Chapo geschnappt. Na und?

Anfang Januar 2016 – ein halbes Jahr nach seinem sagenhaften Ausbruch – berichteten amerikanische wie mexikanische Polizei voller Stolz, man habe den bedeutendsten Drogenkartellchef unserer Zeit El Chapo Guzmán alias „der Kleine“ wieder eingefangen. Nun ist die Frage, ob damit der Krieg der mexikanischen Drogenkartelle zu einem Ende kommt. Nach Ansicht der AnalystInnen ist es jedoch zu früh, die Sektkorken knallen zu lassen. Das Vermögen des Chefs des Sinaloa-Kartells muss den Vergleich mit den reichsten Männern der Welt nicht scheuen, und nach Guzmáns Angaben schmuggelt seine Organisation mehr Heroin, Methamphetamin, Kokain und Marihuana als irgendjemand sonst auf der Welt. Der größte Teil davon überschwemmt die USA, die sich vor nicht allzu langer Zeit noch in der Rolle des Vorkämpfers bei der Ablehnung von Drogen gefiel. In dem berühmt gewordenen Interview mit Sean Penn beteuert der Chef des Kartells, dass es keine spürbaren Auswirkungen auf die Aktivitäten von Sinaloa haben würde, wenn man ihn fassen sollte. Offenbar hat der Kleine keine leeren Worte gemacht. Ein Jahr nach seiner Verhaftung stellte das amerikanische Drogenbüro nur minimale Veränderungen im Kartellbetrieb fest und absolut kein Nachlassen seiner Aktivitäten. Der größte Unterschied war jedoch, dass die mexikanische Regierung auffällig wenig vom Sinaloa-Kartell sprach. Es wäre sicher unangenehm gewesen einzugestehen, dass die Festsetzung einer Figur vom Format Al Capones keinen sichtbaren Nutzen brachte. Böse Zungen behaupten, auch das Timing des neusten Handstreichs sei nicht zufällig gewesen. Der mexikanische Peso sei gegenüber dem Dollar auf ein historisches Tief gefallen, wovon die Regierung mit allen Mittel ablenken wolle. Der Verantwortliche für die Aktion, der Leiter des amerikanischen Büros für Drogenangelegenheiten, schätzte die Geschichte eher als „moralischen Sieg“ ein. Er sagte, das Kartell werde unter dem Stellvertreter von El Chapo, „El Mayo“ Zambada, genauso gut funktionieren. „Die Infrastruktur wurde über Jahrzehnte entwickelt, allein, dass wir den Chef entfernen, wird sie nicht zusammenbrechen lassen.“ Die Drogenreformorganisation fordert schon lange, die Kartelle dort zu schlagen, wo es sie am meisten schmerzt, nämlich auf ihrem Markt. Schon nach den ersten Legalisierungen in Colorado und Washington warfen viele mexikanische Grashändler das Handtuch und viele Kartelle verlegten sich auf das billige Methamphetamin. Es wäre aber falsch zu glauben, dass Gras nicht mehr im Angebot sei. Um nur ein Beispiel aus jüngster Zeit anzuführen: Im Januar 2016 beschlagnahmten die amerikanischen Grenzschützer eine Tonne Marihuana aus Mexiko, die als Möhren deklariert war. Wenn in den USA die Legalisierung von Marihuana auf Bundesebene erfolgen würde, verlören solche Aktionen ihren Sinn vollkommen und die Mehrheit der Amerikaner würde ihr Cannabis eher von zertifizierten ZüchterInnen kaufen als in mexikanischen Unterweltlabors hergestelltes Methamphetamin, um das Krieg geführt und das unterwegs tausendmal gestreckt wurde.

You can share this: