Cannada*

*Slangbezeichnung für Kanada nach der Legalisierung

Nun hat das erste hochentwickelte Land die Legalisierung für sein gesamtes Territorium eingeführt. Das ging in Kanada, wie auch anderswo, nicht reibungslos vonstatten, besonders nicht für die PatientInnen von medizinischem Cannabis, langfristig bietet Kanada jedoch der ganzen Welt das überzeugendste Modell.

 

Viele halten das Inkrafttreten der kanadischen Gesetze für die erste Cannabislegalisierung, die den Namen „landesweit” verdient, und das nicht ohne Grund. Obwohl Uruguay bereits vor fünf Jahren legalisierte, konnte der legale Cannabismarkt dort nur einen geringen Teil der KonsumentInnen überzeugen. Ein Grund ist die schlechte Qualität des staatlichen Marihuanas, dazu kommt die Registrierungspflicht für KonsumentInnen. Man kann in Uruguay nicht einfach in eine Apotheke gehen und ein paar Gramm Gras kaufen, sondern man muss sich zunächst auf der Landesliste der Marihuanaraucher registrieren lassen, was verständlicherweise vielen missfällt. Das kanadische Modell bemüht sich, die südamerikanischen Fehler zu vermeiden, und möchte eine möglichst große Zahl von KonsumentInnen zur legalen Beschaffung veranlassen. Dabei soll vermieden werden, dass sie sich stigmatisiert fühlen, weil sie Cannabis einem Bier vorziehen. In den Nachrichten stand viel Vergnügliches über die neue Regulierung zu lesen – beispielsweise, dass kanadische PolizistInnen nun sorglos in ihrer Freizeit kiffen können, wenn sie fit zur Arbeit kommen. Es gab aber auch weniger vergnügliche Details – zum Beispiel über das Monitoring der öffentlichen Medien, mit dem die Regierung die Einstellung der Bevölkerung zum Kiffen analysiert. Uns interessiert die Auswirkung der Legalisierung auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis.

Kanada

30 g. 19+

Zunächst ein paar Worte darüber, wie die Regelung in der Praxis aussieht. Genauso wie Alkohol können in Kanada nur Personen über 19 Jahren Cannabis kaufen, jüngere Menschen dürfen nicht einmal in Begleitung von Erwachsenen die betreffenden Geschäfte betreten. Dort dürfen gegenwärtig Cannabisblüten, Öl, Samen und Gerätschaften zum Konsum vertrieben werden. Auf öffentlichen Plätzen dürfen Erwachsene bis zu 30 Gramm Cannabis mit sich führen und zu Hause kann man bis zu vier Pflanzen züchten, abgeschirmt von den Blicken anderer. Der Konsum ist überall dort verboten, wo auch Tabakrauchen verboten ist, im Auto und an Orten, wo sich regelmäßig viele Minderjährige aufhalten, beispielsweise in der Nähe von Schulen, Spielplätzen und bei öffentlichen Sportveranstaltungen. Der Handel ohne Lizenz ist natürlich weiterhin verboten und wer an Minderjährige verkauft, riskiert eine Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren.

Mit dieser Regelung vor Augen stürmten Mitte Oktober mehr KanadierInnen die ersten Cannabisläden als seinerzeit die Bürger von Uruguay die ihren. Dies gereichte jedoch den KonsumentInnen von medizinischem Cannabis zum Nachteil.

 

Versiegte Quellen

An mehreren Orten des Landes kam es ein paar Wochen nach der Eröffnung der Cannabisläden am 17. Oktober zu schweren Cannabisengpässen. Dies traf natürlich die therapeutischen KonsumentInnen, die regelmäßig jeden Tag Cannabis zur Linderung ihrer Symptome benutzen, am schwersten. Die Patientenhilfsorganisation Canadians for Fair Access to Medical Marijuana bezeichnete die Lage als Krise des medizinischen Systems. James O’Hara, Mitglied der Organisation, berichtete auf CBC, dass ihn viele Kranke mit ärztlichen Rezepten kontaktierten, weil ihre angestammten Läden mit Versorgungsengpässen kämpften. Die Versorgung von Kranken, deren schwere gesundheitliche Probleme wie Epilepsie oder andere Formen von Anfällen bzw. psychiatrische Störungen eine tägliche Behandlung erfordern, war infrage gestellt. O’Hara zufolge sei es dazu gekommen, weil das Gesetz keine reibungslose Versorgung des medizinischen Marktes garantieren könne. In den Apotheken gingen die Vorräte an bis dahin zuverlässig erhältlichen Sorten oder an CBD-Öl teilweise zu Ende. Immer auf ihre bewährten Produkte zurückgreifen zu können, ist für PatientInnen von vorrangiger Bedeutung. Manchen von ihnen hatten Händler gesagt, dass nach der Legalisierung das Profitstreben nicht ausbleiben werde. Vorgewarnt konnten sie sich im Voraus eindecken, soweit es ihnen ihre materielle Situation erlaubte.

Patientenschutz

Das Profitstreben führt nach Meinung vieler PatientInnen dazu, dass viele Produzenten vom medizinischen zum rekreativen Markt wechseln, der mit höheren Einnahmen lockt. Das bedeutet langfristig eine geringere Auswahl an medizinischen Sorten und der angebotenen Mengen insgesamt. Allan Rewak, Leiter des Cannabis Council of Canada, das 85 Prozent der ZüchterInnen und medizinischen Produzenten des Landes vertritt, bestreitet dies rigoros. Seiner Meinung nach genössen auf dem kanadischen Cannabismarkt die medizinischen KonsumentInnen auch gegenwärtig Vorrang und FreizeitkonsumentInnen müssten weiterhin zurückstehen. Er räumt jedoch ein, dass mit großen Schwierigkeiten zu rechnen sei, wenn dies dennoch der Fall sein sollte und die medizinischen PatientInnen zum Warten verurteilt würden. Er sieht die Ursache für den Engpass auch darin, dass viele PatientInnen befürchtet hatten, die Freizeitkiffer würden alle Vorräte aufkaufen, und deswegen vorsichtshalber größere Mengen hamsterten. Seiner Meinung nach handelt es sich nur um Anfangsschwierigkeiten und er betonte, dass die medizinischen Versorger Tag und Nacht arbeiteten, um die Bedürfnisse der PatientInnen zu befriedigen.

Den Engpass sagte übrigens eine Woche vor der Legalisierung eine Studie voraus, die vorrechnete, dass nach der Legalisierung der legale Markt nur 30 bis 60 Prozent der tatsächlichen Bedürfnisse befriedigen könne, und folglich ein Drittel der KonsumentInnen noch mindestens ein halbes Jahr lang auf den Schwarzmarkt angewiesen sein würde. Zur Entwicklung des legalen Marktes muss die Lizenzerteilung für Produzenten und Vertrieb erleichtert werden, bzw. müssen weitere Darreichungsformen des Cannabis – beispielsweise in Lebensmitteln und Konzentraten – zum Handel freigegeben werden. Wenn all dies geschieht und die PatientInnen ohne größere Probleme die Dürreperioden überstehen, werden wir in Kanada die bisher beste Regelung sehen, die auch die Bedürfnisse der PatientInnen im Auge behält.

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