Colorado: Sorgen um Qualität

Das Cannabis ist zu potent und verseucht

Im Zusammenhang mit der letzten, im Januar in Kraft getretenen Legalisierung in Colorado konnten wir bisher nur Positives berichten. Sie brachte dem Staat erstaunliche Steuereinnahmen, schuf neue Arbeitsplätze, reduzierte den Alkoholkonsum und parallel dazu die häusliche Gewalt. Es stellte sich heraus, dass der Himmel nicht einstürzt, wenn man die Blüten einer allgemein geschätzten Pflanze legal erwerben kann.
Colorado: Sorgen um Qualität

Um die Wahrheit zu gestehen: Wir hatten mit zahllosen Kinderkrankheiten gerechnet, die Modifizierungen der Regeln nach sich ziehen würden. Bis jetzt aber bereiteten wahrscheinlich Speisen mit zu hohem THC-Gehalt die größten Schwierigkeiten. Die umfassende Studie des Testlabors Charas Scientific macht jedoch auf ein viel grundlegenderes Problem aufmerksam: Es gibt ein Problem mit der Qualität des Cannabis von Colorado.

Verunreinigungen und Parasiten

Die Qualitätskontrolle der in den USA in Umlauf befindlichen Cannabissorten ist keine neue Angelegenheit, Werc Shop in Kalifornien prüft schon seit 2010 die eingesandten Proben, die zum größten Teil für den medizinischen Markt bestimmt sind. Das Labor analysiert – abgesehen davon, dass es die Cannabinoide und das Verhältnis der verschiedenen Terpene bestimmt – auch die Verunreinigungen und das Parasitenvorkommen. Obwohl es den Einreicher der Probe über Letzteres verständigt, bedeutet dies keine Verpflichtung für den Anbauer. Wenn dieser unverschämt genug ist, kann er seine Ernte trotzdem an die Apotheken verkaufen.

Ähnlich ist die Lage in Colorado bei dem für den Genuss gedachten Marihuana. Chara Scientific in Denver untersuchte mit einer anderen Methode – dem persönlichen Einsammeln der Proben – den Cannabismarkt von Colorado. Die Ergebnisse sind auch hier nicht befriedigend. Andy LaFrate und seine Kollegen untersuchten 600 Proben, die von lizenzierten Züchtern stammten. In seinem Vortrag auf der Sitzung der American Chemical Society fasste LaFrate die Ergebnisse zusammen: Die untersuchten Proben verfügten in geringem Maße über medizinische Qualität und in großer Zahl waren sie mit Chemikalien verunreinigt beziehungsweise von Pilzen oder Parasiten befallen. „Ich will keine Panik schüren oder die Menschen in Schrecken versetzen, aber wir haben einiges stark verunreinigtes Marihuana gefunden“, ließ LaFrate gegenüber NBC News verlautbaren. Er fügte hinzu: Da von natürlichen Stoffen die Rede sei, gäbe es in den Proben immer etwas Verunreinigung, es sei aber nicht gleichgültig, wo man die Menge festsetze, die für den menschlichen Gebrauch eine Gefahr bedeutet, und bei welchen Chemikalien ausgesprochene Bedenken angesagt sind. Die Untersuchung der Cannabisproben umfasste auch 200 Konzentrate. Hier erwähnte LaFrate die Lösungsmittel, beispielsweise das häufige Vorkommen von Butan, das besonders gesundheitsschädlich ist.

Das Cannabis ist zu potent und verseucht

Weit entfernt von medizinischer Qualität

Die Forschergruppe machte auch auf ein weiteres Phänomen aufmerksam: den hohen THC- und niedrigen CBD-Gehalt (Cannabidiol) der untersuchten Sorten. Wer die alarmierenden Nachrichten über die potenten Skunksorten verfolgt hat, weiß genau, dass das Verhältnis der beiden Komponenten verantwortlich ist für die eher unangenehmen beklemmenden, psychoaktiven Wirkungen bei dafür empfänglichen Personen. Denn wenig CBD reicht nicht aus, die vom THC verursachten unangenehmen Symptome auszugleichen. CBD verfügt darüber hinaus über zahlreiche vorzügliche medizinische Eigenschaften. Zum Beispiel hemmt es Entzündungen, wirkt wohltätig bei Autoimmunkrankheiten, Diabetes oder Problemen im Darmsystem. Daher übertreibt LaFrate nicht, wenn er sagt, dass erst CBD Cannabis zum Medikament macht. Die untersuchten Proben enthielten neben einem ausgesprochen hohen Gehalt an THC von durchschnittlich 18,7 Prozent nur 0,1 Prozent CBD, statt der durchschnittlichen 0,5–1 Prozent.

Neuerdings finden erfolgversprechende Experimente bei der Behandlung von Epilepsie mit Sorten statt, die viel CBD und wenig THC enthalten. Dies wird auch von den Medien aufmerksam verfolgt. Viele Familien sind nach Colorado gezogen, um legal an das „Wundermittel Cannabis“ zu gelangen. Daher ist LaFrate ausgesprochen besorgt, dass die Eltern statt mit Sorten, die ein ähnliches Profil aufweisen, Cannabis mit einem hohen Gehalt an THC und wenig CBD für die Behandlung ihrer Kinder benutzen, was unter Umständen die Zahl der Anfälle noch erhöhen könnte.

Obwohl die meisten untersuchten Proben aus Geschäften stammten, die für den Genuss verkaufen, stellten auch einige Händler von medizinischem Cannabis Charas Scientific Proben zur Verfügung. LaFrate berichtete, dass es zwischen den Sorten zum Genuss und denen zum medizinischen Gebrauch kaum einen Unterschied gegeben hätte. Das Ergebnis sei zum Teil damit zu erklären, dass die Wissenschaft erst vor kurzer Zeit das Cannabidiol entdeckt hat und bisher Bedarf an Sorten mit hohem THC-Gehalt bestand, dem die Züchter versucht haben Rechnung zu tragen. Sorten mit hohem CBD-Gehalt würden erst seit Kurzem gezüchtet, was nicht nur die Konsument/innen begrüßten, die medizinische Ziele verfolgen, sondern auch jene, die kein High mit einem Pferdetritt wollen. La-Frate meint, dass die Testergebnisse sogar für die USA insgesamt repräsentativ sein könnten, denn die neuen Akteure auf dem medizinischen Markt beschäftigten mit Vorliebe erfahrene Arbeitskräfte aus Colorado.

Fiasko der Legalisierung?

Für die Gegner des regulierten Hanfmarkts waren die Laborberichte Wasser auf ihre Mühlen. Sie belegten ihrer Meinung nach eindeutig, dass die Legalisierung nicht funktioniere. „Die Studie belegt, dass auch die Kontrolle der Regierung die Bakterien- und Chemikalienfreiheit des Marihuanas nicht sicherstellen kann“, erklärte Kevin Sabet, Präsident von Smart Approaches to Marijuana (SAM), der den legalen Hanfmarkt „Tabakindustrie 2.0“ nennt. Er sieht darin die Wiederkehr der Tabakfirmen, die bis zum letzten Moment versuchten, die wahren Gesundheitsrisiken des Rauchens sowie den Chemikaliengehalt zu verschweigen. Ohne in die mit Verschwörungstheorien geführte uferlose Diskussion einsteigen zu wollen, stellen wir fest, dass es für die Vervollkommnung der Legalisierung wirklich noch viel zu tun gibt, es aber unbegründet ist, von einem Fiasko zu sprechen. Neben den früher erwähnten Erfolgen der Legalisierung dürfen wir nicht vergessen, dass sich der legalisierte Hanfmarkt in Colorado noch in der Testphase befindet, deren Erfahrungen aber der ganzen Welt zugutekommen werden. Statt über die Qualitätsbedenken verbittert zu sein, sollten wir sehen, dass die Schaffung legaler Geschäfte die Möglichkeit eröffnet, die in den USA verbreiteten Cannabissorten genauer kennenzulernen und die Regulierung zu verfeinern, beziehungsweise mit Aufklärung auf diese Tendenzen zu reagieren. Ohne Legalisierung hätte sich dazu kaum eine Möglichkeit geboten.

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