Cannabispatient kämpft um sein Recht
Franz Wolf ist Cannabispatient und hatte schon vor dem neuen Gesetz bzgl. Cannabis als Medizin eine Ausnahmegenehmigung, aber dafür ein anderes Problem: der exorbitante Preis. Jetzt, nach Inkrafttreten des Gesetzes, kommen die Lieferausfälle dazu. Franz Wolf berichtet über seine Erfahrungen mit dem Gesetz, der Medizin und dem Staat.
Medijuana: Seit wann nutzt du Cannabis als Medizin, wie bist du dazu gekommen?
Franz Wolf: Ich nutze Cannabis eigentlich schon immer als Medizin. Ich hatte mit 17 Jahren meinen ersten schweren Verkehrsunfall, bei dem ich mir den sechsten Halswirbel angebrochen habe. Insgesamt hatte ich elf Verkehrsunfälle (alle unverschuldet) und einen Sportunfall, bei denen meine Wirbelsäule schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Immer, wenn ich Haschisch oder Marihuana rauchte merkte ich, dass ich weniger Schmerzmittel brauchte.
MED: Du warst einer der Patienten mit Ausnahmegenehmigung – wie hat sich deine Situation jetzt verändert?
FW: Ich bekam meine Ausnahmegenehmigung im September 2015, seitdem bin ich „legaler Cannabispatient“. Meine Situation ist absurd, wie die vieler anderer Cannabispatienten auch. Der Gesetzgeber hat das Cannabis-als-Medizin-Gesetz gemacht, um Patienten Zugang zu medizinischen Cannabisblüten zu verschaffen. Die Hauptintention des Gesetzgebers war aber, den Eigenanbau der Patienten zu verhindern. Das hat der Gesetzgeber geschafft. Die Situation am Markt lässt sich nun wie folgt beschreiben: Patienten mit Rezept haben „Schwarzmarkt de luxe“, soll heißen: Ich rufe einmal im Monat bei meiner Versorgungsapotheke an und frage, was zu bekommen ist. Ich kann nicht die Blüten nutzen, die mir am besten helfen, sondern ich muss das nehmen, was der Apotheker besorgen kann. In meinen Augen unterläuft eine derart schlechte Versorgungslage den Sicherstellungsauftrag des Staates (weswegen ich Cannabis kultiviere).
MED: Was kostet dich das Cannabis jetzt? Und wie sieht es mit der Übernahme aus?
FW: Mein Cannabis kostet mich im Moment nur die Rezeptgebühr, da ich einer von den 40 Prozent der bewilligten Ausnahmegenehmigungsinhaber bin. Wenn ich sehe, wie viele der mir bekannten Patienten ohne Kostenübernahme dastehen, wird mir schlecht. Es hat in Deutschland insgesamt nur 1.020 Ausnahmegenehmigungen gegeben. Es wäre ein kleiner Haushaltsposten im Sinne „sozialer Gerechtigkeit“, diesen Menschen ihre Medikamentenkosten zu erstatten und sie mit Cannabis als Medizin zu versorgen. Beides ist aktuell nicht der Fall! Alle Ausnahmegenehmigungsinhaber, die ich kenne, therapieren schwere Krankheitsbilder mit Cannabis. Die meisten ruinieren sich wirtschaftlich, um sich ihre Medizin wenigstens teilweise leisten zu können. Meine soziale Situation hat sich trotz Kostenübernahme durch die Kasse verschlechtert. Der Gesetzgeber lässt aber auch 2018 schwerkranke Menschen im Regen stehen.
MED: Wie ging(en) dein(e) Verfahren zwecks Kostenübernahme aus?
FW: Mein Verfahren vor dem Landessozialgericht um Kostenerstattung der Blüten vor der Gesetzesänderung hat bisher kein Ergebnis geliefert. Die erste Instanz hat kein Ergebnis geliefert, da die Krankenkasse (AOK) davon ausgegangen war, dass mein Motiv zur Erlangung der Ausnahmegenehmigung die Straffreiheit von Cannabisdelikten gewesen sei.
In der zweiten Instanz vor dem Landessozialgericht bin ich wohl wieder baden gegangen, da die Kasse nun einen „Überprüfungsantrag nach § 44 SGB“ nachliefern muss, und erst dann das Gericht entscheidet, ob ich die Kosten für die Medikamente ersetzt bekomme oder nicht.
Der Gipfel der Frechheit war erreicht, als mir der Richter sagte, er wolle gar nicht wissen, wofür die hohe Stromrechnung war.
Die Krankenkasse hat mich sogar darauf hingewiesen, dass sie mich eigentlich anzeigen müsse, weil sie ja wisse, dass ich eine Straftat begangen habe.
Meine eigenen Cannabisblüten” helfen mir aber am besten, weil hier die Ingredienzien selbst erzeugt werden und in jedem Fall viel Liebe mit dabei ist.
MED: Welche Cannabisprodukte/Sorten helfen dir am besten?
FW: Cannabisblüten aus der Apotheke haben Handelsnamen. Oft werden diese Handelsnamen verändert, was zur Folge hat, dass man sich bei der Krankenkasse um eine neue Erlaubnis zum Erwerb kümmern muss. Aussagen bzgl. bestimmter Sorten sind schwer zu treffen, da ich nur bei vier Sorten weiß, welche Strains dahinterstehen. Mir persönlich helfen die Produkte von Tweed.
MED: Wie beurteilst du den Umgang mit Cannabis als Medizin in Deutschland?
FW: Die Höhe einer Kultur lässt sich am Umgang mit kranken Menschen ablesen. Für Cannabispatienten in Deutschland sieht es hier nicht besonders gut aus. Der Gesetzgeber lässt zwar Cannabis als Medizin zu, schließt aber gleichzeitig diese kranken Menschen aus der Gesellschaft aus, da er ihnen alltägliche Verrichtungen wie Autofahren, Maschinen bedienen verbietet. Für mich zeigt sich das ganze Dilemma besonders daran, dass die CSU nicht von der längst widerlegten Einstiegsdrogentheorie abweichen möchte. Wie soll sich Cannabis als Medizin durchsetzen, wenn der Gesetzgeber die Menschen, die Cannabis als Medizin nutzen, faktisch aus der Gesellschaft ausschließt? Mit dem Gesetzgeber wünsche ich mir als Betroffener ein Grundsatzgespräch über Cannabis.
Heute morgen blieb der Versuch, einen Dialog über Cannabis zu starten, wieder einmal ergebnislos. Eine Partei, die vorgibt, „näher am Menschen“ zu sein, und unseren Freistaat als „die Zukunft“ sieht, täte gut daran, Betroffene anzuhören und von ihrem Erfahrungswissen zu profitieren. Bei Cannabis als Medizin haben wir als Gesellschaft gar keine andere Wahl, als dass sich Mediziner auf das verlassen, was ihnen ihre Patienten berichten. Cannabis kommt im Medizinstudium nicht vor. Deshalb ist die Ärzteschaft zurückhaltend und verunsichert. Cannabis als Medizin könnte die größte soziale Innovation werden, die der Bundesrepublik Deutschland je widerfahren ist. Wir sprechen hier nicht von der Behandlung eines Schnupfens, sondern von Volkskrankheiten wie Depressionen, Krebs oder Alzheimer. Dies setzt aber voraus, dass das Thema von allen Beteiligten ernst genommen wird. Danach sieht es bei der CSU im Moment nicht aus, da diese ihren Krieg gegen Cannabis auch anno 2018 im deutschen Bundestag fortsetzt und nicht einmal davor zurückschreckt, die Bevölkerung falsch zu informieren. Beste Propaganda. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt. Wir werden sehen, wie lange Horst Seehofer in seiner neuen Funktion als Bundesinnenminister dem kriminellen Treiben seiner CSU noch zusehen wird, ohne das Amt des Innenministers zu beschädigen.