU dabei, Dr. Ulrich, ein Jurist, und Herr Schwab, Stadtrat und Polizist – jemand, der keine Kiffer mag. Und der ist ein Jahr später auf einer CSU-Veranstaltung, ein Neujahrsempfang, wo ich eingeladen war, auf mich zugekommen, quer durch den Raum, und hat gesagt: „Sie haben Recht gehabt.“ Der grüßt mich heute wie einen Freund. Mittlerweile hat mir zum Beispiel auch der Polizeichef der Bereitschaftspolizei eine Freundschaftsanfrage auf Facebook geschickt, sowas sehe ich als Erfolg.

konferenz

MED: Du hast erwähnt, dass du bei der UNO warst, was hast du dort gemacht?

MM: Ich war als Beobachter eingeladen, das war eine große Ehre. Ich bin über eine belgische Organisation dort gewesen, die haben ihren Sitz für mich freigemacht. Ich hatte kein Stimmrecht, bei den NGOs hat nur einer von uns ein Stimmrecht. Dort sind nicht nur Staaten, sondern auch Organisationen wie Interpol anwesend. Es wurde drei Tage lang über Cannabis geredet – ein sehr gepflegter Austausch, wenn man da 180 Nationen sitzen hat. Da soll es mal so eine Raumschiffserie gegeben haben, wo so eine intergalaktische UNO war. Da gehst du rum und das ist live, du siehst alle verschiedenen Menschen und jeder kann reden, da wird keiner ausgeschimpft. Die Frau von der Menschenrechtskommission hat Applaus bekommen – eigentlich macht man das nicht, man hört nur zu und im Anschluss wird gearbeitet. Ich bin reingekommen, weil ich Mitglied beim Knowmad-Institut bin.

MED: Es wurde erwartet, dass die WHO eine Empfehlung abgibt, dass Cannabis neu eingestuft wird. Das ist nicht passiert. Wie siehst du das?

MM: Die WHO hat jetzt auf ihrer 41. Sitzung beschlossen, Experten anzuhören, die nicht die alte Meinung vertreten, und hat dann daraus ein Outcome gemacht. Das ist sehr positiv – wenn du das liest, da sind viele Sachen, da bekommst du einen Grinser im Gesicht. Der Critical Review kommt aber zu keinem Ergebnis, der sagt, es gibt diese Studie und diese Studie. Mit 50 Seiten Fußnoten. In Genf habe ich schon gemerkt, die bemühen sich, die wollen was ändern, da bin ich mir sicher, sonst hätten sie nicht diesen Prozess gestartet. Sie haben angekündigt, dass es viel Arbeit wird, und am Freitag haben sie verkündet, dass es einfach noch in Arbeit ist. Es gibt die einen, die meinen, dass es absichtlich verzögert wird. Ich glaube aber wirklich, dass sie gesagt hätten, wenn es politisch klar wäre, dass Cannabis ein No-Go ist und die Kräfte in der WHO das nicht erlauben würden, dann wäre ein ablehnendes Statement gekommen.

MED: Du bist jetzt aktiv im Knowmad-Institut, einer internationalen Organisation, die sich für die Menschenrechte einsetzt.

MM: Das Knowmad-Insitut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschenrechte und Wissenschaft zusammenzubringen. Auf der ganzen Welt gibt es viele Erkenntnisse. Da, wo es wirklich brennt um Menschenrechte, fehlt es oft an Kommunikation oder an Informationen, da sind Wissenschafter, die zwar was publiziert haben, aber das kommt bei uns nicht an. Wir versuchen auf der einen Seite, die Wissenschaft zu sammeln und doktrinfrei zu machen. Wir haben innerhalb kürzester Zeit ein fantastisches Netzwerk an Experten, die uns ihre Arbeitsleistung zur Verfügung stellen, also die nicht nur sagen: „Find ich gut, bin ich dabei“, sondern die für die Studien, die wir bereitstellen, arbeiten. Damit wollen wir eine Basis schaffen, die für alle offen ist, und diese zugänglich machen, um auf die Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen, die zum größten Teil ja nicht hier in Deutschland passieren. Das Menschenrecht, zu kiffen, ja, das kann sein, aber es berührt viel eher meine Würde, meine Ehre. Ich bin nicht kriminell, also muss ich mich um Human Dignity kümmern in Deutschland und in Europa. Mit jedem Deal, den wir machen, geht Geld an irgendeinen dreckigen schwarzen Kanal, und am Ende sind immer die Frauen die Loser. In Südamerika sind die meisten wegen Drogenhandel Inhaftierten Frauen.

MED: Da sieht man, dass Menschrechtsverletzungen und Prohibition eng miteinander verbunden sind.

MM: Beim Knowmad-Institut sind alle Freunde von Cannabis, dort kann ich durch mein Netzwerk und meine Arbeit beim DHV-Regionalbüro eine gute Verbindung herstellen. Klar ist mein ureigenstes Thema Cannabis und Human Dignity. Bei den Human Rights habe ich jetzt erst so richtig einen Einblick bekommen, was das heißt. Eigentlich müsstest du aufhören zu kiffen, wenn du nicht selbst anbaust – wir finanzieren den ganzen Scheiß, den wir nicht wollen. Und jetzt bin ich in einer Organisation, die sich schon seit Jahren, speziell in Südamerika, um Menschenrechte kümmert. Einer der Gründer, Martin Diaz, hat schon mehrmals vor der UNO gesprochen, da musst du schon was herzeigen können. Er hat gemeinsam mit seiner Frau Daniela das Knowmad-Institut gegründet, wir sind steuerrechtlich anerkannt, gemeinnützig. Klar auch im kirchlichen Bereich angesiedelt, Martin und Daniela sind beide Pastoren. Ich finde es ganz fantastisch, dass ich mit solchen Leuten arbeite, hätte nie gedacht, dass ich mit „der Kirche“ zusammenarbeite. Ist so nicht mein Thema, ich glaub an die Wissenschaft: Beweis mir’s, und dann können wir darüber reden.

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